Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.275/2003
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2P.275/2003 /kil

Urteil vom 6. November 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichterin Yersin, Bundesrichter Merkli,
Gerichtsschreiber Küng.

X. ________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Sozialamt der Stadt Solothurn, Barfüssergasse 17, 4502 Solothurn,
Departement des Innern des Kantons Solothurn,
4500 Solothurn, vertreten durch das Amt für Gemeinden und soziale Sicherheit,
Wengistrasse 17, 4509 Solothurn,
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn,
Amthaus 1, Postfach 157, 4502 Solothurn.

Art. 9 und 29 BV (Einstellung der Sozialhilfe),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom

9. Oktober 2003.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
X. ________ (geb. 1950) ist seit 1999 geschieden und lebt seither als
alleinerziehende Mutter mit ihren beiden ausserehelichen Kindern von 14 und
17 Jahren. Sie ist therapeutisch tätig und bietet verschiedene Kurse über
ökologisches Bewusstsein und ökologische Lebensweise an, erzielt aber damit
kein Einkommen. Seit Mai 2001 wird sie von der Sozialhilfe unterstützt.

Ende 2001 wurde X.________ vom Sozialamt der Einwohnergemeinde Solothurn
verpflichtet, den Anordnungen des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums
nachzukommen, ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und bei Zuweisung
eine Stelle anzunehmen. Andernfalls werde die Sozialhilfe gekürzt. Diese
Auflagen bestätigte das Sozialamt im Juli 2002, wobei es X.________ verwarnte
und in der Folge aufforderte, jede zumutbare Arbeit anzunehmen.

Im März 2003 meldete das Sozialamt X.________ für eine Anstellung in einem
Soziallohnprojekt des Arbeitsvermittlungszentrums an. Der Stellenantritt
sollte am 2. Juni 2003 erfolgen. X.________ trat die Stelle weder damals noch
später an, auch nicht nach Androhung, die Sozialhilfe werde eingestellt.
Daraufhin verfügte die Sozialhilfekommission der Einwohnergemeinde Solothurn
am 2. Juli 2003 die Einstellung der Unterstützungsleistungen per Ende August
2003.

2.
Hiergegen erhob X.________ erfolglos Beschwerde beim Departement des Innern
des Kantons Solothurn. Dieses führte insbesondere aus, die angebotene Stelle
von 70% als Kantinen- und Reinigungskraft mit einem Monatslohn von Fr.
3'365.-- sei zumutbar und würde X.________ in die Lage versetzen, ihren
Lebensunterhalt selber zu verdienen. Weil sie die Weisung zum Stellenantritt
missachtet habe, seien die Sozialhilfeleistungen zu Recht eingestellt worden.

Gegen diesen Entscheid gelangte X.________ an das Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn, wobei sie namentlich geltend machte, das Verfahren sei
unfair geführt worden, das Vorgehen der Behörde sei unmenschlich und verletze
ihr Recht auf Existenzsicherung, und eine Arbeit als Kantinen- und
Reinigungskraft sei für sie nicht zumutbar. In seinem Entscheid vom 9.
Oktober 2003 verwarf das Verwaltungsgericht diese Argumente und wies die
Beschwerde ab.

3.
Mit Eingabe vom 29. Oktober 2003 führt X.________ staatsrechtliche Beschwerde
beim Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und
die Ausrichtung von Unterstützungsleistungen bis zur Zuweisung einer
persönlichkeitsangepassten Arbeit. Ausserdem sei der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zu erteilen und die unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren.

Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.

4.
Das angefochtene Urteil ist kantonal letztinstanzlich und in Anwendung von
kantonalem Recht ergangen. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich
gemäss Art. 84 und 86 Abs. 1 OG grundsätzlich als zulässig. Die
Beschwerdeführerin ist in eigenen rechtlich geschützten Interessen betroffen
(vgl. Art. 12 BV und § 25 ff. des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe
des Kantons Solothurn [Sozialhilfegesetz] vom 2. Juli 1989) und deshalb zur
Beschwerde befugt (Art. 88 OG).

Nicht einzutreten ist auf die staatsrechtliche Beschwerde - wegen der rein
kassatorischen Natur dieses Rechtsmittels (BGE 127 II 1 E. 2c S. 5, mit
Hinweis) - jedoch insoweit, als mehr als die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids verlangt wird. Auch soweit die Beschwerdeschrift den
Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht genügt,
namentlich bloss appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil enthält, ist
darauf nicht einzutreten (vgl. BGE 107 Ia 186 E. b; 110 Ia 1 E. 2a S. 3 f.
und seitherige konstante Rechtsprechung).

5.
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist deshalb im
vereinfachten Verfahren nach Art. 36a Abs. 1 OG zu behandeln.

5.1 Das Verwaltungsgericht hat unter Hinweis auf die entsprechenden
Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes (namentlich § 1 und § 27) ausgeführt,
die Sozialhilfe folge den Grundsätzen der Eigenverantwortung und der
Subsidiarität, weshalb hilfesuchende Personen dazu verpflichtet seien, alles
Zumutbare zur Behebung der eigenen Notlage zu unternehmen, insbesondere die
eigene Arbeitskraft einzusetzen und eine zumutbare Erwerbstätigkeit
anzunehmen. Für den Begriff der zumutbaren Arbeit werde die
arbeitslosenversicherungsrechtliche Umschreibung (Art. 16 Abs. 2 AVIG) analog
herangezogen. Danach müsse eine Arbeit den berufs- und ortsüblichen
Bedingungen entsprechen, angemessen Rücksicht auf die Fähigkeiten und
bisherigen Tätigkeiten der unterstützten Person nehmen und ihren persönlichen
Verhältnissen und dem Gesundheitszustand angemessen sein. Lehne eine Person
zumutbare Arbeit ab, so weigere sie sich, für sich zu sorgen und ihre Notlage
abzuwenden. Sie verliere damit sowohl den Anspruch auf Sozialhilfe als auch
denjenigen auf Nothilfe gemäss Art. 12 BV. Die angebotene Teilzeitstelle sei
für die Beschwerdeführerin zumutbar gewesen, da eine solche Erwerbstätigkeit
angesichts des Alters und Entwicklungsstandes der Kinder möglich sei und ein
Arbeitsangebot das Fähigkeits- und Fertigkeitsniveau der betroffenen Person
auch unterschreiten könne; diese dürfe bloss nicht überfordert werden.

5.2 Diese Ausführungen stehen auf dem Boden der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung zu Art. 12 BV bzw. zum verfassungsmässigen Recht auf
Existenzsicherung und zu vergleichbaren kantonalen Sozialhilferegelungen (BGE
121 I 367 E. 2c S. 373 u. E. 3d S. 377; 122 II 193 E. 2c S. 197 ff.; Urteile
des Bundesgerichts 2P.59/2001 vom 11. September 2001 E. 2, 2P.147/2002 und
2P.148/2002 vom 4. März 2003, E. 3 bzw. E. 2). Es ist nicht ersichtlich, was
daran verfassungswidrig sein soll. Was die Beschwerdeführerin dagegen
einwendet, geht offensichtlich fehl. Auch wenn ihre Kinder noch minderjährig
sind, eine ausgewogene und regelmässige Ernährung und ein "Zuhause" benötigen
und das jüngere Kind unter Asthma leidet, ist es für die Beschwerdeführerin
möglich, ein Arbeitspensum im angebotenen Umfang zu leisten. Die Kinder
brauchen keine dauernde Betreuung mehr, und das ältere Kind kann auch eine
gewisse Mitverantwortung für das jüngere übernehmen. Eine Teilzeitstelle von
70% beansprucht die Beschwerdeführerin nicht in einem Mass, dass sie die
nötigen Erziehungs- und Versorgungsaufgaben nicht mehr erfüllen könnte. Die
Kinder können selbst eine gewisse Verantwortung tragen und brauchen nicht
sozial zu verwahrlosen, nur weil die Mutter nicht ständig zuhause ist. Die
Vermittlung von Nähe und Geborgenheit ist bei älteren Kindern - auch wenn sie
unter asthmatischen Beschwerden leiden - erfahrungsgemäss nicht an dauernde
Anwesenheit gebunden, und nichts hindert die Beschwerdeführerin, in ihrer
freien Zeit für die Kinder zur Verfügung zu stehen. Dass sie sich wegen ihrer
kaufmännischen Ausbildung und therapeutischen Tätigkeit mit der angebotenen
Arbeit unterfordert fühlt, ist wohl verständlich, ändert aber nichts daran,
dass sie auf den gewünschten Gebieten innert nützlicher Frist keine Arbeit
gefunden hat, die Wesentliches zum Familienunterhalt beitragen kann, und dass
die angebotene Stelle durchaus zumutbar erscheint. Kantinen- und
Reinigungsarbeit hat nichts Entwürdigendes, und das Arbeitsangebot und die
mit der Arbeitsverweigerung verbundenen Folgen sind deshalb weder
unmenschlich noch unverhältnismässig. Das Verwaltungsgericht hat die
einschlägigen kantonalen Normen willkürfrei ausgelegt und angewandt. Auch ein
Verstoss gegen Art. 12 BV ist nicht erkennbar, da die Beschwerdeführerin mit
der angebotenen Erwerbstätigkeit in der Lage (gewesen) wäre, für sich und
ihre Familie zu sorgen.

5.3 Die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin verfangen ebenfalls nicht. Die
Begründungspflicht verlangt nicht, dass sich die Behörden mit jeder
tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinander setzen
müssen; sie können sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte
beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102, mit Hinweisen). Die beanstandeten
Ungenauigkeiten bzw. Unstimmigkeiten in der Sachverhaltsfeststellung sind für
das Ergebnis bedeutungslos und deshalb unbeachtlich. Der Umstand, dass die
Beschwerdeführerin für ein Soziallohnprojekt angemeldet worden war, musste
ihr mit dem entsprechenden Stellenangebot, spätestens aber mit der Verwarnung
und Androhung, die Sozialhilfe bei Arbeitsverweigerung einzustellen, bekannt
geworden sein, so dass sie sich schon zu Beginn des Beschwerdeverfahrens dazu
äussern konnte und eine allfällige Gehörsverletzung längst geheilt wurde
(vgl. BGE 126 I 68 E. 2 S. 72, mit Hinweisen). Endlich können im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren - von hier nicht zutreffenden Ausnahmen
abgesehen - bloss Verfassungsverletzungen gerügt werden (Art. 84 Abs. 1 OG).
Ob Ausführungen von Sachbearbeitern der Verwaltung als beleidigend empfunden
werden mussten, kann nicht zur Diskussion stehen.

6.
Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde
unbegründet und abzuweisen ist, soweit darauf einzutreten ist. Mit dem
sofortigen Endentscheid wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung bzw.
vorsorgliche Massnahmen hinfällig.

Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann nicht entsprochen werden, da
die Rechtsbegehren als von vornherein aussichtslos bezeichnet werden müssen
(Art. 152 Abs. 1 OG). Den beschränkten finanziellen Mitteln der
Beschwerdeführerin wird bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung
getragen (Art. 153a und 156 OG). Eine Parteientschädigung ist nicht
geschuldet (Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 300.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Sozialamt der Stadt Solothurn,
dem Departement des Innern des Kantons Solothurn und dem Verwaltungsgericht
des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. November 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: