Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.153/2003
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2P.153/2003/leb

Urteil vom 19. September 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Ersatzrichter Seiler,
Gerichtsschreiberin Müller.

santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Geschäftsstelle Graubünden,
Lukmaniergasse 11A,
7000 Chur,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Vincent Augustin, Vazerolgasse 2, Postfach 731, 7002 Chur,

gegen

Regierung des Kantons Graubünden, Graues Haus, Reichsgasse 35, 7001 Chur.

Art. 9 und 29 Abs. 2 BV,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss der Regierung des Kantons
Graubünden vom 5. Mai 2003.

Sachverhalt:

A.
Mit Beschluss vom 12. September 1988 anerkannte die Regierung des Kantons
Graubünden die Alpine Kinderklinik Pro Juventute in Davos als
beitragsberechtigte Institution gemäss Art. 7 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes
vom 2. Dezember 1979 über die Förderung der Krankenpflege und der Betreuung
von betagten und pflegebedürftigen Personen (Krankenpflegegesetz; Bündner
Rechtsbuch 506.000).

Mit Beschluss vom 29. April 2003, mitgeteilt am 5. Mai 2003 (Protokoll Nr.
559), erwog die Regierung, angesichts der angespannten Finanzlage des Kantons
sehe sie sich veranlasst, die Anerkennung der Alpinen Kinderklinik Davos als
beitragsberechtigte Institution aufzuheben, und beschloss:
1.Die mit Regierungsbeschluss vom 12. September 1988 (Protokoll Nr. 2403)
vorgenommene Anerkennung der Alpinen Kinderklinik Davos als
beitragsberechtigte Institution im Sinne von Art. 7 Abs. 2 des
Krankenpflegegesetzes wird auf den 1. Januar 2004 aufgehoben.

2. Mitteilung an die Verwaltung der Alpinen Kinderklinik Davos,
Scalettastrasse 5, 7270 Davos, an santésuisse Graubünden, Lukmaniergasse 11a,
Postfach 762, 7002 Chur, an die Mitglieder der kantonalen Sanitätskommission,
an die kantonale Finanzkontrolle, an den Kantonsarzt, dreifach an das
Gesundheitsdepartement (mit den Akten) und an das Justiz-, Polizei- und
Sanitätsdepartement.

B.
Santésuisse, Geschäftsstelle Graubünden, erhob am 5. Juni 2003 beim
Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, die Verfügung der
Regierung sei aufzuheben.

Die Regierung des Kantons Graubünden beantragt, die staatsrechtliche
Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, wenn die behauptete
Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim
Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84
Abs. 2 OG). Der angefochtene Entscheid stützt sich auf ein kantonales Gesetz,
so dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht grundsätzlich
nicht zulässig ist (Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG). Der
Beschwerdeführer macht nicht geltend, die Anerkennung beziehungsweise
Aberkennung als beitragsberechtigte Institution im Sinne von Art. 7 Abs. 2
Krankenpflegegesetz habe die Funktion der Aufnahme in die bzw. Streichung aus
der Spitalliste im Sinne von Art. 39 Abs. 1 lit. e des Bundesgesetzes vom 18.
März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10), wogegen die
Beschwerde an den Bundesrat unter Ausschluss einer Beschwerde an das
Bundesgericht möglich wäre (Art. 53 Abs. 1 KVG; BGE 126 V 172 E. 5 und 6). Es
geht auch nicht um eine direkte Kostenübernahme im Sinne von Art. 41 Abs. 3
KVG, wobei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig wäre (Art. 128 OG; BGE
123 V 310 E. 3a S. 315), sondern um die Subventionierung einer Heilanstalt.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit grundsätzlich zulässig (vgl. Pra
2001 Nr. 24 S. 139, E. 1a; ZBl 1999 S. 273 E. 1a; Urteil 2P.310/1999 vom
9.2.2000, E. 1).

1.2 Als juristische Personen konstituierte Verbände können mit
staatsrechtlicher Beschwerde die Interessen einer Mehrheit oder einer
Grosszahl ihrer Mitglieder vertreten, soweit deren Wahrung zu den
statutarischen Aufgaben gehört und die einzelnen Mitglieder ihrerseits
beschwerdebefugt wären (BGE 125 I 71 E. 1b/aa S. 75, mit Hinweisen). Der
Beschwerdeführer ist ein Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB (Art. 1 der
Statuten, in Kraft seit dem 1. Juli 2001). Er wahrt als Branchenverband die
gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder und setzt sich ein für die Erhaltung
einer freiheitlichen Krankenversicherung (Art. 4 der Statuten). Seine
Mitglieder können Versicherer sein, die ihre Haupttätigkeit im Bereich der
sozialen Krankenversicherung haben, sowie Rückversicherungsverbände (Art. 6
der Statuten). Der Beschwerdeführer vertritt somit statutarisch die
Interessen seiner Mitglieder.

Zu prüfen ist im Folgenden, ob diese ihrerseits zur staatsrechtlichen
Beschwerde legitimiert wären.

1.3 Zur staatsrechtlichen Beschwerde sind Private und Korporationen bezüglich
solcher Rechtsverletzungen legitimiert, die sie durch allgemein verbindliche
oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben (Art.
88 OG). Die staatsrechtliche Beschwerde ist ein Rechtsmittel zum Schutz der
Träger verfassungsmässiger Rechte gegen Übergriffe der Staatsgewalt. Solche
Rechte stehen grundsätzlich nur dem Bürger zu, nicht aber (unter Vorbehalt
der Gemeinden, die sich auf die Gemeindeautonomie berufen können, Art. 189
Abs. 1 lit. b BV) dem Gemeinwesen als Inhaber hoheitlicher Gewalt (BGE 121 I
218 E. 2a S. 219; 120 Ia 95 E. 1a S. 96). Ebenso wenig steht die
staatsrechtliche Beschwerde Privaten zu, soweit diese öffentliche Aufgaben
wahrnehmen und gegenüber anderen Privaten als Hoheitsträger auftreten. Solche
Private können sich mit staatsrechtlicher Beschwerde nur dagegen wehren, dass
ihnen durch das kantonale Recht hoheitliche Aufgaben neu überbunden werden;
ebenso sind sie im Rahmen der Erfüllung übertragener öffentlicher Aufgaben
bei Streitigkeiten mit dem Staat über die ihnen zustehenden finanziellen
Abgeltungen zur Anrufung individualrechtlicher Verfassungsgarantien dann
befugt, wenn sie einen Erwerbszweck bzw. ein unternehmerisches Ziel verfolgen
oder zumindest ein eigenes finanzielles Risiko tragen; im Übrigen sind sie
aber im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgabe zur staatsrechtlichen Beschwerde
nicht legitimiert (BGE 121 I 218 E. 2b S. 220 f.; Urteil des Bundesgerichts
vom 10.5.1994, ZBl 1994 S. 531, E. 1a/bb; Urteile 2P.310/1999 vom 9.2.2000,
E. 2b; 2P.147/1999 vom 8.9.1999, E. 2a; 2P.428/1993 vom 13.11.1995, E. 1c).

1.4 Die soziale Krankenversicherung ist eine öffentlichrechtliche Aufgabe,
die zwar teilweise von privatrechtlich organisierten Versicherern betrieben
wird, aber für die Bevölkerung obligatorisch (Art. 3 KVG) und durch
öffentlichrechtliche Vorschriften bis in die Details geregelt ist. Die
Versicherer treten gegenüber den Versicherten hoheitlich auf, indem sie
Verfügungen erlassen können, die der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
unterliegen und vollstreckbar werden (Art. 49, 54 und 56 ff. des
Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]). Sie sind deshalb nicht
legitimiert, kantonale Beschlüsse über die Finanzierung dieser hoheitlichen
Tätigkeit durch staatliche Beiträge mit staatsrechtlicher Beschwerde
anzufechten (BGE 112 Ia 356 E. 5d S. 366 f.; Urteil 2P.193/1995 vom
11.1.1996, E. 2b).

1.5 Die Aufhebung der Anerkennung als beitragsberechtigte Institution
bedeutet, dass der Alpinen Kinderklinik keine Subventionen mehr ausgerichtet
werden. Dies hat zur Folge, dass für Behandlungen in der Klinik die
Differenzzahlungspflicht des Wohnkantons gemäss Art. 41 Abs. 3 KVG und die
50%-Regel gemäss Art. 49 Abs. 1 KVG nicht mehr gelten. Entsprechend entstehen
möglicherweise Mehrkosten zu Lasten der Krankenversicherer. Dabei handelt es
sich jedoch erstens nicht um direkte Eingriffe in verfassungsmässige Rechte
der Krankenversicherer, sondern um rein faktische, mittelbare Auswirkungen,
hinsichtlich derer die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich ohnehin
nicht gegeben ist (BGE 122 I 44 E. 2b S. 45 f.; 121 I 367 E. 1b S. 369;
Ausnahmen: BGE 126 I 213 E. 1b S. 214 ff.). Zweitens geht es nicht um eine
Frage der finanziellen Abgeltung einer den Privaten überbundenen öffentlichen
Aufgabe (diesbezüglich wäre allenfalls die staatsrechtliche Beschwerde
gegeben, s. vorne E. 1.3), sondern um eine generelle spitalplanerische und
gesundheitspolitische Frage in Erfüllung einer kantonalen öffentlichen
Aufgabe und die entsprechende Finanzierung. Gleich wie die (allenfalls
privatrechtlich organisierten) Träger bisher öffentlich subventionierter
Spitäler (dazu Urteil 2P.310/1999 vom 9.2.2000, E. 3b) sind die
Krankenversicherer durch solche Entscheide nicht in ihrer Eigenschaft als
private Trägerinnen verfassungsmässiger Rechte, sondern in der Wahrnehmung
einer öffentlichen Aufgabe betroffen und nicht zur staatsrechtlichen
Beschwerde legitimiert, selbst wenn sie in ihren Vermögensinteressen
beeinträchtigt werden (Urteil 2P.147/1999 vom 8.9.1999, E. 2c). Der
Beschwerdeführer macht übrigens auch nicht geltend, der angefochtene
Beschluss verletze ihn bzw. seine Mitglieder in verfassungsmässigen Rechten,
sondern er nimmt für sich in Anspruch, mit der Beschwerdeerhebung die
Interessen sämtlicher Krankenversicherer und damit der ganzen schweizerischen
Bevölkerung wahrzunehmen. Zur Wahrung allgemeiner öffentlicher Interessen ist
indessen die staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben (BGE 126 I 81 E. 3b S.
85).

1.6 Sind somit die einzelnen Krankenversicherer zur staatsrechtlichen
Beschwerde nicht legitimiert, so gilt dasselbe auch für den Beschwerdeführer
als Verband der Krankenversicherer (Urteil 2P.193/1995 vom 11.1.1996, E. 2c).

1.7 Im Übrigen wäre auf die in der Sache einzig erhobene Rüge der Willkür
(Art. 9 BV) schon deshalb nicht einzutreten, weil die Willkürbeschwerde nur
gegeben ist, wenn die willkürliche Anwendung einer Bestimmung gerügt wird,
die dem Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch einräumt oder den Schutz seiner
Interessen bezweckt (BGE 126 I 81 E. 3b S. 85; 123 I 279 E. 3c/aa S. 280),
wobei in der Beschwerdeschrift dargelegt werden muss, dass und inwiefern eine
solche geschützte Stellung beeinträchtigt wird (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
Der Beschwerdeführer begründet nicht in rechtsgenüglicher Weise, dass und
inwiefern Art. 7 Abs. 2 des bündnerischen Krankenpflegegesetzes einen
Rechtsanspruch auf Anerkennung der Beitragsberechtigung einräumen oder den
Schutz der Interessen der Krankenversicherer bezwecken soll.

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör; er macht geltend, die Regierung habe die Krankenversicherer vor Erlass
des angefochtenen Entscheids nicht angehört.

2.1 Unabhängig von der Legitimation in der Sache ist die staatsrechtliche
Beschwerde zulässig zur Anfechtung der Verletzung von Verfahrensgarantien,
deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (grundlegend:
BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f.; vgl. BGE 127 II 161 E. 3b S. 167, mit
Hinweisen).

2.2 Diese Rechtsprechung gilt indessen für private Körperschaften, die mit
hoheitlichen Aufgaben betraut sind, nur insofern, als die entsprechenden
Rügen in einem engen Zusammenhang mit jener einer Verletzung der Autonomie
oder Bestandesgarantie stehen (BGE 121 I 218 E. 4a S. 223; 112 Ia 356 E. 6b
S. 367 f.; Urteile 2P.310/1999 vom 9.2.2000, E. 4; 2P.428/1993 vom
13.11.1995, E. 1e). Dies trifft vorliegend auf den Beschwerdeführer nicht zu.

2.3 Zudem gilt der Anspruch auf rechtliches Gehör nur für die Parteien eines
Verfahrens (Art. 29 Abs. 2 BV). Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass und
weshalb er nach dem massgeblichen kantonalen Recht als bloss mittelbar
Interessierter im Verfahren vor dem Regierungsrat Parteistellung gehabt haben
soll. Der blosse Umstand, dass ihm der Entscheid mitgeteilt worden ist,
vermag eine solche Stellung nicht zu begründen, kann doch eine solche
Mitteilung auch bloss zur Kenntnisnahme an mittelbar Interessierte erfolgen.

3.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist aus diesen Gründen nicht einzutreten.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und
Art. 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Regierung des Kantons
Graubünden schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. September 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: