Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.84/2003
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2P.84/2003 /bie

Urteil vom 16. April 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

G. ________, Beschwerdeführerin,

gegen

Finanzdepartement des Kantons Schaffhausen, Mühlentalstrasse 105, 8201
Schaffhausen,
Obergericht des Kantons Schaffhausen,
Postfach 568, 8201 Schaffhausen.

Art. 5, 8, 9, 29 und 127 BV (Steuererlass),

staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Obergerichts des Kantons Schaffhausen
vom 14. Februar 2003.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 27. Juli 2002 stellte G.________ das Gesuch, es seien ihr die noch offenen
Staats- und Gemeindesteuern 1993 - 1998 im Betrag von Fr. 151'930.40 zu
erlassen. Das Finanzdepartement des Kantons Schaffhausen gab dem Gesuch nicht
statt (Verfügung vom 21. Oktober 2002). Eine Beschwerde wies das Obergericht
des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 14. Februar 2003 ab, soweit darauf
einzutreten war. Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende
staatsrechtliche Beschwerde von G.________. Sie stellt den Hauptantrag, der
Entscheid des Obergerichts vom 14. Februar 2003 sei aus formellen Gründen
aufzuheben.

Akten und Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

2.
Die staatsrechtliche Beschwerde steht Bürgern und Körperschaften bezüglich
solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie
persönlich treffende Rechtsverletzungen erlitten haben (Art. 88 OG). Sie ist
daher nur dann gegeben, wenn die Verfassungsverletzung, die der Betroffene
rügt, ihn in persönlichen, rechtlich geschützten Interessen trifft (vgl. BGE
121 I 267 E. 2 S. 268 f.).
2.1 Durch die Verweigerung eines Steuererlasses ist ein Steuerpflichtiger nur
dann in rechtlich geschützten Interessen betroffen, wenn ihm das kantonale
Recht einen Rechtsanspruch auf Steuererlass einräumt. Ein Rechtsanspruch
liegt dann vor, wenn das kantonale Recht genau umschreibt, unter welchen
Voraussetzungen dem Betroffenen der beantragte Vorteil zu gewähren ist. Dies
ist bei der Regelung des Steuererlasses allerdings nur schwer vorstellbar,
kommt doch der kantonale Gesetzgeber nicht darum herum, die Voraussetzungen
des Steuererlasses relativ vage zu umschreiben, indem er eine Notlage des
Pflichtigen, einen besonderen Härtefall oder dergleichen als erforderlich
erklärt. Ob der Gesetzgeber einen Rechtsanspruch einräumen will, muss sich
daher eher aus anderen Umständen ergeben, etwa daraus, dass blosse
Kann-Vorschriften vermieden wurden (BGE 122 I 373 E. 1a; 112 Ia 93 E. 2c S.
94 f.).

Die Einkommenssteuergesetze der Kantone räumen den Behörden beim Entscheid
über einen beantragten Steuererlass ein grosses Ermessen ein. Die meisten
Steuergesetze bestimmen, dass die Steuer bei Vorliegen einer besonderen
Härte, Notlage oder Herabsetzung der Leistungsfähigkeit erlassen werden kann;
einzig die Kantone Bern und Jura vermeiden eine Kann-Formulierung und
schreiben vor, dass die Steuer in einem solchen Fall zu erlassen ist.

2.2 Das Bundesgericht hat in einem den Kanton Neuenburg betreffenden Fall
entschieden, dass ein Rechtsanspruch auf Steuererlass jedenfalls dann fehlt,
wenn die einschlägige kantonale Gesetzesnorm bloss die Möglichkeit eines
Total- oder Teilerlasses vorsieht und dem allein entscheidenden Vorsteher des
Finanzdepartements einen sehr grossen Ermessensspielraum einräumt, ohne
festzulegen, dass er unter bestimmten Voraussetzungen einen Steuererlass
gewähren muss (BGE 112 Ia 93 E. 2c S. 94 f.). In Bezug auf § 62 des
zürcherischen Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes vom 28. September 1985
hat das Bundesgericht einen Rechtsanspruch auf Steuererlass verneint; daran
vermochte nichts zu ändern, dass im Zürcher Erbschafts- und
Schenkungssteuergesetz gegen den Entscheid der Finanzdirektion ein
Rechtsmittel an den Regierungsrat vorgesehen ist (nicht veröffentlichtes
Urteil vom 28. Februar 1994 i.S. R.B. E. 2c). In weiteren nicht publizierten
Entscheiden wurde ein Rechtsanspruch auf Steuererlass für den Kanton Schwyz
(Urteil vom 13. Juli 1988 i.S. B. AG), den Kanton Wallis (Urteil vom 19.
September 1995 i.S. C.C.), den Kanton Freiburg (Urteil vom 17. November 1995
i.S. M.K.) und den Kanton Luzern (Urteil vom 20. Dezember 1996 i.S. T.N.)
verneint, ebenso im publizierten Entscheid vom 20. Dezember 1996 für die
Einkommenssteuer des Kantons Zürich (BGE 122 I 373).

3.
Auch der Gesetzgeber des Kantons Schaffhausen hat darauf verzichtet, die
Voraussetzungen für einen Steuererlass verbindlich festzulegen. Nach Art. 186
Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Schaffhausen vom 20. März 2000 über die
direkten Steuern (StG), das hier zur Anwendung gelangt, "können" den
Steuerpflichtigen die geschuldeten Steuern ganz oder teilweise erlassen
werden, wenn sie in eine finanzielle Notlage geraten sind oder wenn für sie
die Bezahlung der Steuern eine grosse Härte bedeuten würde. Absatz 2
umschreibt, wann ein Steuererlass begründet sein kann, nämlich wenn die
"Leistungsfähigkeit ganz erheblich beeinträchtigende Verhältnisse" vorliegen,
wie beispielsweise andauernde Arbeitslosigkeit, nicht versicherte schwere
Schäden wegen Naturereignissen oder nicht selbst verschuldete Bedürftigkeit.
Doch ändert das nichts daran, dass die Gewährung eines Steuererlasses dem
Ermessen der Erlassbehörde anheim gestellt ist (Kann-Vorschrift) Die
Voraussetzungen für einen Steuererlass sind auch zu unbestimmt umschrieben,
als dass sich daraus ein justiziabler Anspruch auf Steuererlass ableiten
liesse: andauernde Arbeitslosigkeit, nicht versicherte Schäden infolge von
Naturereignissen oder unverschuldete Bedürftigkeit sind Ereignisse, die
Anlass geben können, die Situation des Steuerschuldners daraufhin näher zu
untersuchen, ob ein Härtefall oder eine finanzielle Notlage im Sinne von
Absatz 1 vorliegt; der Begriff des Härtefalls oder der finanziellen Notlage
wird allein dadurch indes nicht konkretisiert.

Die Beschwerdeführerin ist daher nicht in rechtlich geschützten Interessen
betroffen. Auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden, soweit gerügt
wird, der angefochtene Entscheid verletze das Gebot der Rechtsgleichheit
(Art. 8 BV), den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV), die Eigentumsgarantie (Art. 26 Abs.
1 BV) oder den Grundsatz von Treu und Glauben und das Willkürverbot (Art. 9
BV).

4.
4.1 Unabhängig der Legitimation in der Sache selbst kann mit staatsrechtlicher
Beschwerde eine Verletzung von Verfahrensgarantien geltend gemacht werden,
deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art.
88 OG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls
nicht aus einer Berechtigung in der Sache selbst, sondern aus der
Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Eine solche besteht dann, wenn dem
Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung zukommt. Ist dies der
Fall, kann er die Verletzung der Parteirechte rügen, die ihm nach dem
kantonalen Recht oder unmittelbar gestützt auf die Bundesverfassung zustehen
(BGE 114 Ia 307 E. 3c; BGE 127 II 161 E. 3 b mit weiteren Hinweisen). Die
Rüge wegen formeller Rechtsverweigerung kann aber nicht dazu dienen, eine
Überprüfung des angefochtenen Entscheides in materieller Hinsicht zu
erwirken, wenn in der Sache die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde
nicht gegeben ist (BGE 117 Ia 90 E. 4a S. 95).

4.2 Die von der Beschwerdeführerin erhobenen formellen Rügen richten sich
einerseits gegen die angeblich zu lange Dauer des Veranlagungsverfahrens.
Gegenstand des angefochtenen Entscheides ist indessen nicht die
Steuerveranlagung, sondern allein das Gesuch der Beschwerdeführerin, es seien
ihr die Steuern der fraglichen Jahre zu erlassen. Das Veranlagungsverfahren
kann mit der vorliegenden Beschwerde nicht erneut in Frage gestellt werden.
Andererseits macht die Beschwerdeführerin mit ihren Rügen wegen formeller
Rechtsverweigerung geltend, dass die Situation, welche sie veranlasst habe,
ein Erlassgesuch zu stellen, nicht eingetreten wäre, wenn die Behörden die
Dossiers bei der Veranlagung nicht verschleppt hätten; das Obergericht habe
dies unberücksichtigt gelassen. Die Frage, ob die finanzielle Situation der
Beschwerdeführerin richtig gewürdigt worden ist bzw. ob die Steuerbehörde die
Verschlechterung der finanziellen Situation der Beschwerdeführerin heute
hinzunehmen habe ("Debitorenrisiko"), ist indessen materieller Natur und kann
von der Prüfung in der Sache selbst nicht getrennt werden. Auf eine solche
Prüfung hat die in der Sache selbst nicht legitimierte Beschwerdeführerin
keinen Anspruch. Das trifft auch auf die Rüge zu, das Finanzdepartement habe
das Erlassgesuch nicht fair und mit der nötigen Unvoreingenommenheit geprüft,
zumal die Beschwerdeführerin die angebliche Voreingenommenheit der Behörde im
Wesentlichen damit begründet, diese habe unzutreffende Angaben zum Verfahren
gemacht.

5.
Die Beschwerde ist offensichtlich unzulässig und im vereinfachten Verfahren
nach Art. 36a OG zu erledigen.

Mit dem Entscheid über die Beschwerde ist das Begehren, es sei der Beschwerde
aufschiebende Wirkung zuzusprechen, gegenstandslos geworden. Die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art.
156 Abs. 1 OG). Anspruch auf Parteientschädigung besteht nicht.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Finanzdepartement des Kantons
Schaffhausen und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 16. April 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: