Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.143/2003
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2P.143/2003 /kil

Urteil vom 19. Dezember 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Bundesrichter Müller, Bundesrichterin Yersin,
Bundesrichter Merkli,
Gerichtsschreiber Moser.

A. X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Guido Ehrler, Postfach 321, 4005
Basel,

gegen

Polizei- und Militärdepartement des Kantons Basel-Stadt, Spiegelhof,
Spiegelgasse 6, Postfach, 4001 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht,
Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

Wegweisung/Ausschaffung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 21. Januar 2003.

Sachverhalt:

A.
Der türkische Staatsangehörige B.X.________ heiratete 1987 eine im Kanton
Basel-Stadt niedergelassene Jugoslawin und erhielt 1993 die
Niederlassungsbewilligung. Nachdem ein erstes Gesuch vom Juni 1994 um Nachzug
seiner beiden aus einer früheren Imam-Ehe stammenden Söhne A.________ (geb.
... 1983) und C.________ (geb. ... 1984) erfolglos geblieben war, stellte
B.________ im September 1996 ein neues Gesuch um Familiennachzug, das neben
den beiden genannten Söhnen auch die Töchter D.________ (geb. ... 1985) und
E.________ (geb. ... 1986) umfasste. Dieses wurde mit Urteil des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 4. Dezember 1997
rechtskräftig abgewiesen. Aufgrund von Garantieerklärungen des Vaters konnten
im Februar 2000 zunächst A.________ und D.________ und etwas später die
beiden andern Geschwister mit Touristenvisa in die Schweiz einreisen, wo sie
in der Folge auch nach Ablauf der Visa verblieben; gemäss späterer Aussage
des Vaters war dies von Anfang an beabsichtigt gewesen. Nachdem die
Anwesenheit der Kinder im Januar 2001 von der Behörde entdeckt worden war,
stellte der Vater am 22. Februar 2001 ein neues Familiennachzugsgesuch mit
dem Antrag, den Kindern für die Dauer des Gesuchsverfahrens den Aufenthalt
provisorisch zu gestatten.

Am 30. April 2001 kam es in der Familie X.________ zu einem Zwischenfall,
dessentwegen die Tochter D.________ gegen ihren Vater und ihren Bruder
A.________ Strafanzeige erstattete, was u.a. zu Gesprächen mit einem
Vertreter des Jugendamtes führte, dem die Betreuung der Familie oblag. Am 21.
September 2001 erstattete D.________ erneut Strafanzeige gegen ihren Bruder,
welchem sie vorwarf, ihr mit sexuellen Übergriffen gedroht und sie geschlagen
zu haben. Die Einwohnerdienste erhielten am 25. September 2001 von dieser
neuen Anzeige Kenntnis. Am 11. Oktober 2001, einen Tag nach seinem 18.
Geburtstag, wurde A.________ um 06.00 Uhr morgens von der Kantonspolizei aus
der Wohnung geholt und den Einwohnerdiensten zugeführt, welche ihm nach
Befragung zur Angelegenheit die formlose Wegweisung eröffneten, ihn in
Ausschaffungshaft nahmen und am nächsten Tag in die Türkei ausschafften.
Gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass das Familiennachzugsgesuch in Bezug
auf seine Person hinfällig geworden sei. Ausserdem verfügte das Bundesamt für
Ausländerfragen über ihn eine Einreisesperre von drei Jahren.

D. ________ widerrief später die Aussagen gegen ihren Bruder. Das daraufhin
gegen sie eingeleitete Strafverfahren wegen falscher Anschuldigung wurde von
der Jugendanwaltschaft am 4. Februar 2002 eingestellt.

B.
A.________ liess durch seinen Rechtsvertreter gegen das Vorgehen der
Einwohnerdienste beim kantonalen Polizei- und Militärdepartement Rekurs
erheben, u.a. mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass die
Ausschaffungshaft und die Wegweisung widerrechtlich erfolgt seien. Mit
Entscheid vom 21. Mai 2002 trat das Departement auf den Rekurs nicht ein,
wies aber die Einwohnerdienste an, über das Gesuch um Familiennachzug auch in
Bezug auf A.________ durch eine förmliche Verfügung zu entscheiden. Das
Begehren um Gewährung des prozessualen Armenrechts wurde abgewiesen.

C.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (als Verwaltungsgericht) hob
am 21. Januar 2003 in teilweiser Gutheissung eines Rekurses den
Kostenentscheid des Departementes auf und wies die Sache zu neuem Entscheid
über das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung an die Vorinstanz zurück; im
Übrigen wies es den Rekurs ab, soweit es darauf eintrat. Für das Verfahren
vor dem Appellationsgericht wurde die unentgeltliche Prozessführung und
Verbeiständung gewährt.

D.
A.________ führt gegen das am 29. April 2003 eröffnete Urteil des
Appellationsgerichts mit vom 22. März 2002 datierter Eingabe (Postaufgabe:
29. Mai 2003) staatsrechtliche Beschwerde ("ev.
Verwaltungsgerichtsbeschwerde") mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid
aufzuheben. Er beruft sich auf das Willkürverbot (Art. 9 BV) sowie auf
weitere Verfassungs- und Konventionsgarantien (Bewegungsfreiheit, Art. 10
Abs. 2 BV; Schutz des Privat- und Familienlebens, Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 8
EMRK; Anspruch auf eine national wirksame Beschwerde, Art. 13 EMRK). Ferner
ersucht er für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung.

E.
Das Appellationsgericht beantragt unter Hinweis auf die Erwägungen seines
Urteils Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Das Polizei- und
Militärdepartement des Kantons Basel-Stadt stellt den Antrag, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Im gleichen Sinne lässt sich das
Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung vernehmen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Urteil des Appellationsgerichts ist in der Sache ein kantonal
letztinstanzlicher Endentscheid (Art. 86 und 87 OG). Es wird vom
Beschwerdeführer ausdrücklich nur soweit angefochten, als es die Frage des
Rechtsschutzes gegen die Wegweisungsverfügung betrifft, nicht mehr dagegen
bezüglich der Frage der Ausschaffungshaft (S. 3 unten/4 oben der
Beschwerdeschrift). Die Möglichkeit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde an
das Bundesgericht ist damit ausgeschlossen (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 4
OG). Zulässig ist einzig die staatsrechtliche Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 OG),
als welche die vorliegende Eingabe auch bezeichnet ist. Der durch die
Wegweisung in seiner Rechtsstellung betroffene Beschwerdeführer ist zur
Ergreifung dieses Rechtsmittels legitimiert (Art. 88 OG).

1.2 Der Beschwerdeführer muss an der verfassungsrechtlichen Überprüfung des
angefochtenen Hoheitsaktes ein aktuelles und praktisches Interesse haben. Das
gilt auch, soweit eine formelle Rechtsverweigerung gerügt wird (BGE 118 Ia
488 E. 2a S. 492). Der Beschwerdeführer braucht zwar nicht nachzuweisen, dass
der Sachentscheid ohne den gerügten Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre
oder ausfallen könnte, doch muss er am Verfahren, auf welches sich die
Rechtsverweigerungsrüge bezieht, noch ein praktisches rechtliches Interesse
haben und muss eine Behebung des erlittenen Nachteils durch die Gutheissung
der staatsrechtlichen Beschwerde möglich sein. Daran fehlt es insbesondere,
wenn der im beanstandeten Verfahren ergangene Entscheid bei Einreichung der
staatsrechtlichen Beschwerde bereits vollstreckt ist (BGE 125 II 86 E. 5b S.
97; 120 Ia 165; 109 Ia 169 E. 3b S. 170; 106 Ia 151 E. 1a S. 152 f.). Das
blosse Interesse an der erleichterten Geltendmachung von Schadenersatz reicht
grundsätzlich nicht aus (BGE 126 I 144 E. 2a S. 147 f.; Urteil 1P.303/1998
vom 16. Juni 1999 E. 4b, mit Hinweisen).

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund der gegen ihn ausgesprochenen formlosen
Wegweisung ausgeschafft und befindet sich heute im Ausland. Die allfällige
Aufhebung des Wegweisungsentscheides bzw. des das Vorgehen der kantonalen
Behörde schützenden Verwaltungsgerichtsurteils vermöchte an dieser Situation
nichts zu ändern. Es ergäbe sich insbesondere kein Anspruch auf Zulassung der
Wiedereinreise und des Aufenthaltes in der Schweiz. Darüber wird im hängigen
neuen Verfahren betreffend Familiennachzug zu befinden sein (soweit der
diesbezügliche Entscheid inzwischen nicht bereits ergangen ist).

Auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses wird ausnahmsweise
dann verzichtet, wenn sich die aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen unter
gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können, ohne dass im
Einzelfall rechtzeitig eine höchstrichterliche Prüfung stattfinden kann (BGE
128 II 34 E. 1b S. 36 mit Hinweisen). Diese Voraussetzung erscheint
vorliegend erfüllt. Streitig ist, ob die formlose Wegweisung ohne Gewährung
einer Anfechtungsmöglichkeit auch in Fällen zulässig ist, in denen die
kantonale Behörde vom rechtswidrigen Aufenthalt des Ausländers bereits seit
einiger Zeit Kenntnis hat und diese Situation im Hinblick auf ein hängiges
neues Bewilligungsverfahren zunächst toleriert hat. Der aufgrund einer
solchen formlosen Wegweisung sofort ausgeschaffte Ausländer hat keine
Möglichkeit, die Massnahme innert nützlicher Frist anzufechten, weshalb die
Zulässigkeit dieses Vorgehens vorliegend trotz Hinfalls des aktuellen
praktischen Interesses zu überprüfen und auf die staatsrechtliche Beschwerde
insoweit einzutreten ist.

2.
2.1 Gestützt auf Art. 12 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) und Art. 17 Abs.
1 Satz 1 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum ANAG (ANAV, SR
142.201) ging das Polizei- und Militärdepartement in seinem Rekursentscheid,
in Übereinstimmung mit den Einwohnerdiensten, davon aus, der Beschwerdeführer
habe als Person ohne Aufenthaltsberechtigung formlos, d.h. "ohne
entsprechende Verfügung und ein daran anknüpfendes Verwaltungsverfahren",
weggewiesen werden können. Wegen Fehlens einer anfechtbaren Verfügung trat
das Departement auf den Rekurs gegen die Wegweisung formell nicht ein,
erachtete aber das Vorgehen der Einwohnerdienste aufgrund der Umstände als
gerechtfertigt (E. 1c und 2 des Departementsentscheides). Das
Appellationsgericht stufte die formlose Wegweisung zwar als Verfügung ein,
die aber nicht schriftlich ergehen müsse (auch wenn solche Anordnungen nach
der basel-städtischen Praxis schriftlich festgehalten würden) und keiner
Beschwerdemöglichkeit unterliege. Die in der Literatur geäusserten Zweifel an
der Rechtmässigkeit dieser Regelung bezögen sich auf die Wegweisung von
Ausländern mit einem gesetzlichen Aufenthaltsrecht, nicht dagegen auf illegal
anwesende Personen, bei denen die Wegweisung als blosse
Vollstreckungsverfügung erscheine. Der Beschwerdeführer habe sich
widerrechtlich in der Schweiz aufgehalten. Besondere Umstände, welche
ausnahmsweise einer formlosen Wegweisung entgegenstehen könnten, hätten nicht
vorgelegen. Daher habe kein Anspruch auf Durchführung eines
Rechtsmittelverfahrens bestanden, und das Departement sei auf den bei ihm
erhobenen Rekurs zu Recht nicht eingetreten.

2.2 Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, gemäss Art. 5 Abs. 2 VwVG gälten
auch Vollstreckungsverfügungen als Verfügungen. Sie seien verwaltungsintern
mit Beschwerde anfechtbar, soweit gerügt werde, es liege kein vollstreckbarer
Entscheid vor oder die Vollstreckungsmassnahme sei unverhältnismässig oder
gehe über die Sachverfügung hinaus. Auch materiell erfülle die Wegweisung
alle Kriterien einer Verfügung, zumal die Anordnung schwerwiegend in
Grundrechtsgarantien eingreifen könne. Die vorliegend zur Anwendung gebrachte
Regelung von Art. 17 Abs. 1 ANAV finde in Art. 12 Abs. 1 ANAG, wonach
Ausländer ohne Bewilligung jederzeit zur Ausreise aus der Schweiz verhalten
werden können, keine hinreichende Grundlage; aus dem Gesetz ergebe sich weder
die Formlosigkeit der Wegweisung noch der Ausschluss der
Beschwerdemöglichkeit. Das Fehlen eines wirksamen Rechtsschutzes gegen
formlose Wegweisungen verstosse zudem gegen die Garantie von Art. 13 EMRK
(Anspruch auf eine national wirksame Beschwerde), zumal der Beschwerdeführer
durch die streitige Massnahme u.a. in seinem Recht auf Achtung des
Familienlebens (Art. 8 EMRK) betroffen werde. Schliesslich sei es auch
willkürlich, den Beschwerdeführer als illegal in der Schweiz anwesende Person
einzustufen, nachdem die Behörden seinen Aufenthalt geduldet hätten; nicht
das Fehlen einer förmlichen Bewilligung, sondern die gegen ihn mit den
Strafanzeigen erhobenen Vorwürfe hätten Grund für die Wegweisung gebildet.

3.
Da der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Wegweisung das achtzehnte
Altersjahr bereits vollendet, d.h. die Volljährigkeit erreicht hatte und eine
besondere Abhängigkeit von der elterlichen Familie nicht dargetan ist, kann
er sich gegenüber der angefochtenen Massnahme schon aus diesem Grunde nicht
auf das durch Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV gewährleistete Recht auf
Achtung des Familienlebens berufen (BGE 129 II 11 E. 2 S. 13 f. mit
Hinweisen). Dazu kommt, dass der Anspruch auf Nachzug des Beschwerdeführers -
auch unter dem Gesichtswinkel von Art. 8 EMRK - in einem vorangegangenen
Verfahren bereits rechtskräftig verneint worden ist und die seitherige
Entwicklung bzw. das rechtswidrige Verhalten der Beteiligten keine
Neubeurteilung dieser Frage gebietet. In der Durchsetzung dieses
rechtskräftigen Entscheides kann auch kein Verstoss gegen das beiläufig
mitangerufene Recht auf Achtung des Privatlebens liegen (Art. 8 EMRK, Art. 13
Abs. 1 BV). Fällt die Geltendmachung einer Konventionsverletzung aber zum
Vornherein ausser Betracht, so kann sich der Beschwerdeführer für seinen
Anspruch auf Rechtsschutz gegenüber der streitigen Wegweisung nicht auf Art.
13 EMRK (Recht auf eine wirksame Beschwerde bei Verletzung von
Konventionsgarantien) berufen.

Es kann daher im vorliegenden Verfahren einzig darum gehen, ob die Art und
Weise, wie die Wegweisung des Beschwerdeführers durchgeführt worden ist, mit
den diesbezüglichen Normen des Landesrechts im Einklang steht. Soweit nicht
die Verletzung von speziellen Verfassungsgarantien gerügt, sondern lediglich
die Handhabung von Gesetzes- und Verordnungsrecht beanstandet wird, fällt als
Beschwerdegrund nur das allgemeine Willkürverbot in Betracht. Die Rüge der
Verletzung der Bewegungsfreiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) hat vorliegend neben der
Frage der Rechtskonformität der formlosen Wegweisung keine selbständige
Bedeutung.

4.
4.1 Die Verweigerung, Nichtverlängerung oder Aufhebung (bzw. der Widerruf)
einer Anwesenheitsbewilligung führt regelmässig zur Wegweisung des
Ausländers, d.h. zur Aufforderung zur Ausreise aus der Schweiz innert
bestimmter Frist (Art. 12 Abs. 3 ANAG). Die Wegweisung ist die logische
Konsequenz der Verweigerung des Aufenthaltsrechtes; sie konkretisiert und
vollzieht den ihr zugrunde liegenden - vorangegangenen oder gleichzeitig
eröffneten - Sachentscheid und erscheint insofern als
"Vollstreckungsverfügung" (so Andreas Zünd, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold,
Ausländerrecht, Basel 2002, S. 233, Rz. 6.53; Nicolas Wisard, Les renvois et
leur exécution en droit des étrangers et en droit d'asile, Diss. Genf 1997,
S. 101 ff.), die nötigenfalls durch Zwangsmassnahmen durchgesetzt werden kann
(Administrativhaft und Ausschaffung). Die Wegweisungsverfügung ist in diesen
Fällen förmlich zu eröffnen und kann nach Massgabe der anwendbaren kantonalen
oder bundesrechtlichen Vorschriften Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens
bilden (Wisard, a.a.O., S. 131; Patrizia De Cicco, Die Praxis zum
Bundesgesetz über die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Bern 1997, S. 9;
zur besonderen Rechtslage im Asylverfahren vgl. Art. 23 und Art. 44 ff. des
Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]).

4.2 Neben dieser förmlichen Wegweisung kennt das Fremdenpolizeirecht die
formlose Wegweisung. Gemäss Art. 12 Abs. 1 ANAG können Ausländer, die keine
Bewilligung besitzen, jederzeit zur Ausreise verhalten werden. Art. 17 Abs. 1
Satz 1 ANAV führt diese Vorschrift wie folgt aus:

"Der Ausländer, der keine Bewilligung besitzt (auch im Fall von Art. 1 Abs. 1
dieser Verordnung), kann jederzeit und ohne besonderes Verfahren zur Ausreise
aus der Schweiz verhalten oder nötigenfalls ausgeschafft werden."

Die Möglichkeit der formlosen Wegweisung besteht damit nach dieser
Verordnungsvorschrift sowohl bei Ausländern, die sich illegal in der Schweiz
aufhalten, wie auch bei rechtmässig eingereisten Ausländern, die gemäss Art.
1 Abs. 1 ANAV (in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 ANAG) über ein vorübergehendes
gesetzliches Anwesenheitsrecht - bis zum Ablauf der für sie geltenden
Anmeldefrist bzw. bis zum Entscheid über ein eingereichtes Bewilligungsgesuch
- verfügen (Zünd, a.a.O., S. 242, Rz. 6.66). Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 ANAV
kann für Angehörige beider Gruppen "jederzeit und ohne besonderes Verfahren"
die Wegweisung angeordnet und durchgesetzt werden. Dies wird in der Praxis
dahin ausgelegt, dass keine förmliche Verfügung ergehen und keine
Beschwerdemöglichkeit eröffnet werden muss (Wisard, a.a.O., S. 128; Zünd,
a.a.O., S. 242, Rz. 6.69).

5.
Für das gegenüber dem Beschwerdeführer zur Anwendung gebrachte Verfahren
konnten sich die basel-städtischen Behörden auf den Wortlaut der Regelung von
Art. 17 Abs. 1 Satz 1 ANAV stützen. Streitig ist, ob und wieweit diese
Verordnungsvorschrift über eine genügende Grundlage im ANAG verfügt und mit
den in Betracht fallenden Verfahrensgarantien vereinbar ist. Da es vorliegend
um eine inzidente Normenkontrolle geht, ist die Verfassungsmässigkeit der
Bestimmung von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 ANAV nicht auf alle möglichen
Konstellationen hin, sondern - im Rahmen der erhobenen Rügen - nur unter dem
Gesichtswinkel des konkreten Falles zu prüfen (BGE 124 I 289 E. 2 S. 291 mit
Hinweisen).

6.
6.1 Die Rechtmässigkeit der Regelung von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 ANAV wird,
soweit sie den Betroffenen eine Anfechtungsmöglichkeit verwehrt und auch
Ausländer mit gesetzlichem Anwesenheitsrecht erfasst, in der Doktrin
bezweifelt (Zünd, a.a.O., S. 243, Rz. 6.69; Peter Sulger Büel, Vollzug von
Fernhalte- und Entfernungsmassnahmen gegenüber Fremden nach dem Recht des
Bundes und des Kantons Zürich, Diss. Zürich 1984, S. 90 ff.; Urs Bolz,
Rechtsschutz im Ausländer- und Asylrecht, Diss. Bern 1990, S. 132; Marc
Spescha/Peter Sträuli, Ausländerrecht, Kommentar, Zürich 2001, Bem. zu Art.
17 ANAV, S. 130; Wisard, a.a.O., S. 128). Die geäusserten Bedenken betreffen
vor allem die mögliche Verkürzung des Rechtsschutzes von Ausländern mit
gesetzlichem Anwesenheitsrecht. Bei illegal anwesenden Ausländern dient die
formlose Wegweisung der Durchsetzung der bestehenden - gesetzlichen oder
durch eine individuelle Sachverfügung festgehaltenen - Rechtslage, wobei
diese Massnahme von einigen Autoren selbst in Fällen, wo sich das Fehlen der
Anwesenheitsberechtigung und die Pflicht zur Ausreise nicht aus einer
vorangegangenen Sachverfügung, sondern direkt und allein aus dem Gesetz
ergibt, als (reine) "Vollstreckungsverfügung" eingestuft wird (so Zünd,
a.a.O., S. 242, Rz. 6.66; Spescha/Sträuli, a.a.O., S. 53, 130). Zweifel an
der Zulässigkeit eines formlosen Verfahrens mögen, wovon auch das
Appellationsgericht in seinem Entscheid ausgeht, in jenen Fällen
gerechtfertigt sein, wo die formlose Wegweisung zugleich das gesetzliche
Aufenthaltsrecht gemäss Art. 1 Abs. 1 ANAV zum Erlöschen bringt und insofern
einen belastenden neuen Sachentscheid enthält, was durch die Bestimmung von
Art. 12 Abs. 1 ANAG, wiewohl sie durch ihre Formulierung ("ohne Bewilligung")
auch Ausländer mit bloss gesetzlichem Anwesenheitsrecht erfassen könnte,
möglicherweise nicht gedeckt ist. Die Regelung von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 ANAV
harmoniert jedenfalls nicht ohne weiteres mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 ANAV,
wonach "abweichende" Anordnungen, welche das gesetzliche Anwesenheitsrecht
beenden, als "Verfügung" zu erlassen sind. Es wird in diesem Zusammenhang von
einigen Autoren u.a. auf Art. 3 lit. f VwVG verwiesen, wonach die
Bestimmungen des VwVG auf erstinstanzliche Verfahren bloss dann nicht
anwendbar sind, wenn deren Natur die Erledigung auf der Stelle durch sofort
vollstreckbare Verfügung erfordert. Diese Ausnahmebestimmung vermöge bei
Dringlichkeit allenfalls die Formlosigkeit der Wegweisung zu rechtfertigen,
nicht aber den Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit (Zünd, a.a.O., S. 243,
Rz. 6.69; Sulger Büel, a.a.O., S. 91). Dazu ist zu bemerken, dass die
Bestimmungen des VwVG nur dort als mögliche Schranke in Betracht fallen, wo
das Verfahren in den Händen einer Bundesverwaltungsbehörde liegt (Art. 1 Abs.
1 VwVG) oder in Verfahren letzter kantonaler Instanzen gemäss Art. 1 Abs. 3
VwVG. Vorliegend geht es um ein Verfahren vor kantonalen Behörden, das sich,
vom hier nicht wesentlichen Vorbehalt in Art. 1 Abs. 3 VwVG abgesehen, im
Rahmen der Vorgaben von ANAG und ANAV nach dem kantonalen Verfahrensrecht
richtet.

6.2 Welchen formellen Anforderungen Eingriffe in das vorübergehende
gesetzliche Aufenthaltsrecht gemäss Art. 1 Abs. 1 ANAV zu genügen haben, ist
vorliegend nicht weiter zu untersuchen, da die inzident zu überprüfende
Vorschrift von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 ANAV auf keinen derartigen Tatbestand
angewendet wurde. Der Beschwerdeführer fiel nicht unter die Kategorie jener
Ausländer, die durch die Wegweisung in einem gesetzlichen Anwesenheitsrecht
betroffen werden. Er besass im fraglichen Zeitpunkt weder eine
Aufenthaltsbewilligung noch ein gesetzliches Anwesenheitsrecht gemäss Art. 1
Abs. 1 ANAV. Das für ihn und seine Geschwister gestellte
Familiennachzugsgesuch war vielmehr rechtskräftig abgewiesen worden, und sein
erneuter Aufenthalt in der Schweiz war nach Ablauf der Anmeldefrist bzw. der
im Visum festgelegten Ausreisefrist rechtswidrig. Dass er nach seiner
Entdeckung erneut ein Familiennachzugsgesuch stellen liess und sein Verbleib
in der Schweiz von der Behörde im Hinblick auf dieses Gesuch zunächst
geduldet wurde, änderte an dieser Rechtslage nichts.

Der Beschwerdeführer fiel damit, wie das Appellationsgericht zutreffend
angenommen hat, als illegal anwesender Ausländer klarerweise unter die
Regelung von Art. 12 Abs. 1 ANAG und nicht unter die durch Art. 17 Abs. 1
Satz 1 ANAV explizit miterfasste Kategorie der Ausländer, für die mit der
Wegweisung zugleich ein vorübergehendes gesetzliches Aufenthaltsrecht
aufgehoben wird. Er durfte daher gemäss Art. 12 Abs. 1 ANAG zur sofortigen
("jederzeit") Ausreise aus der Schweiz verhalten werden. Wenn Art. 17 Abs. 1
Satz 1 ANAV die Behörden davon befreit, dem illegal anwesenden Ausländer
zuerst durch eine beschwerdefähige Vollzugsverfügung nochmals Frist zum
Verlassen des Landes anzusetzen, um allenfalls nach Abweisung von
Rechtsmitteln und nach erfolgloser Androhung von Zwangsmassnahmen zur
zwangsweisen Ausschaffung zu schreiten, sondern die direkte Durchsetzung der
Entfernung erlaubt, steht dies mit der Regelung von Art. 12 Abs. 1 ANAG,
welche die sofortige Entfernung illegal anwesender Ausländer ermöglichen
will, grundsätzlich im Einklang. Wohl sind bei der Handhabung von Art. 12
Abs. 1 ANAG - im Sinne einer verfassungskonformen Handhabung des Gesetzes -
gewisse Schranken zu beachten: Der wegzuweisende Ausländer muss vor Anordnung
und Vollzug einer solchen Massnahme in geeigneter Form angehört werden (Art.
29 Abs. 2 BV), damit er sich zu seinem allfälligen Anwesenheitsrecht sowie
zur beabsichtigten Wegweisung äussern kann. Eine solche Anhörung hat
vorliegend stattgefunden (vgl. Einvernahmeprotokoll vom 11. Oktober 2001).
Des Weitern muss die formlose Wegweisung illegal anwesender Ausländer auf
(liquide) Fälle beschränkt bleiben, in denen sowohl das Fehlen der
Anwesenheitsberechtigung wie auch die Zulässigkeit der Wegweisung und
Ausschaffung ohne weiteres feststehen und rasches Handeln möglich und
sachlich geboten ist (Wisard, a.a.O., S. 127 f.; De Cicco, a.a.O., S. 7;
Daniel Thürer, Die Rechtsstellung des Ausländers in der Schweiz, in Jochen
Abr. Frowein/Torsten Stein [Hrsg.], Die Rechtsstellung von Ausländern nach
staatlichem und Völkerrecht, Berlin 1987, Band 2, S. 1388). Bestehen
ernsthafte rechtliche Zweifel, sei es in Bezug auf die Frage der
Anwesenheitsberechtigung oder in Bezug auf die Zulässigkeit der Wegweisung,
kann der Grundsatz der Verhältnismässigkeit sowie der Anspruch auf ein
gerechtes Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV) gebieten, dass der Weg der förmlichen
Wegweisung beschritten wird, um dem Betroffenen die Wahrung seiner etwaigen
Rechte zu ermöglichen (vgl. zum Ganzen auch die in Art. 63 ff. des Entwurfs
für ein Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG; BBl 2002 S.
3851] vorgesehene Regelung). Vorliegend bestanden, wie das
Appellationsgericht zulässigerweise annehmen durfte, keine besonderen
Umstände, welche einer formlosen Wegweisung entgegengestanden hätten. Das
Fehlen der Anwesenheitsberechtigung stand fest, und die gegen den
Beschwerdeführer erhobenen gravierenden Beschuldigungen bildeten einen
hinreichenden Grund, die fällige Ausreiseverpflichtung gegenüber diesem
sofort durchzusetzen, was umso näher lag, als er inzwischen die
Volljährigkeit erreicht hatte. Im Übrigen wurden die Einwendungen des
Beschwerdeführers gegen seine formlose Wegweisung von den angerufenen
kantonalen Rechtsmittelinstanzen nachträglich insofern überprüft, als sie das
Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Massnahme bejahten,
was im Ergebnis einer materiellen Beurteilung gleichkommt. Der Rechtsschutz
des Beschwerdeführers wurde damit lediglich insoweit verkürzt, als die
streitige Massnahme unabhängig von einer allfälligen Anfechtung sofort
vollzogen wurde, wie dies auch in anderen Rechtsgebieten möglich ist, wo die
Interessenlage ein sofortiges Handeln der Behörden oder eine sofortige
Durchsetzung der gesetzlichen Ordnung gebietet.

7.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit, soweit auf sie
einzutreten ist, als unbegründet. Da der Beschwerdeführer nicht über
genügende eigene Mittel verfügt und seine Rechtsbegehren nicht zum Vornherein
der Erfolgsaussicht entbehrten, ist ihm für das bundesgerichtliche Verfahren
die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren (Art. 152 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
gutgeheissen:
2.1 Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

2.2 Advokat Guido Ehrler wird zum amtlichen Vertreter des Beschwerdeführers
bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Polizei- und Militärdepartement
des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
(als Verwaltungsgericht) sowie dem Bundesamt für Zuwanderung, Integration und
Auswanderung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Dezember 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: