Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.314/2003
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2P.314/2003 /leb

Urteil vom 11. Dezember 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiber Feller.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Roland Ilg,

gegen

Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15,
6002 Luzern.

Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs
(Rechtsverweigerung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Justiz- und
Sicherheitsdepartements des Kantons Luzern vom 10. November 2003.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Mit Verfügung vom 17. Juli 2003 lehnte das Amt für Migration des Kantons
Luzern das Gesuch von A.________ um Familiennachzug für seine Ehefrau und
zwei Kinder (geb. 1985 und 1987), alle Staatsangehörige von Serbien und
Montenegro, wohnhaft im Kosovo, ab. Die Verfügung wurde am 18. Juli 2003 als
eingeschriebene Sendung (LSI) zu Handen von A.________ zur Post gegeben. Am
29. Juli 2003 gelangte sie an das Amt für Migration zurück, da sie nicht
abgeholt worden war. Das Amt für Migration nahm am 5. August 2003 einen
zweiten Versand vor.

A. ________ reichte am 27. August 2003 (Postaufgabe; Datum der Rechtsschrift
25. August 2003) beim Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern
eine Beschwerde gegen die Verfügung des Amtes für Migration ein. Das
Departement überwies die Beschwerde dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
zum Entscheid darüber, ob gestützt auf Art. 8 EMRK ein Rechtsanspruch auf
Familiennachzug bestehe. In der Folge verzichtete der anwaltlich vertretene
A.________ auf eine Behandlung der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht
und anerkannte damit, dass kein Rechtsanspruch auf Familiennachzug besteht.
Das Verwaltungsgericht erklärte daher das vor ihm hängige Verfahren mit
Verfügung vom 18. September 2003 als erledigt und überwies die Sache unter
Beilage der Akten zur Beurteilung der Verwaltungsbeschwerde an das Justiz-
und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern. Dieses trat am 10. November
2003 auf die Beschwerde nicht ein, weil sie verspätet erhoben worden sei. Es
ging davon aus, dass für die Berechnung der Beschwerdefrist von 20 Tagen die
erste Zustellung vom 18. Juli 2003 massgeblich sei.

A. ________ reichte am 2. Dezember 2003 beim Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern eine Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Justiz- und
Sicherheitsdepartements ein. Einem diesbezüglichen Antrag des
Rechtsvertreters von A.________ entsprechend überwies das Verwaltungsgericht
die Beschwerde unter Beilage der bei ihm ergangenen Akten am 5. Dezember 2003
dem Bundesgericht zur Beurteilung.

Gestützt auf die Überweisung des Verwaltungsgerichts ist vor Bundesgericht
ein Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde eröffnet worden; dieses
Rechtsmittel ist trotz fehlender Legitimation in der Sache selber (Art. 88
OG) zulässig, um die Verletzung von Parteirechten zu rügen und insbesondere
Nichteintretensentscheide wegen formeller Rechtsverweigerung anzufechten.

Auf telefonische Aufforderung hin hat das Justiz- und Sicherheitsdepartement
die ihm im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom Beschwerdeführer vorgelegte
Verfügung des Amtes für Migration vom 17. Juli 2003 per Fax an das
Bundesgericht übermittelt. Zusätzliche Akten (nebst den vom
Verwaltungsgericht überwiesenen) sind nicht eingeholt worden; von der
Anordnung eines Schriftenwechsels ist abgesehen worden. Über die
staatsrechtliche Beschwerde ist sofort, im vereinfachten Verfahren gemäss
Art. 36a OG, zu entscheiden.

2.
2.1 Dem angefochtenen Entscheid liegt eine Zustellungsfiktion zugrunde: Wenn
bei einer eingeschriebenen Sendung der Adressat bei einer versuchten
Zustellung nicht angetroffen und daher eine Abholeinladung in seinen
Briefkasten oder in sein Postfach gelegt wird, so gilt die Sendung in jenem
Zeitpunkt als zugestellt, in welchem sie auf der Post abgeholt wird;
geschieht dies nicht innert der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Post vorgesehenen Abholfrist von sieben Tagen, so gilt die Sendung als am
letzten Tag dieser Frist zugestellt, sofern der Adressat mit einer Zustellung
hat rechnen müssen. Diese Zustellfiktion entspricht konstanter
bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 127 I 31 E. 2a/aa S. 34), welche als
solche vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt wird.

2.2
2.2.1Nach Auffassung des Departements musste der Beschwerdeführer, der im
Februar 2003 ein Famliennachzugsgesuch gestellt hatte, mit der Zustellung
eines diesbezüglichen Entscheids rechnen, weshalb er taugliche Vorkehrungen
zu dessen Entgegennahme binnen der siebentägigen Abholfrist hätte treffen
müssen; das habe er nicht getan, womit die Beschwerdefrist von 20 Tagen (vgl.
§ 130 des Luzerner Gesetzes vom 3. Juli 1972 über die
Verwaltungsrechtspflege) spätestens am 18. August 2003 abgelaufen und daher
die Beschwerde am 27. August 2003 zu spät zur Post gegeben worden sei. Der
Beschwerdeführer hält dem entgegen, er sei zur fraglichen Zeit in den Ferien
gewesen; nach dem Grundsatz von Treu und Glauben hätte das Amt für Migration
einerseits die Tatsache, dass Arbeiter aus Jugoslawien regelmässig im
Sommermonat Juli die Ferien in ihrer Heimat verbrächten, berücksichtigen
müssen und die Zustellung seiner Verfügung nicht in diesem Zeitraum vornehmen
dürfen; andererseits hätte das Amt bei der zweiten Zustellung ausdrücklich
darauf hinweisen müssen, dass die Frist nicht nochmals zu laufen beginne;
unter diesen Umständen verletze ein Nichteintretensentscheid wegen
verspäteter Beschwerdeerhebung das Rechtsverweigerungsverbot.

Auf diese Rügen kann nicht eingetreten werden: Mit Verfügung vom 5. September
2003 forderte das Verwaltungsgericht den Beschwerdeführer auf, sich darüber
auszusprechen, ob er einen Rechtsanspruch geltend machen oder seine
Beschwerde vom Justiz- und Sicherheitsdepartement behandelt wissen wolle.
Zugleich räumte das Verwaltungsgericht dem Beschwerdeführer Gelegenheit ein,
bis am 15. September 2003 zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde
schriftlich Stellung zu nehmen. Dazu liess es ihm Kopien einerseits des
Dokuments "Track & Trace Briefe", aus welchem sich die postalischen Abläufe
der ersten Zustellung der Verfügung des Amtes für Migration ergeben, und
andererseits einer Aktennotiz der Verwaltungsgerichtskanzlei vom 4. September
2003 über dieselben Vorgänge zukommen. Wohl liess der Beschwerdeführer am 15.
September 2003 antworten, stellte aber bloss klar, dass er die erhobene
Beschwerde als Verwaltungsbeschwerde behandelt haben wolle, und bat um
Rücküberweisung an das Departement. Weder in diesem Schreiben ans
Verwaltungsgericht noch später in einer allfälligen Eingabe ans Departement
nahm er zur Fristfrage Stellung. Damit aber handelt es sich bei sämtlichen
heutigen Vorbringen des Beschwerdeführers, welche letztlich ausschliesslich
auf der neuen tatsächlichen Behauptung der Ferienabwesenheit beruhen, um im
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde unzulässige Nova (vgl. BGE 126 I
194 E. 3b S. 196; 118 Ia 20 E. 5a S. 26). Auf die staatsrechtliche Beschwerde
kann nicht eingetreten werden.

2.2.2 Ergänzend ist zu erwähnen, dass die Beschwerde, könnte darauf
eingetreten werden, unbegründet wäre: Der Beschwerdeführer musste
grundsätzlich damit rechnen, dass über sein im Februar 2003 gestelltes Gesuch
im Sommer 2003 entschieden werden könnte. Wollte er sich in diesem Zeitraum
ferienhalber ins Ausland begeben, wäre es ihm zuzumuten gewesen, dies dem Amt
für Migration anzuzeigen oder zumindest dafür zu sorgen, dass jemand für ihn
wichtige Sendungen im Empfang nimmt und ihn nötigenfalls informiert. Die
Tatsache allein, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine
Ferienabwesenheit bestand, lässt die Zustellung der Verfügung nicht als
treuwidrig erscheinen. Weder unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben
noch sonstwie zwingend erscheint sodann, dass die zweite Zustellung mit dem
Hinweis hätte versehen werden müssen, dass die Beschwerdefrist nicht neu zu
laufen beginne; angesichts der Tatsache, dass auf der Verfügung einerseits
mit Maschinenschrift das erste Versanddatum vermerkt und andererseits von
Hand der Hinweis "2. Versand: 05.08.2003" angebracht war, musste dem
Beschwerdeführer klar sein, dass er der Wahrung der Frist zur Anfechtung der
Verfügung vom 17. Juli 2003, welche er schliesslich am 7. August 2003,
immerhin rund zehn Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist, in Empfang nahm,
besondere Beachtung schenken musste.

2.3 Da auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann, sind die
bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in
Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Justiz- und
Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Dezember 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: