Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.320/2003
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2P.320/2003 /zga

Urteil vom 9. Juli 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Müller, Bundesrichter Merkli,
Gerichtsschreiber Matter.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Konrad Jeker,

gegen

Steueramt des Kantons Solothurn,
Werkhofstrasse 29c, 4509 Solothurn,
Kantonales Steuergericht Solothurn, Centralhof, Bielstrasse 9, 4502
Solothurn.

Art. 9 u. 29 BV (Nachsteuer für die Staatssteuer 1991),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Kantonalen Steuergerichts Solothurn
vom 15. September 2003.

Sachverhalt:

A.
X.  ________ erhielt für die Vermittlung eines Grundstückgeschäfts zwei
Provisionen ausbezahlt: im Jahr 1990 eine erste von Fr. 80'000.-- und 1991
eine zweite von Fr. 120'000.--. Keine der beiden Zahlungen deklarierte er als
Einkommen.

Die kantonale Steuerverwaltung (jetzt: kantonales Steueramt) Solothurn erhob
deshalb am 28. Mai 1996 sowohl für die kantonalen Steuern als auch für die
direkte Bundessteuer Nach- und Strafsteuern. Das Bundesgericht hiess die
hiergegen eingereichten Rechtsmittel in letzter Instanz wegen Verletzung des
rechtlichen Gehörs gut (2P.267/1999 und 2A.461/1999). Darauf traf das
Steuergericht des Kantons Solothurn am 22. Oktober 2001 einen neuen
Entscheid, mit welchem es die Nach- und Strafsteuerpflicht bejahte und die
Sache zur betragsmässigen Neufestsetzung an die Veranlagungsbehörde
zurückwies. Auf die hiergegen erhobenen Rechtsmittel trat das Bundesgericht
nicht ein, weil es sich beim angefochtenen Entscheid um einen
Zwischenentscheid handelte, der keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil
bewirkte (2P.68/2002 und 2A.125/2002).

Am 16. April 2002 verfügte das Steueramt für die Staatssteuer 1991 eine
Nachsteuer von Fr. 9'361.15 und eine Strafsteuer von Fr. 826.95 sowie für die
direkte Bundessteuer 1991/92 eine Nachsteuer von Fr. 211.20 und eine Busse in
gleicher Höhe. Das Steuergericht schützte diesen Entscheid auf Beschwerde
hin.

B.
Am 12. Dezember 2003 hat X.________ staatsrechtliche Beschwerde an das
Bundesgericht erhoben. Er beantragt, den steuergerichtlichen Entscheid vom
15. September 2003 aufzuheben, soweit er sich auf die Nachsteuer für die
Staatssteuer 1991 bezieht. Gerügt wird ein Verstoss gegen das Willkürverbot
sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Das Steueramt und das Steuergericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei.

Mit Replik vom 15. April 2004 hält X.________ an seinen Begehren fest.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Der Entscheid des Kantonalen Steuergerichts Solothurn bezüglich der
Festsetzung der Nachsteuer zur Staatssteuer ist ein letztinstanzlicher
kantonaler Endentscheid, gegen den auch auf Bundesebene kein ordentliches
Rechtsmittel zur Verfügung steht. Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit
zulässig (Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 OG). Der
Beschwerdeführer, der zur Bezahlung der Nachsteuer verpflichtet worden ist,
ist zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG).

1.2  Auf eine staatsrechtliche Beschwerde kann nur eingetreten werden, wenn
sie den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügt. Danach
muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste
Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche
Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid
verletzt worden sein sollen. Klar und detailliert ist insbesondere eine
Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) geltend zu machen (vgl. BGE 127 III
279 E. 1c S. 282; 127 I 38 E. 3c und 4 S. 43; je mit weiteren Hinweisen). Es
kann hier offen bleiben, inwiefern die Beschwerdeschrift diesen Anforderungen
genügt, weil die Beschwerde auf jeden Fall unbegründet ist.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt einen Verstoss gegen Art. 9 BV. Willkürlich und
aktenwidrig sei einerseits die Sachverhaltsfeststellung, aus der das
Steuergericht auf das Bestehen eines Treuhandverhältnisses zwischen ihm und
dem wahren Berechtigten an der Provision geschlossen habe. Unhaltbar sei
andererseits die vom Steuergericht vorgenommene Rechtsanwendung, weil es bei
der Nachsteuer nicht wie bei der Strafsteuer davon ausgegangen sei, der
Beschwerdeführer habe von der erhaltenen Teilzahlung von Fr. 80'000.-- den
Betrag von Fr. 70'000.-- an den wahren Berechtigten weitergeleitet.

2.2  Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verfügt der Sachrichter im
Bereich der Beweiswürdigung über einen weiten Ermessensspielraum. Das
Bundesgericht greift auf staatsrechtliche Beschwerde wegen willkürlicher
Beweiswürdigung hin nur ein, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich
unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht,
auf einem offenkundigen Versehen beruht oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40).
Willkür in der Rechtsanwendung liegt nach der Rechtsprechung nicht schon vor,
wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder sogar vorzuziehen
wäre. Das Bundesgericht weicht vom Entscheid der kantonalen Behörde nur ab,
wenn dieser offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtssatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Vorausgesetzt ist sodann, dass nicht bloss die Begründung des
Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 128 II 259 E. 5 S.
280 f., mit Hinweisen).

2.3  Die Ausführungen des Beschwerdeführers, er habe nie ein
Treuhandverhältnis behauptet, sind aktenwidrig, wie das Steueramt in seiner
Vernehmlassung (S. 3 Ziff. II/3-5) überzeugend darlegt. Von einer
willkürlichen Sachverhaltsfeststellung in diesem Zusammenhang kann deshalb
keine Rede sein. In der vorliegenden Beschwerde wird nun geltend gemacht, es
habe kein Treuhand-, sondern ein Stellvertretungsverhältnis bestanden. Es
kann offen bleiben, ob es sich dabei um ein unzulässiges Novum handelt (vgl.
BGE 113 Ia 407 E. 1 S. 408; Walter Kälin, Das Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 369 ff.). Denn im
einen wie im anderen Fall wäre die (Nach-)Besteuerung des Beschwerdeführers
nur dann nicht gerechtfertigt gewesen, wenn es ihm gelungen wäre, das
behauptete Verhältnis einwandfrei zu belegen (vgl. StR 2003 368 E. 5.2; ASA
68, 746 E. 3a, 65 397 E. 2b; je mit weiteren Hinweisen).

Das Steuergericht hat festgehalten, dass der erforderliche Nachweis
vorliegend nicht erbracht worden sei. Dafür hat es sich insbesondere auf
Folgendes gestützt: Es habe kein schriftlicher Beleg aus der Zeit der
angeblichen Begründung des Verhältnisses bestanden. Es soll zwar "eine Art
Vertrag" abgeschlossen worden sein, aber nur "auf einem Blatt", das nicht
mehr auffindbar sei. Zudem seien die Aussagen des Beschwerdeführers teilweise
widersprüchlich, teilweise stimmten sie nicht mit den vorgelegten Unterlagen
überein. Die durch den angeblich Berechtigten eingereichten Angaben und
Unterlagen hätten die Unklarheiten und Unstimmigkeiten nicht auszuräumen
vermocht (vgl. E. 4d und 4e des angefochtenen Entscheids). Der
Beschwerdeführer bringt nichts vor, was diese Feststellungen als falsch oder
gar willkürlich erscheinen lassen könnte. Ist die Vereinnahmung der
interessierenden Provision für einen Dritten aber nicht nachgewiesen worden,
so ist sie dem Beschwerdeführer zuzurechnen und von diesem als Einkommen zu
versteuern. Eine unzulässige Umkehr der Beweislast liegt darin nicht, weil
die Beweislast für steuermindernde Tatsachen (hier: Vereinnahmung zugunsten
eines Dritten) bei demjenigen liegt, der das Entgelt für eine auf Erwerb
ausgerichtete Tätigkeit bezieht (hier: der Beschwerdeführer). Mithin hat der
Beschwerdeführer die steuerlichen Folgen zu tragen, die daraus resultieren,
dass die behauptete Entgegennahme der Provision für einen Dritten ohne Beweis
geblieben ist. Unter diesen Umständen ist eine willkürliche
Sachverhaltsfeststellung oder Rechtsanwendung bei der Erhebung der Nachsteuer
ohne weiteres zu verneinen.

3.
Der Beschwerdeführer rügt im Weiteren eine Verletzung des rechtlichen Gehörs,
insbesondere weil das Steuergericht aufgrund der Akten entschieden habe, ohne
eine öffentliche Hauptverhandlung durchzuführen und ohne ihm Gelegenheit zu
geben, sich zum Beweisergebnis zu äussern.

Zum vornherein unzutreffend ist diese Argumentation insoweit, als sich der
Beschwerdeführer auf strafprozessuale Verfahrensgrundsätze und Beweisregeln
beruft (Art. 6 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 30 Abs. 3 BV sowie Art. 32 Abs. 2 BV).
Im Nachsteuerverfahren gelten diese nicht und scheidet insbesondere die
Berufung auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK aus (vgl. u.a. StE 1997 B 92.51 4 E. 2; ASA
65 386 E. 1b; je mit weiteren Hinweisen). Daran ändert auch nichts, dass
Nachsteuer und Busse im gleichen Verfahren erhoben werden. Art. 30 Abs. 3 BV
behält gesetzliche Ausnahmen vom Anspruch auf öffentliche Gerichtsverhandlung
und Urteilsverkündung im Weiteren ausdrücklich vor (vgl. § 162 des
Steuergesetzes des Kantons Solothurn vom 1. Dezember 1985).

Nur die Regeln des Steuer(veranlagungs)verfahrens kommen bei der Erhebung der
Nachsteuer zur Anwendung. In dieser Hinsicht ist eine Gehörsverletzung hier
nicht ersichtlich. Das gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer seit dem
ersten Entscheid des Steuergerichts Gelegenheit hatte, sich (mündlich oder
schriftlich) mehrmals eingehend zu äussern und Belege vorzulegen. Auch vom
angeblichen Treu- bzw. Auftraggeber wurden Erklärungen und Dokumente
eingereicht. Schriftliche Belege aus der Zeit der behaupteten
Vertragsbegründung sind jedoch nicht (mehr) vorhanden. Zudem verbleiben
Widersprüche, Unklarheiten und Unstimmigkeiten (vgl. dazu oben E. 2.3). Unter
diesen Umständen konnte das Steuergericht in Bezug auf die Nachsteuer ohne
Willkür bzw. Gehörsverletzung annehmen, die zusätzlich beantragten
Beweismassnahmen seien nicht geeignet, den geforderten einwandfreien Nachweis
des behaupteten Treuhand- oder Stellvertretungsverhältnisses zu erbringen.
Weshalb es dazu verpflichtet gewesen sein sollte, vor dem Entscheid in der
Sache förmlich über die beantragte Zeugenbefragung zu entscheiden, ist
unerfindlich. Der Beschwerdeführer vermag keine Vorschrift zu nennen, die
solches gebieten würde, und er hat auch nicht dargelegt, dass das
Steuergericht ihm eine entsprechende Zusicherung abgegeben hätte. Der
anwaltlich vertretene Beschwerdeführer musste wissen, dass der Entscheid über
die Abnahme weiterer Beweise auch im Rahmen des Endentscheides ergehen
konnte.

4.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, soweit darauf
einzutreten ist.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem kantonalen Steueramt und dem
kantonalen Steuergericht Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Juli 2004

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: