Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.146/2003
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2P.146/2003 /leb

Urteil vom 19. Januar 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merkli,
Gerichtsschreiber Fux.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Dr. Urs Oswald,

gegen

Kirchenrat der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Aargau,
Augustin Keller-Strasse 1, 5000 Aarau,
Rekurskommission der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons
Aargau, p.A. Herrn Jürg Vögtli, Rechtsanwalt, Häsiweg 4, 5018 Erlinsbach,
Regierungsrat des Kantons Aargau,
Staatskanzlei, 5000 Aarau,
Personalrekursgericht des Kantons Aargau,
5000 Aarau.

Disziplinarische Entlassung (Art. 9 und Art. 29 BV;
Art. 6 EMRK),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Personalrekursgerichts des Kantons Aargau
vom 16. April 2003.

Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:

1.
A. ________, Pfarrer der Kirchgemeinde X.________, wurde vom Kirchenrat der
Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Aargau (Kirchenrat) im Zuge
eines Disziplinarverfahrens am 23. September/26. November 1999 mit sofortiger
Wirkung aus dem örtlichen Kirchendienst entlassen. Die gegen diesen Beschluss
ergriffenen kantonalen Rechtsmittel an die Rekurskommission der
Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Aargau (Rekurskommission),
an den Regierungsrat sowie an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau
blieben ohne Erfolg. Mit Urteil vom 28. Mai 2001 wies das Bundesgericht die
gegen den Entscheid des aargauischen Verwaltungsgerichts (vom 9. November
2000) erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab (Verfahren 2P.11/2001); soweit
sich diese gegen den Entscheid des Regierungsrats (vom 20. September 2000)
richtete, hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut, weil die aus sieben
Mitgliedern bestehende Rekurskommission nur mit sechs Mitgliedern entschieden
und dadurch den verfassungsrechtlichen Anspruch auf ordnungsgemässe Besetzung
der Behörde verletzt hatte (Verfahren 2P.239/2000).

In der Folge hob der Regierungsrat den betreffenden Entscheid der
Rekurskommission auf und wies die Streitsache an diese zurück "zur neuen
Beurteilung in vollständiger Besetzung". Die Rekurskommission bestätigte am
6. August 2002 ihren ursprünglichen Entscheid. A.________ gelangte hiergegen
wiederum mit Beschwerde vom 10. September 2002 an den Regierungsrat. Die
Beschwerde wurde zuständigkeitshalber vom Personalrekursgericht des Kantons
Aargau übernommen und mit Urteil vom 16. April 2003 abgewiesen.

A. ________ hat gegen den Entscheid des Personalrekursgerichts am 30. Mai
2003 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 und 29 BV sowie
Art. 6 EMRK erhoben.

2.
Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste
Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche
Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind
(Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; zur Begründungspflicht im Einzelnen vgl. BGE 110
Ia 1 E. 2a S. 3 f.; 107 Ia 186, je mit Hinweisen; BGE 129 I 113 E. 2 S. 120
mit Hinweisen).

Mit staatsrechtlicher Beschwerde gegen einen letztinstanzlichen kantonalen
Entscheid dürfen grundsätzlich weder neue rechtliche oder tatsächliche
Einwände erhoben noch neue Beweismittel vorgebracht werden (BGE 108 II 69 E.
1; 107 Ia 187 E. 2, je mit Hinweisen; zu den Voraussetzungen, unter denen
Nova ausnahmsweise zugelassen werden können vgl. BGE 128 I 354 E. 6c S. 357
f. mit Hinweisen). Wer vor der letzten kantonalen Instanz eine Rüge, die den
Gang des Verfahrens betrifft, nicht vorbringt, kann sie vor Bundesgericht
nicht mehr erheben (BGE 117 Ia 491 E. 2a; 522 E. 3a mit Hinweisen).

Soweit die vorliegende Beschwerde den Begründungsanforderungen nicht genügt
und soweit unzulässige Nova vorgebracht werden, ist darauf nicht einzutreten.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Rekurskommission habe ihm den
unmöglich zu erbringenden Gegenbeweis dafür auferlegt, dass er sich nichts
habe zu Schulden kommen lassen. Er wirft dem Personalrekursgericht vor, es
habe sich weder mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Verfahrensgarantien
von Art. 6 EMRK in einem Disziplinarverfahren überhaupt zur Anwendung
gelangen, noch habe es die Frage geprüft, ob im vorliegenden Fall gegen das
Prinzip der Unschuldsvermutung verstossen worden sei.

Das Personalrekursgericht führt in der Vernehmlassung (vom 3. Juli 2003) aus,
die vorgetragene Argumentation sei neu und für das Gericht nicht ersichtlich
gewesen. In der Tat hatte der Beschwerdeführer in der Beschwerde vom 10.
September 2002 an den Regierungsrat (die in der Folge an das
Personalrekursgericht weitergeleitet wurde) die Rüge der Verletzung von Art.
6 Ziff. 2 EMRK in der nunmehr erhobenen Form nicht vorgebracht. Die Rüge ist
somit neu und daher unzulässig. Brauchte sich aber das Personalrekursgericht
damit nicht zu befassen, so ist auch den in diesem Zusammenhang erhobenen
Vorwürfen der Willkür (Art. 9 BV) und der mangelhaften Begründung (Art. 29
Abs. 2 BV) der Boden entzogen. Zudem gilt der Grundsatz der
Unschuldsvermutung nur im Straf-, nicht auch im Disziplinarverfahren (vgl.
Urteil 2P.119/1995 vom 18. Dezember 1995, E. 6a). In der Sache trifft es
nicht zu, dass dem Beschwerdeführer im streitigen Punkt der Hauptbeweis
auferlegt worden wäre: Der in der Beschwerdeschrift zitierte Passus aus dem
Rekursentscheid, wonach es dem Rekurrenten nicht gelungen sei, "die
Kernaussagen der betroffenen Frauen (...) zu entkräften", muss - im
Zusammenhang gelesen - so verstanden werden, dass die Rekurskommission die
Aussagen der betreffenden Frauen grundsätzlich für glaubwürdig und den
Gegenbeweis durch den Beschwerdeführer für misslungen hielt (vgl. dazu BGE
120 II 393 E. 4b S. 397). Im Übrigen waren jene Aussagen für die
Rekurskommission gar nicht entscheidend, da sie nur schon den Fall K. als
derart gravierend erachtete, dass er für sich allein die sofortige Entlassung
des Beschwerdeführers gerechtfertigt hätte (vgl. Rekursentscheid vom 6.
August 2002, S. 17).

3.2 Der Beschwerdeführer rügt ferner, bis zum angefochtenen Urteil seien vier
Jahre vergangen. Eine solche Verfahrensdauer erscheine unter den gegebenen
Umständen nicht mehr tolerierbar und verletze Art. 6 EMRK.

Was der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Rüge vorbringt, war bereits im
Zeitpunkt des angefochtenen Urteils bekannt. Er hat indessen eine Verletzung
von Art. 6 Ziff. 1 EMRK wegen überlanger Verfahrensdauer im kantonalen
Verfahren nicht gerügt und in seiner Beschwerde vom 10. September 2002 auch
sonstwie nicht behauptet, das Verfahren habe zu lange gedauert. Das Verfahren
vor dem Personalrekursgericht seinerseits wurde ohne Verzug durchgeführt, wie
in der Vernehmlassung datenmässig nachgewiesen wird. Die Rüge der Verletzung
des Beschleunigungsgebotes in der staatsrechtlichen Beschwerde ist neu und
als solche unzulässig. Im Übrigen ist nicht erkennbar, was der
Beschwerdeführer aus der behaupteten zu langen Verfahrensdauer zu seinen
Gunsten ableiten will. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob es sich bei
der disziplinarischen Entlassung eines Pfarrers um eine Streitigkeit über
zivilrechtliche Ansprüche im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK handelt (vgl. BGE
126 I 33 E. 2b).

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet
und ist deshalb im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 36a OG mit
summarischer Begründung abzuweisen (Abs. 3), soweit darauf eingetreten wird.
Die bundesgerichtlichen Kosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt (Art.
153, 153a und 156 OG). Dem nicht anwaltlich vertretenen Kirchenrat wird
praxisgemäss keine Parteientschädigung zugesprochen (Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kirchenrat der
Evangelisch-Reformierten Landeskirche, der Rekurskommission der
Evangelisch-Reformierten Landeskirche, dem Regierungsrat sowie dem
Personalrekursgericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Januar 2004

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: