Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.173/2003
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2P.173/2003 /dxc

Urteil vom 9. Dezember 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiber Küng.

Firma X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Luzius Schmid,

gegen

Firma A.________,
Beschwerdegegnerin,
Landschaft Davos Gemeinde, Rathaus,
7270 Davos Platz,
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden,
2. Kammer, Obere Plessurstrasse 1, 7000 Chur.

Art. 29 Abs. 2 BV (Submission),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden,

2. Kammer, vom 20. Mai 2003.

Sachverhalt:

A.
Die Landschaft Davos Gemeinde schrieb für den Neubau des Personalhauses des
Spitals Davos Kücheneinrichtungen zur freien Konkurrenz aus. Von den dreizehn
eingegangenen Angeboten wurden drei ungültig erklärt. Gültig waren u.a. die
Offerten der Firma A.________ (Fr. 249'215.45) und der Firma X.________ (Fr.
287'943.90). Mit Verfügung vom 15. April 2003 erteilte die Gemeinde den
Zuschlag der Firma Firma A.________. Dies mit der Begründung, deren Offerte
sei das wirtschaftlich günstigste Angebot.

B.
Dagegen wandte sich die Firma X.________ an das Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden, welches ihre Beschwerde mit Urteil vom 20. Mai 2003
abwies.

C.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 20. Juni 2003 beantragt die Firma
X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons
Graubünden aufzuheben.

Die Landschaft Davos Gemeinde beantragt, auf die Beschwerde nicht
einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. Gleichzeitig erklärt sie, es
seien bisher keine Vollzugshandlungen bezüglich der rechtskräftigen Vergabe
erfolgt.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden schliesst unter Verweisung auf
seine Ausführungen im angefochtenen Entscheid auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf eingetreten werde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Vergabe öffentlicher
Arbeiten durch Kantone und Gemeinden unterliegen der staatsrechtlichen
Beschwerde ans Bundesgericht. Dabei ist der übergangene Bewerber zur
Beschwerde legitimiert (vgl. Art. 88 OG; BGE 125 II 86 E. 4 S. 95 f.).

Die Beschwerdeführerin war am hier in Frage stehenden Submissionsverfahren
als Anbieterin beteiligt und ist durch den angefochtenen Zuschlagsentscheid
in ihren rechtlich geschützten Interessen berührt. Auf ihre frist- und
formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher - im Rahmen der hinreichend
begründeten Rügen (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) - grundsätzlich
einzutreten.

1.2 Der angefochtene Entscheid stützt sich ausschliesslich auf kantonales
Recht - im vorliegenden Fall auf die Vorschriften des kantonalen
Submissionsgesetzes des Kantons Graubünden vom 7. Juni 1998 (SubG/GR) sowie
der Submissionsverordnung des Kantons Graubünden vom 23. Juni 1998 (SubV/GR)
-, dessen Auslegung und Anwendung das Bundesgericht nur unter dem
Gesichtswinkel der Willkür und des Gleichbehandlungsgebotes prüft (Urteil
2P.282/2002 vom 11. Juni 2003 E. 1.3 und 5.3).

Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht schon
dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid nur auf,
wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung
eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 127 I 60 E.
5a S. 70; 125 II 129 E. 5b S. 134; 123 I 1 E. 4a S. 5).

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruches auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Diese erblickt sie darin, dass ihr in
das Formular "Ausschreibung und Angebot Nr. 20 der Firma A.________", d.h.
die Offertunterlagen dieser Firma, das Protokoll der Offertöffnung und die
drei ungültigen Offerten, deren Edition sie verlangt hatte, keine Einsicht
gewährt worden sei; das Editionsbegehren habe den Antrag auf Akteneinsicht
eingeschlossen.

2.2 Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerde vom 28. April 2003 an das
Verwaltungsgericht nicht Akteneinsicht, sondern lediglich die Edition
verschiedener Aktenstücke, d.h. deren Beizug zum Verfahren, verlangt. Über
das Editionsbegehren hatte das Verwaltungsgericht nach pflichtgemässem
Ermessen zu befinden und in diesem Zusammenhang eine antizipierte
Beweiswürdigung vorzunehmen. Indem es dies getan und auf den Beizug einzelner
dieser Aktenstücke verzichtet hat, hat es keine Gehörsverweigerung gegenüber
der Beschwerdeführerin begangen; sein Vorgehen kann lediglich unter dem
Gesichtspunkt der unzulässigen antizipierten Beweiswürdigung geprüft werden.

2.3 Der Richter kann das Beweisverfahren schliessen, wenn er auf Grund
bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür
in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass diese seine
Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 122 II
464 E. 4a S. 469; 119 Ib 492 E. 5b/bb S. 505; je mit Hinweisen).

2.4 Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang indessen keine
willkürliche antizipierte Beweiswürdigung; ihre diesbezüglichen Ausführungen
genügen im Lichte von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG jedenfalls nicht, eine solche
darzutun. Dass das Editionsbegehren der Beschwerdeführerin auch den Antrag
miteingeschlossen haben soll, ihr diese Akten zur Einsichtnahme zur Verfügung
zu halten, ändert nichts an der Befugnis des Verwaltungsgerichts, über deren
Beizug im Rahmen der antizipierten Beweiswürdigung zu entscheiden.

2.5 Die Beschwerdeführerin verkennt insbesondere (Beschwerde Ziff. III.4),
dass im Submissionsverfahren für das Akteneinsichtsrecht (Art. 29 Abs. 2 BV)
besondere Grundsätze gelten: Im Submissionsverfahren ist die Vertraulichkeit
der eingereichten Offerten gewährleistet (vgl. Art. 11 lit. g der
Interkantonalen Vereinbarung vom 25. November 1994 über das öffentliche
Beschaffungswesen [IVoeB; SR  172.056.4]; Art. 8 Abs. 1 lit. d des
Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen
[BoeB; SR  172.056.1]); sie geniessen den Schutz als Geschäftsgeheimnisse.
Der unterlegene Bewerber hat nur Anspruch auf Bekanntgabe jener Elemente, die
von Gesetzes wegen zur Begründung des Zuschlags angeführt werden müssen (vgl.
Art. 23 BoeB). Diese Regelung kann nicht durch das blosse Einlegen eines
Rechtsmittels umgangen werden, weshalb die unmittelbar durch die Verfassung
gewährleisteten Minimalgarantien für das besonders geartete Verfahren der
Submission auch im Rechtsmittelstadium grundsätzlich keinen Anspruch auf
Einsicht in die Offertunterlagen von Konkurrenten gewähren. Denn das in
anderen Bereichen übliche allgemeine Akteneinsichtsrecht muss bei
Submissionsverfahren gegenüber dem Interesse der Anbieter an der
vertraulichen Behandlung ihrer Geschäftsgeheimnisse sowie des in den Offerten
zum Ausdruck kommenden unternehmerischen Know-how grundsätzlich zurücktreten
(Urteil 2P.226/2002 vom 20. Februar 2003 E. 2).

2.6 Ein Begehren um Akteneinsicht und weitere Stellungnahme hat die
Beschwerdeführerin erst am 16. Mai 2003 (Freitag) gestellt, nachdem der
Präsident des Verwaltungsgerichts am 14. Mai 2003 den Schriftenwechsel
förmlich geschlossen und ihr mitgeteilt hatte, ein weiterer Schriftenwechsel
finde nicht statt. Dieses Begehren ging am 19. Mai 2003 (Montag) beim
Verwaltungsgericht ein, welches bereits am nächsten Tag den angefochtenen
Entscheid fällte. Das Einsichtsbegehren wurde somit so spät gestellt, dass
ihm das Verwaltungsgericht vor seinem Entscheid nicht mehr entsprechen
konnte, ohne diesen hinauszuschieben. Das Verwaltungsgericht war indessen
nicht verpflichtet, den Entscheid auszusetzen, und die - erst jetzt verlangte
- Akteneinsicht zu gewähren. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht
aus Art. 41 des Gesetzes vom 9. April 1967 über die
Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Graubünden (Verwaltungsgerichtsgesetz;
VGG/GR), der bestimmt, dass den am Verfahren Beteiligten bis zum Entscheid
jederzeit Einsicht in die Akten zu gewähren ist. Das Verwaltungsgericht hatte
auch - wie aus dem angefochtenen Entscheid hervorgeht - keinen Anlass auf die
prozessleitende Anordnung zurückzukommen und eine weitere Eingabe zuzulassen,
was der Beschwerdeführerin erlaubt hätte, selbst in diesem Stadium des
Verfahrens noch Einsicht in die beigezogenen Akten zu nehmen, soweit ihrem
Einsichtsrecht grösseres Gewicht beigemessen worden wäre als den Interessen
anderer Anbieter an vertraulicher Behandlung ihrer Unterlagen. Weshalb die
rasche Entscheidung - ohne Einholen weiterer Stellungnahmen - die Verfassung
verletzt haben sollte, legt die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich dar
und ist, wie nachstehend aufgezeigt wird, auch nicht ersichtlich.

Im Übrigen erscheint der Einwand der Beschwerdeführerin in Bezug auf die
Offerte der Firma A.________ ohnehin offensichtlich unbegründet. Gemäss
Schreiben der Landschaft Davos Gemeinde vom 11. Juni 2003
(Vernehmlassungsbeilage 1) hat sich diese Firma ausdrücklich damit
einverstanden erklärt, dass die Beschwerdeführerin Einblick in ihre Offerte
nehmen darf. In ihrer Vernehmlassung hat die Landschaft Davos Gemeinde
glaubhaft erklärt, der Sohn des Inhabers der Beschwerdeführerin habe von
dieser Einsichtsberechtigung auf dem Hochbauamt der Landschaft Davos Gemeinde
auch tatsächlich Gebrauch gemacht.

2.7 Gemäss Art. 16 lit. c SubG/GR ist ein Angebot von der Berücksichtigung
u.a. ausgeschlossen, wenn es den Anforderungen der Ausschreibung nicht
entspricht; Art. 12 Abs. 2 der bündnerischen Submissionsverordnung bestimmt
dazu, dass die in den einzelnen Positionen verlangten Leistungen gemäss
Ausschreibungstext zu offerieren sind.
Die Beschwerdeführerin machte vor Verwaltungsgericht geltend, (auch) die
Offerte der Firma A.________ sei ungültig, weil sie in Verletzung von Art. 16
lit. c SubG/GR ein textlich verändertes Angebot eingereicht habe. Die
Recyclinggebühren (von Fr. 4'000.--) für Elektroapparate seien in dem im Feld
"Eingabesumme netto" angegebenen Offertbetrag von Fr. 245'216.-- nicht
eingerechnet worden; dieser sei somit nicht korrekt. Zudem seien
Textveränderungen vorgenommen worden.

Das Verwaltungsgericht hat Art. 16 lit. c SubG/GR und Art. 12 Abs. 2 SubV/GR
dahingehend ausgelegt, dass in Bezug auf die Ungültigerklärung und den
Ausschluss von Offerten unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit
dort Zurückhaltung geboten sei, wo die Vergabebehörde die fehlenden Angaben
ohne grossen Aufwand selber ergänzen könne oder die Bewertung der
Wirtschaftlichkeit nicht im Entferntesten von diesen Angaben abhänge
(angefochtenes Urteil E. 1).

Inwiefern diese Auslegung der massgebenden kantonalen Bestimmungen
willkürlich sein soll, legt die Beschwerdeführerin, die zudem keine
Verletzung von Art. 9 BV rügt, nicht dar. Sie ist denn auch nicht unhaltbar.

2.8 Das Verwaltungsgericht hat sodann festgestellt, die Recyclinggebühr sei
zwar in der Offerte aufgeführt, aber nicht als separater Betrag
hervorgehoben. Dies sei ein absolut untergeordneter Mangel, der durch eine
blosse rechnerische Bereinigung habe behoben werden können. Die zudem
gerügten Textveränderungen seien bloss ergänzende Preisangaben an Stellen, wo
an sich keine solchen erforderlich gewesen wären; sie hätten lediglich eine
bessere Überprüfbarkeit der Offerte bewirkt. Dass und inwiefern diese
Sachverhaltsfeststellung offensichtlich falsch bzw. willkürlich ist, legt die
Beschwerdeführerin ebenfalls nicht dar; sie rügt denn auch hier keine
Verletzung von Art. 9 BV.

Auf Grund dieses willkürfrei festgestellten Sachverhaltes ist es nicht
unhaltbar, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung der erwähnten kantonalen
Bestimmungen die Offerte der Firma A.________ als gültig erachtete.

2.9 Auf den Beizug der drei als ungültig erklärten Offerten durfte das
Verwaltungsgericht in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung verzichten. Da
es den Mangel bei der separaten Angabe der Recyclinggebühr in der Offerte der
Firma A.________ und die "Textveränderungen", die in Wirklichkeit nur
ergänzende, nicht erforderliche Preisangaben darstellten, in haltbarer Weise
als unbedeutend betrachten durfte, war die Offerte der Firma A.________
gültig. Die drei wegen unzulässiger Textveränderungen ungültig erklärten
Offerten vermochten daran nichts zu ändern. Es hätte sich einzig fragen
können, ob auch sie oder einzelne von ihnen aus Gründen der Rechtsgleichheit
als gültig hätten betrachtet werden müssen. Diese Frage war aber für den
Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht unerheblich,
zumal sich die Betroffenen selber nicht beschwert hatten. Mithin hätte der
Beizug der ungültig erklärten Offerten nichts am Ausgang des Verfahrens
ändern können, weshalb das Verwaltungsgericht davon absehen durfte. Es musste
auch keine Zeugenbeweise darüber erheben, was der Gemeindearchitekt
anlässlich der Offertöffnung erklärt hatte, da dies ebenfalls unbeachtlich
war für den Verfahrensausgang.

Der angefochtene Entscheid verletzt demnach Art. 29 Abs. 2 BV nicht.

3.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens vor Bundesgericht hat die
Beschwerdeführerin dessen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Landschaft Davos Gemeinde und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Dezember 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: