Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.202/2003
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2P.202/2003 /kil

Urteil vom 29. Oktober 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler,
Ersatzrichterin Stamm Hurter,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

A. ________,
Beschwerdeführerin, gesetzlich vertreten durch ihren Vater, B.________,

gegen

Kreisschulpflege D.________ der Stadt Zürich,
8027 Zürich,
Bezirksschulpflege Zürich, Oetlisbergstrasse 36,
8053 Zürich,
Schulrekurskommission des Kantons Zürich,
c/o Bildungsdirektion, Walchetor, 8090 Zürich.

Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(Abstufung in die Sekundarklasse B),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
der Schulrekurskommission des Kantons Zürich vom

16. Juni 2003.

Sachverhalt:

A.
A. ________, geboren am ... 1989, trat auf Schuljahresbeginn 2002/2003 in die
1. Sekundarklasse, Abteilung A, im Schulhaus E.________ in Zürich ein. Im
September 2002 teilten die beiden Klassenlehrer dem Vater, B.________,
telefonisch mit, dass die Leistungen seiner Tochter den Anforderungen der 1.
Sekundarklasse, Abteilung A, nicht genügten. Am 1. November 2002 begründeten
die beiden Lehrer gegenüber B.________ an einem Elterngespräch ihren Antrag
auf Abstufung von A.________ in die 1. Sekundarklasse, Abteilung B.
B.________ war mit dem von den Lehrkräften empfohlenen Abteilungswechsel
nicht einverstanden und verlangte am 3. November 2002 dessen Überprüfung
durch die Kreisschulpflege D.________ der Stadt Zürich. Am 25. November 2002
beschloss die Übertrittskommission der Kreisschulpflege D.________,
A.________ in die 1. Sekundarklasse, Abteilung B, abzustufen.

Gegen diesen Entscheid liess A.________ durch ihre Eltern, B.________ und
C.________, am 7. Dezember 2002 bei der Bezirksschulpflege Zürich Rekurs
erheben und beantragte einen weiteren Verbleib in der 1. Sekundarklasse,
Abteilung A. Mit Entscheid vom 14. Januar 2003 wies die Bezirksschulpflege
Zürich den Rekurs ab.

B.
Diesen Entscheid liess A.________ durch ihren Vater am 14. März 2003 bei der
Schulrekurskommission des Kantons Zürich anfechten, welche am 16. Juni 2003
den Rekurs abwies. Im Laufe des Instruktionsverfahrens hatte B.________
Akteneinsicht genommen und sich am 10. Mai 2003 noch einmal schriftlich
geäussert; seinem Antrag, er wünsche zusätzlich noch "eine persönliche
Anhörung von einem Mitglied des Gremiums, das über die Sache befinden wird",
war von der Rekurskommission jedoch nicht stattgegeben worden. Die Kommission
erwog in ihrem Entscheid im Wesentlichen, dass A.________ trotz Stütz- und
Fördermassnahmen und privaten Nachhilfestunden den Anforderungen und dem
Lerntempo der Abteilung A nicht gewachsen sei. Vor diesem Hintergrund sei es
sachlich richtig und vertretbar, A.________ abzustufen. Damit könne eine
dauerhafte Überforderung vermieden werden.

C.
Mit Eingabe vom 23. Juli 2003 führt A.________ staatsrechtliche Beschwerde
beim Bundesgericht. Sie beantragt sinngemäss die Aufhebung des Entscheides
der Schulrekurskommission des Kantons Zürich vom 16. Juni 2003, der nach
ihrer Auffassung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör sowie Art. 6 Ziff. 1
EMRK verletzt. Sodann verlangte A.________ für das Verfahren vor
Bundesgericht die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Mit Verfügung vom 13. August 2003 wies der Abteilungspräsident das
gleichzeitig mit der Beschwerdeeinreichung gestellte Gesuch um aufschiebende
Wirkung ab.

Die Schulrekurskommission des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung der
staatsrechtlichen Beschwerde. Die Kreisschulpflege D.________ der Stadt
Zürich stellt denselben Antrag. Aus ihrer Vernehmlassung geht hervor, dass
A.________ inzwischen bei der Volksschule abgemeldet worden ist und eine
Privatschule besucht.

Die Bezirksschulpflege Zürich liess sich nicht vernehmen.

D.
Mit Verfügung vom 11. September 2003 setzte der Abteilungspräsident Frist für
eine allfällige Stellungnahme zur Verfahrenserledigung. Die Beteiligten
konnten sich zur (prozessualen) Frage äussern, ob und wie das
bundesgerichtliche Verfahren nach dem Übertritt von A.________ in eine
Privatschule noch weiterzuführen sei.

Mit Eingabe vom 23. September 2003 teilte die Schulrekurskommission des
Kantons Zürich unter Hinweis auf das kantonale Recht (vgl. E. 1.1) mit, der
Umstand, dass A.________ zur Zeit eine Privatschule besuche, habe nicht
zwingend die Gegenstandslosigkeit des Verfahrens zur Folge.
Mit Eingabe vom gleichen Tag nahm auch A.________ Stellung und verlangte, das
Verhalten der Lehrerschaft und der Behörden, welches nicht in Übereinstimmung
mit der Gesetzgebung sei, müsse "bezeichnet werden"; ferner habe sich die
Bildungsdirektion an den Schulkosten (der Privatschule) zu beteiligen, und
die bisher aufgelaufenen Gerichtskosten seien von der Bildungsdirektion zu
tragen; bereits bezahlte Kosten müssten von den Behörden zurückbezahlt
werden.

E.
Am 5. Oktober 2003 reichte A.________ unaufgefordert eine weitere Eingabe
ein.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal
letztinstanzlichen Endentscheid (vgl. § 5 Abs. 2 des zürcherischen Gesetzes
vom 23. Dezember 1859 über das gesamte Unterrichtswesen [Unterrichtsgesetz]
in Verbindung mit § 43 Abs. 1 lit. f des zürcherischen Gesetzes vom 24. Mai
1959 über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen
[Verwaltungsrechtspflegegesetz; VRG]), gegen den, da kein anderes
eidgenössisches Rechtsmittel zur Verfügung steht, die staatsrechtliche
Beschwerde zulässig ist (Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 OG).

Die Beschwerdeführerin wird durch die Abstufung in die Sekundarklasse
(Abteilung B) in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen (Art. 88
OG; vgl. auch Urteil 2P.277/2002 vom 30. April 2003, E. 1.1./1.1.1). Obschon
sie in der Zwischenzeit aus der öffentlichen Schule ausgetreten ist und eine
Privatschule besucht, behält sie insofern ein aktuelles und praktisches
Interesse am Verfahren, als aufgrund von § 35 der zürcherischen Verordnung
vom 28. Oktober 1997 über den Übertritt in die Oberstufe der Volksschule
(Übertrittsverordnung) Privatschulen an den letzten Zuteilungsentscheid der
Oberstufenschulpflege vor Eintritt der Schülerin in eine Privatschule
gebunden sind (vgl. auch Urteil 2P.256/2001 vom 24. Januar 2002, E. 1a). Auf
ihre fristgerecht eingereichte staatsrechtliche Beschwerde ist -
vorbehältlich der nachfolgenden Einschränkungen - daher einzutreten.

1.2 Die Begründung einer staatsrechtlichen Beschwerde ist mitsamt
Beweismitteln innert der gesetzlichen Beschwerdefrist einzureichen (Art. 89
und 90 OG). Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme zu der auf
eine rein prozessuale Frage beschränkten Verfügung des Abteilungspräsidenten
vom 11. September 2003 Kritik am Verhalten der Lehrerschaft, der
Kreisschulpflege, Bezirksschulpflege und der Bildungsdirektion anbringt und
damit verbunden neue Anträge stellt, sind diese nach dem Gesagten unzulässig.
Nicht zulässig, weil den Gegenstand der vorliegend streitigen Anordnung
sprengend, ist auch das Begehren um Übernahme der Kosten für die
Privatschule. Die staatsrechtliche Beschwerde ist im Übrigen, von hier nicht
in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (BGE 129
I 173 E. 1.5 S. 176, mit Hinweis); es kann mit ihr nur die Aufhebung des
angefochtenen Entscheides verlangt werden.

1.3 Die Beschwerdeführerin hat am 5. Oktober 2003 zu den Vernehmlassungen der
kantonalen Behörden unaufgefordert nochmals Stellung genommen. Ein weiterer
Schriftenwechsel ist vom Bundesgericht jedoch nicht angeordnet worden und es
besteht hierfür auch kein Anlass. Die entsprechende Eingabe ist daher
unbeachtlich.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin sieht einen Verstoss gegen ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör darin, dass sie und ihre Eltern von der
Schulrekurskommission (oder von einem Mitglied dieses Gremiums) nicht
persönlich (mündlich) angehört worden sind.

2.2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird zunächst durch die kantonalen
Verfahrensvorschriften umschrieben. Unabhängig davon greifen die unmittelbar
aus Art. 29 Abs. 2 BV folgenden Verfahrensregeln zur Sicherung des
rechtlichen Gehörs Platz. Da die Beschwerdeführerin keine Verletzung
kantonaler Verfahrensvorschriften rügt, ist einzig - und zwar mit voller
Kognition - zu prüfen, ob unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV folgende Regeln
missachtet worden sind (BGE 126 I 19 E. 2a S. 21 f.; 124 I 241 E. 2 S. 242
f., je mit Hinweisen).

2.3 Das durch Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistete rechtliche Gehör dient der
Sachaufklärung und garantiert dem Betroffenen ein persönlichkeitsbezogenes
Mitwirkungsrecht im Verfahren. Er soll sich vor Erlass des Entscheides zur
Sache äussern, erhebliche Beweise beibringen, Einsicht in die Akten nehmen
und an der Erhebung von Beweisen mitwirken oder sich zumindest zum
Beweisergebnis äussern können, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu
beeinflussen (BGE 124 I 241 E. 2 S. 242 f.; 119 Ia 136 E. 2c S. 138, je mit
Hinweisen). Der Anspruch auf rechtliches Gehör geht im Verwaltungsverfahren
allerdings nicht so weit wie im Zivil- und Strafprozess. Insbesondere ergibt
sich aus Art. 29 Abs. 2 BV kein unbedingter Anspruch der Partei, im
Verwaltungsverfahren persönlich (mündlich) angehört zu werden (BGE 125 I 209
E. 9b S. 219; 122 II 464 E. 4c S. 469, 114 Ib 244 E. 3p S. 246 mit Hinweisen;
Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im
Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 2000, S. 337 ff.). Eine
Pflicht für die Behörde, den Betroffenen persönlich anzuhören, kann sich aber
aus einer persönlichen Sachlage ergeben, beispielsweise dann, wenn es für den
Entscheid wesentlich auf die Persönlichkeit oder den Charakter des
Betroffenen ankommt (BGE 122 II 464 E. 4c S. 469 f.; Albertini, a.a.O., S.
338).

2.4 Der Beschwerdeführerin bzw. ihrem gesetzlichen Vertreter wurde nach
Abschluss des Schriftenwechsels vollständige Akteneinsicht gewährt und
nochmals Gelegenheit geboten, sich schriftlich zu äussern. Von dieser
Möglichkeit wurde denn auch Gebrauch gemacht (vgl. Eingabe vom 10. Mai 2003).
Wenn die Schulrekurskommission dem Antrag auf persönliche Anhörung bzw.
Befragung der Beschwerdeführerin und ihrer Eltern nicht Folge gab, weil sie
davon ausging, dass die vorhandenen Eingaben und Unterlagen zu allen
interessierenden Gesichtspunkten genügend Aufschluss gaben, und sie sich von
einer mündlichen Anhörung keine weiteren erheblichen Erkenntnisse versprach,
so ist dies nicht zu beanstanden. Die massiv ungenügenden Leistungen der
Beschwerdeführerin sind klar dokumentiert und werden von ihr auch nicht
bestritten. Der zu beurteilende Sachverhalt war nicht derart komplex, dass
die Beschwerdeführerin oder ihre gesetzlichen Vertreter allein durch Abgabe
einer mündlichen Äusserung ihren Standpunkt hinreichend deutlich hätten
machen können (Albertini, a.a.O., S. 339). Auch lag kein Fall vor, wo
spezifisch die Persönlichkeit der Betroffenen im Lichte der Notwendigkeit der
zu treffenden Massnahme zu beurteilen war (vgl. BGE 122 II 464 E. 4c S. 469
f.). Insbesondere war der unmittelbare Eindruck, der die Beschwerdeführerin
auf die zuständige Behörde vermittelte, nicht ausschlaggebend für den zu
fällenden Entscheid (Urteil 2P.174/1995 vom 22. Februar 1996 E. 3d/bb). Wenn
aber schon eine individuelle persönliche Anhörung der Beschwerdeführerin
nicht zwingend erforderlich war, so durfte die Schulrekurskommission zu Recht
davon ausgehen, dass auch den Eltern der Beschwerdeführerin nicht Gelegenheit
zur mündlichen Äusserung eingeräumt werden musste. Eine Verletzung des
grundrechtlichen Gehörsanspruches, weil die Beschwerdeführerin bzw. ihre
gesetzlichen Vertreter von der Schulrekurskommission nicht persönlich
angehört wurden, ist daher zu verneinen.

3.
Die Beschwerdeführerin rügt weiter eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK.

Die angerufene Konventionsbestimmung gewährt in Streitigkeiten über
zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen ("civil rights") jedermann
Anspruch darauf, dass seine Sache im mehrinstanzlichen Verfahren mindestens
einmal öffentlich von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz
beruhenden Gericht mit voller Kognition gehört wird. Diese Verfahrensgarantie
umfasst demnach auch den Anspruch auf eine öffentliche Verhandlung (BGE 129 I
207 E. 3 S. 210; 127 II 306 E. 5 S. 309, je mit Hinweisen).

Auf Promotionsstreitigkeiten der vorliegenden Art findet die angerufene
Konventionsbestimmung jedoch keine Anwendung (Urteil des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26. Juni 1986 i.S. van Marle, Serie A,
vol. 101 § 36; Urteil 2P. 61/1997 vom 26. Mai 1997, E. 2, in: RDAT, 1997 II
16 47; BGE 128 I 288 E. 2.7 S. 94). Ebenso wenig wie Art. 6 Ziff. 1 EMRK
gewährt Art. 30 Abs. 3 BV in solchen Streitigkeiten einen Anspruch auf eine
öffentliche und mündliche Verhandlung (BGE 128 I 288 E. 2.7 S. 294). Es
erweist sich somit, dass die Beschwerdeführerin in der vorliegenden
Streitsache weder aus Art. 30 Abs. 3 BV noch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK etwas zu
ihren Gunsten ableiten kann.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach als unbegründet abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann.

Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die Beschwerdeführerin
kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a
OG). Auf ihr ursprünglich gestelltes Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege,
das wegen der Aussichtslosigkeit der vorliegenden Beschwerde ohnehin hätte
abgewiesen werden müssen (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG), hat sie durch die
Bezahlung des Kostenvorschusses konkludent verzichtet.

Parteientschädigungen sind nicht zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG analog).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Kreisschulpflege D.________
der Stadt Zürich, der Bezirksschulpflege Zürich und der Schulrekurskommission
des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Oktober 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: