Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.169/2003
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2P.169/2003 /leb

Urteil vom 14. August 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiber Uebersax.

A. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Regierungsrat des Kantons Solothurn,
4500 Solothurn 1, vertreten durch das Bau- und Justizdepartement des Kantons
Solothurn, Rötihof,
4509 Solothurn,
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn,
Amthaus 1, Postfach 157, 4502 Solothurn.

Entzug der Berufsausübungsbewilligung als Notar,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Solothurn vom

8. Mai 2003.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Mit Entscheid vom 25. Februar 2002 entzog der Regierungsrat des Kantons
Solothurn dem als freiberuflicher Notar tätigen A.________ gestützt auf den
Umstand, dass gegen ihn 18 definitive Verlustscheine im Gesamtbetrag von rund
Fr. 59'000.-- (im Wesentlichen Forderungen der öffentlichen Hand) ausgestellt
werden mussten, mit sofortiger Wirkung die Bewilligung zur Berufsausübung als
Notar. Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wies eine dagegen
erhobene Beschwerde am 8. Mai 2003 ab.

1.2 Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 16. Juni 2003 an das Bundesgericht
beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und
die Streitsache zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen;
überdies ersucht er um Erteilung der aufschiebenden Wirkung.
Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
eingetreten werden könne. Das Bau- und Justizdepartement des Kantons
Solothurn stellt für den Regierungsrat den Antrag, das Gesuch um Erteilung
der aufschiebenden Wirkung sowie die Beschwerde seien abzuweisen.

2.
2.1 Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen letztinstanzlichen
Endentscheid, der sich ausschliesslich auf kantonales Recht stützt. Da die
behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim
Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt werden kann und der
Beschwerdeführer als direkter Adressat des angefochtenen Entscheids davon in
rechtlich geschützten Interessen berührt und damit zur Beschwerdeerhebung
berechtigt ist, erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich
als zulässig (vgl. insbes. Art. 84, 86 und 88 OG).

2.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist von hier nicht zutreffenden Ausnahmen
abgesehen rein kassatorischer Natur (BGE 127 II 1 E. 2c S. 5, mit Hinweis).
Auf den Antrag auf Rückweisung der Sache an das Verwaltungsgericht ist somit
nicht einzutreten.

3.
3.1 Wie der Beschwerdeführer selber einräumt, kann er sich für seine
Tätigkeit als freiberuflicher Notar nicht auf die Wirtschaftsfreiheit nach
Art. 27 BV berufen (vgl. BGE 128 I 280 E. 3 S. 281 f., mit Hinweisen). Er
macht demgegenüber ein "Grundrecht auf individuelle Selbstbestimmung"
geltend, ohne ausdrücklich eine bestimmte Norm der Bundesverfassung oder der
Verfassung des Kantons Solothurn vom 8. Juni 1986 (KV) anzurufen.

3.2 Weder in der Bundesverfassung noch in der Verfassung des Kantons
Solothurn findet sich denn auch ein als "Grundrecht auf individuelle
Selbstbestimmung" bezeichnetes verfassungsmässiges Recht. Mit dem
Verwaltungsgericht ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer
auf das Grundrecht der persönlichen Freiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV bzw.
Art. 8 Abs. 1 KV, eventuell auf das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre
nach Art. 13 Abs. 1 BV bzw. Art. 8 Abs. 2 KV beruft. Diese Grundrechte können
ihm aber nicht einen Schutz auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit vermitteln,
wo der Schutz der Wirtschaftsfreiheit versagt. Die persönliche Freiheit
garantiert zwar elementare Persönlichkeitsentfaltungen, namentlich wo der
Schutz anderer Grundrechte nicht greift, sie ersetzt aber nicht die
Wirtschaftsfreiheit, wo diese gerade nicht gilt, weil es sich wie vorliegend
bei der fraglichen Berufsausübung um eine hoheitliche Tätigkeit handelt.
Analoges gilt für den Schutz der Privatsphäre: Die Zulassung zur fraglichen
Erwerbstätigkeit fällt nicht unter den entsprechenden Schutzbereich.

4.
4.1 Steht der Beschwerdeführer nicht unter dem Schutz eines Grundrechts,
gelten auch nicht die strengen Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe
gemäss Art. 36 BV. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob allenfalls ein
schwerer Eingriff vorliegt, der in einem (formellen) Gesetz vorgesehen sein
müsste.

4.2 Das ändert freilich nichts daran, dass der verfügte Bewilligungsentzug
nach der allgemeinen Vorschrift von Art. 5 Abs. 1 BV auf einer genügenden
rechtlichen Grundlage beruhen muss. Dafür kann aber eine solche im
Verordnungsrecht genügen, deren Auslegung und Anwendung das Bundesgericht im
vorliegenden Zusammenhang lediglich auf Willkür überprüft. Der angefochtene
Entscheid beruht auf der solothurnischen Notariatsverordnung vom 21. August
1959, insbesondere auf deren Art. 4 Abs. 2 Bst. b, wonach die vom
Regierungsrat zu erteilende Bewilligung zur Ausübung des Berufs als Notar
unter anderem voraussetzt, dass der Bewerber nicht zahlungsunfähig ist. Ist
dies Bedingung zur Erteilung der Bewilligung, erscheint es vertretbar, darin
auch eine Grundlage für den Entzug der Bewilligung zu sehen, wenn die
Zahlungsunfähigkeit nachträglich eintritt. Die Notariatsverordnung beruht im
Übrigen auf einer entsprechenden Delegation in § 11 des solothurnischen
Gesetzes vom 4. April 1954 über die Einführung des Schweizerischen
Zivilgesetzbuches. Dabei handelt es sich zwar um eine eher weit gefasste
Delegationsnorm; der Beschwerdeführer macht aber nicht geltend, die
Verordnung sei gemessen an der kantonalen Zuständigkeitsordnung
kompetenzwidrig ergangen bzw. verstosse gegen den Grundsatz der
Gewaltenteilung, weshalb dies vom Bundesgericht nicht zu prüfen ist.

5.
5.1 Der Beschwerdeführer rügt sodann eine Verletzung des
Diskriminierungsverbots. Nach § 9 Abs. 2 der Notariatsverordnung hätten die
Betreibungs- und Konkursämter dem Justiz-Departement Meldung zu erstatten,
wenn Verlustscheine gegen Notare ausgestellt würden. Als im Kanton Solothurn
wohnhafter Notar sei er davon betroffen gewesen, wohingegen die gleiche
gesetzliche Anordnung bei freiberuflichen Notaren mit Geschäftsdomizil im
Kanton Solothurn, aber Wohnsitz (und Betreibungsdomizil) ausserhalb des
Kantons nicht greife.

5.2
Es trifft zu, dass die Meldepflicht wegen des Territorialitätsprinzips nur
für die Konkurs- und Betreibungsämter des Kantons Solothurn gilt. Die
entsprechende unterschiedliche Behandlung stellt jedoch offensichtlich keine
herabwürdigende Verhaltensweise dar, die unter den Schutz des
Diskriminierungsverbots nach Art. 8 Abs. 2 BV fällt. Aber auch unter dem
Gesichtspunkt des allgemeinen Rechtsgleichheitsgebots nach Art. 8 Abs. 1 BV
handelt es sich nicht um eine unzulässige Ungleichbehandlung, liegt deren
Ursache vorliegend doch in der föderalistischen Struktur der Schweiz und dem
damit verbundenen Territorialitätsprinzip. Die gerügte Ungleichbehandlung
beruht mithin auf ernsthaften sachlichen Gründen.

5.3
Schliesslich macht der Beschwerdeführer sinngemäss eine Verletzung des
Willkürverbots nach Art. 9 BV geltend. Der angefochtene Entscheid erweist
sich indes nicht als unhaltbar. Zwar wird nicht verkannt, dass eine mögliche
Ursache der Verschuldung in tragischen Zusammenhängen, namentlich im frühen
Tod der Ehefrau und der damit verbundenen Mehrbelastung des Beschwerdeführers
als Vater von fünf Kindern liegt. Angesichts der erheblichen Verschuldung und
des Umstands, dass dem Beschwerdeführer zunächst eine mehrmonatige und später
noch erstreckte Frist eingeräumt worden ist, um seine Finanzen in Ordnung zu
bringen, ist der Bewilligungsentzug aber verhältnismässig. Die öffentlichen
Interessen am Schutz der Klienten sind erheblich und überwiegen die privaten
Interessen des Beschwerdeführers. Nur der Ergänzung halber sei darauf
hingewiesen, dass sich seine Finanzlage inzwischen weiter verschlechtert zu
haben scheint und gegen ihn nunmehr offenbar auch Verlustscheine für
Forderungen von Privatpersonen ausgestellt werden mussten.

6.
6.1 Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als offensichtlich
unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1, Art. 153 und 153a OG).

6.2 Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Regierungsrat und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. August 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: