Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.67/2003
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2P.67/2003 /leb

Urteil vom 12. August 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Bundesrichter Merkli,
Gerichtsschreiber Matter.

A. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
lic. iur. Felix Rutschmann, Ritter & Schwaibold Rechtsanwälte,
Fraumünsterstrasse 9, Postfach 2765, 8022 Zürich,

gegen

Gemeinde X.________,
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden,
3. Kammer, Obere Plessurstrasse 1, 7001 Chur.

Art. 9 BV (Gemeindesteuern, Solidarhaftung der Ehefrau),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden,

3. Kammer, vom 10. Januar 2003.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die seit 1953 miteinander verheirateten B.________ und A.________
vereinbarten mit Ehevertrag vom 22. September 1964 Gütertrennung.
Am 20. August 2002 stellte die Gemeinde X.________ A.________ Gemeinde- und
Kirchensteuern für die rechtskräftige Steuerveranlagung 1997 des Ehepaars in
Rechnung. Dagegen erhob A.________ erfolglos Einsprache und sodann Rekurs an
das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dabei machte sie geltend, ihr
Ehemann sei zahlungsunfähig, nachdem gegen ihn am 26. September 2002 die
Pfändung vollzogen und durch provisorischen Verlustschein festgestellt worden
sei, dass das pfändbare Vermögen ungenügend sei. Sie hafte für die Steuer
ihres Gatten nicht.
Das Verwaltungsgericht wies am 10. Januar 2003 den Rekurs ab mit der
Begründung, Zahlungsunfähigkeit im Sinne des kantonalen Steuergesetzes (in
seiner Anwendung als kommunales Recht) sei erst dann rechtsgenüglich
nachgewiesen, wenn definitive Verlustscheine bestünden, bei Konkurseröffnung
oder beim Abschluss eines Nachlassvertrages. Das Vorliegen von provisorischen
Verlustscheinen genüge nicht.

1.2 Am 13. März 2003 hat A.________ staatsrechtliche Beschwerde beim
Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts
wegen Willkür aufzuheben. Zudem sei die Gemeinde X.________ anzuweisen, durch
Verfügung denjenigen Anteil der Gesamtsteuer festzulegen, für welchen die
Beschwerdeführerin zu haften habe.
Die Gemeinde X.________ und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung
der Beschwerde.

2.
2.1 Der angefochtene Entscheid ist ein kantonal letztinstanzlicher
Endentscheid, gegen den auch auf Bundesebene kein anderes Rechtsmittel zur
Verfügung steht (vgl. Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 OG). Die
Beschwerdeführerin ist zur Anfechtung des verwaltungsgerichtlichen Entscheids
legitimiert (vgl. Art. 88 OG).

2.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht in Betracht fallenden
Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (vgl. BGE 129 I 129 E. 1.2.1
S. 131, mit weiteren Hinweisen). Soweit die Beschwerdeführerin mehr verlangt
als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ist auf ihre Beschwerde nicht
einzutreten.

3.
Gemäss Art. 10 Abs. 1 des bündnerischen Steuergesetzes vom 8. Juni 1986
(StG/GR) werden bei Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter
Ehe leben, Einkommen und Vermögen ohne Rücksicht auf den Güterstand
zusammengerechnet. Laut Art. 13 Abs. 1 StG/GR haften Ehegatten für die
Steuerperioden, für die sie gemeinschaftlich besteuert werden, solidarisch
für die Gesamtsteuer. Jeder Ehegatte haftet jedoch nur für seinen Anteil an
der Gesamtsteuer, wenn der andere Ehegatte zahlungsunfähig ist.

3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, diese Bestimmungen seien (als
kommunales Steuerrecht) willkürlich angewendet worden. Willkürlich ist ein
Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar
erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er
offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft.
Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines
Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (vgl. BGE 125 I 166 E.
2a S. 168; 124 I 247 E. 5 S. 250; 123 I 1 E. 4a S. 5, je mit weiteren
Hinweisen).

3.2 Vorliegend hat das Verwaltungsgericht willkürfrei urteilen können, dass
"Zahlungsunfähigkeit" im Sinne von Art. 13 StG/GR noch nicht nachgewiesen
ist, wenn erst provisorische Verlustscheine vorliegen. Das muss insbesondere
gelten, wenn der Betroffene - wie das Verwaltungsgericht hier unbestritten
und somit für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat - kurz zuvor
Vermögensgegenstände in zweistelliger Millionenhöhe an seine Ehefrau und
Kinder veräussert bzw. verschenkt hatte, wogegen zum massgeblichen Zeitpunkt
noch die zwangsvollstreckungsrechtliche Anfechtungsklage offen stand (vgl.
auch die Pfändungsurkunde vom 14. Juni 2002, S. 7). Soweit eine verpönte
Gläubigerbevorzugung vorliegen könnte, ist es auf jeden Fall vertretbar,
strenge Anforderungen an den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit zu stellen.

3.3 Die Beschwerdeführerin legt vor Bundesgericht nunmehr definitive
Verlustscheine vor. Als unzulässige neue Sachvorbringen müssen sie
unbeachtlich bleiben. Mit staatsrechtlicher Beschwerde können grundsätzlich
keine Tatsachen und Beweismittel sowie keine rechtlichen Argumente
vorgebracht werden, welche nicht bereits im kantonalen Verfahren geltend
gemacht wurden (BGE 113 Ia 407 E. 1 S. 408; Walter Kälin, Das Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 369 ff.). In
Willkürbeschwerden sind nur solche neuen Vorbringen erlaubt, zu deren
Geltendmachung erst die Begründung des angefochtenen Entscheides Anlass gibt,
sowie Gesichtspunkte, die sich derart aufdrängen, dass sie von der kantonalen
Instanz von Amtes wegen hätten berücksichtigt werden müssen (vgl. Kälin,
a.a.O., S. 370 f.). Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt.
Selbst die Berücksichtigung der definitiven Verlustscheine könnte aber keine
andere Beurteilung rechtfertigen: Im Zwangsvollstreckungs- wie im Steuerrecht
geht der Begriff der Zahlungsunfähigkeit notwendigerweise über ein bloss
vorübergehendes Unvermögen des Schuldners, seinen finanziellen
Verpflichtungen nachzukommen, hinaus. Es muss sich um einen dauerhaften
Zustand handeln (vgl. u.a. Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 6. Aufl., § 38 Rz. 14 f.; Bernhard Greminger, Rz 3 zu Art. 13
DBG, in: Zweifel/Athanas (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht
I/2a Basel/ Genf/München 2000). Ein solcher kann klarerweise ohne Willkür
verneint werden, wenn die Mittellosigkeit wesentlich auf Entreicherungen zu
Gunsten der eigenen Familie beruht. Die verschobenen Vermögensgegenstände
liessen sich ohne weiteres und relativ kurzfristig wieder an den Veräusserer
zurückführen.
Dabei erübrigt es sich zu prüfen, ob das gesamte Vorgehen der
Beschwerdeführerin nicht schlicht rechtsmissbräuchlich ist. Es genügt
festzuhalten, dass es Sinn und Zweck der Haftungsbeschränkung zuwiderliefe,
wenn sie durch eine Ehefrau beansprucht werden könnte, zu deren Gunsten der
Gatte seine eigene Mittellosigkeit herbeigeführt hat (vgl.
Abtretungserklärung vom 20. März 2000, Pfändungsurkunde S. 7).

3.4 Zum vornherein unmassgeblich ist hier schliesslich die zwischen den
Eheleuten vereinbarte Gütertrennung (vgl. Art. 10 Abs. 1 StG/GR).

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde vollumfänglich und offensichtlich
unbegründet, soweit darauf überhaupt einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art.
156 Abs. 1 OG in Verb. mit Art. 153 und 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Gemeinde X.________ und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. August 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: