Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.118/2003
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2P.118/2003
2A.209/2003/sng

Urteil vom 15. Mai 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiber Feller.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Daniel Ehrenzeller, Engelgasse 214,
9053 Teufen AR,

gegen

Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001
St. Gallen,
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen.

Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 18. März 2002.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der 1958 geborene X.________, Staatsangehöriger der Bundesrepublik
Jugoslawien, ist seit 1978 verheiratet mit einer Landsfrau, mit welcher er
vorerst zusammen in seiner Heimat wohnte. Er arbeitete von 1985 bis 1989 als
Saisonnier in der Schweiz. Am 24. November 1989 wurde ihm die
Aufenthaltsbewilligung erteilt. 1990 reiste seine Ehefrau im Rahmen des
Familiennachzugs mit den (damals) drei gemeinsamen Kindern, geboren 1980,
1986 und 1989, zu ihm in die Schweiz. Im Jahr 1995 gebar sie, in der Schweiz,
ein viertes Kind.

1.2 Weil gegen ihn sechs Betreibungen im Gesamtbetrag von Fr. 24'511.25.--
offen waren, verwarnte die Fremdenpolizei des Kantons St. Gallen (heute:
Ausländeramt) X.________ am 29. November 1994; es drohte ihm an, dass bei
Klagen irgendwelcher Art die Aufenthaltsbewilligung widerrufen würde. Am 31.
Januar 1996 wurde die Aufenthaltsbewilligung nur auf Zusehen und
Wohlverhalten hin verlängert; zu jenem Zeitpunkt lagen vier neue Betreibungen
im Gesamtbetrag von gut Fr. 5'070.-- sowie fünf Verlustscheine im
Gesamtbetrag von Fr. 24'356.-- vor.

Am 10. Februar 1999 lehnte das Ausländeramt das Gesuch von X.________ um
Erteilung der Niederlassungsbewilligung ab. Es hielt dafür, sein Aufenthalt
sei nicht ordnungsgemäss, da für das Jahr 1998 Betreibungsbegehren im
Gesamtbetrag von Fr. 26'280.25 eingereicht worden seien und er in
strafrechtlicher Hinsicht Anlass zu Klagen gegeben habe. Die
Aufenthaltsbewilligung wurde ihm bis zum 20. Februar 2000 unter der Bedingung
verlängert, dass er sich im Rahmen des Möglichen bemühe, seine Schulden zu
sanieren, und keine neuen Schulden verursache. Am 2. November 2000 lehnte das
Ausländeramt auch das Gesuch der Ehefrau von X.________ ab, ihr und den drei
noch nicht volljährigen Kindern die Niederlassungsbewilligung zu erteilen,
mit dem Hinweis auf im Zeitraum August 1999 bis Februar 2000 bezogene
Fürsorgegelder im Betrag von Fr. 17'168.-- und auf die Tatsache, dass eine
Tochter Anlass zu Klagen gegeben habe (Verweis wegen eines geringfügigen
Vermögensdelikts).

Das Bezirksgericht Unterrheintal verurteilte X.________ am 12. Mai 2000 wegen
qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer
Gefängnisstrafe von 18 Monaten, zu einer Busse von Fr. 2'500.-- und zu einer
Landesverweisung für die Dauer von sechs Jahren, wobei die Freiheitsstrafe
und die Landesverweisung bedingt aufgeschoben wurden. Am 27. Juli 2000 wurde
er ferner mit einer Busse von Fr. 500.-- wegen Widerhandlung gegen das ANAG
(Beschäftigung von zwei Ausländerinnen ohne Bewilligung) bestraft.

1.3 Am 25. Oktober 2001 wies das Ausländeramt des Gesuch von X.________ um
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und setzte ihm Frist zum Verlassen
des Kantonsgebiets an (Wegweisung). Ein Rekurs an das Justiz- und
Polizeidepartement des Kantons St. Gallen blieb erfolglos, und mit Urteil vom
18. März 2003 wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen die gegen
den Rekursentscheid des Departements erhobene Beschwerde ab.

1.4 Mit zwei Rechtsschriften vom 9. Mai 2003 hat X.________ beim
Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde
gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts erhoben mit den Anträgen, dieses sei
aufzuheben und es sei seine Aufenthaltsbewilligung ordentlich zu verlängern,
eventualiter sei die Sache im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht
zurückzuweisen.

Es ist weder ein Schriftenwechsel angeordnet noch sind die kantonalen Akten
eingeholt worden.

2.
Der Beschwerdeführer hat zwei Rechtsmittel ergriffen; dementsprechend sind
zwei Verfahren eröffnet worden. Beide Beschwerden haben dasselbe Urteil zum
Gegenstand, beziehen sich auf ein und denselben Sachverhalt und betreffen
dieselbe(n) Person(en); somit drängt sich die Vereinigung der beiden
Verfahren auf (vgl. BGE 113 Ia 161 E. 1 S. 162). Über die zwei Beschwerden
ist in einem Urteil zu befinden.

3.
3.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, wenn die behauptete
Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim
Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84
Abs. 2 OG; absolute Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde). Eine
Beschwerde an eine andere Bundesbehörde ist nicht gegeben; nebst der
staatsrechtlichen Beschwerde kommt als Rechtsmittel nur die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Betracht. Es ist - von Amtes wegen und frei
(BGE 126 I 81 E. 1 S. 83) - zu prüfen, ob die gleichzeitig erhobene
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist (vgl. BGE 127 II 161 E. 1 S. 164).

3.2
3.2.1Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei aus gegen
die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht
keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 ANAG entscheiden die zuständigen
Behörden, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem
Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und
Niederlassung. Es besteht damit grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung
oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, es sei denn, der Ausländer
oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich auf eine
Sondernorm des Bundesrechts (einschliesslich Bundesverfassungsrecht) oder
eines Staatsvertrages berufen (BGE 128 II 145 E. 111 S. 148; 127 II 161 E. 1a
S. 164 mit Hinweisen).

3.2.2 Der Beschwerdeführer kann aus keiner landesrechtlichen Norm einen
Bewilligungsanspruch ableiten.

Er will indessen einen Anspruch gestützt auf Art. 8 EMRK geltend machen,
soweit diese Norm das Recht auf Achtung des Familienlebens gewährleistet.
Dabei nimmt er unter Bezugnahme auf das Urteil BGE 121 I 267 E. 1 S. 268
offenbar an, Art. 8 EMRK verschaffe einem Ausländer immer dann einen
Bewilligungsanspruch, wenn seinen Familienangehörigen die Bewilligung erteilt
bzw. erneuert wurde. Dem ist nicht so. Voraussetzung für das Bestehen eines
Bewilligungsanspruchs ist, dass der Ausländer eine intakte, tatsächlich
gelebte Beziehung zu nahen Familienangehörigen hat, welche ihrerseits über
ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügen. Kein solches Anwesenheitsrecht
stellt nach konstanter Rechtsprechung die immer zeitlich befristete und der
jeweiligen Erneuerung nach freiem Ermessen bedürfende Aufenthaltsbewilligung
dar (BGE 126 II 377 E. 2b S. 382 ff., mit Hinweisen). Da die Ehefrau und die
Kinder des Beschwerdeführers ihrerseits bloss über eine befristete
Aufenthaltsbewilligung verfügen, auf deren Erneuerung sie keinen festen
Rechtsanspruch haben, entfällt Art. 8 EMRK unter dem Gesichtspunkt der
Garantie des Familienlebens als Anspruchsnorm. Nichts anderes gilt für Art.
14 BV.

Art. 8 EMRK verschaffte dem Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht etwa
insofern einen Bewilligungsanspruch, als er das Recht auf Achtung des
Privatlebens garantiert. Selbst bei unbescholtenem Verhalten genügen hierfür
eine langjährige Anwesenheit im Land und die damit verbundenen üblichen
privaten Beziehungen nicht (BGE 126 II 377 E. 2c S. 384 ff.). Vorausgesetzt
wäre eine besonders ausgeprägte Verwurzelung in der Schweiz, welche einen
Wegzug und ein Leben anderswo (etwa im Heimatland) als praktisch unmöglich
erscheinen liesse (u.a. Urteile des Bundesgerichts 2A.89/2003 vom 6. März
2003, E. 2.2; 2P.122/2002 vom 31. Mai 2002, E. 2.1.). Davon kann beim
Beschwerdeführer keine Rede sein (und so verhält es sich übrigens auch nicht
bei seinen Familienangehörigen).

Keine ausländerrechtlich relevanten Rechtsansprüche im Sinne von Art. 100
Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG lassen sich sodann aus Art. 11 BV ableiten (vgl. BGE
126 II 377 E. 5 S. 388 ff.).
3.2.3 Da der Beschwerdeführer unter keinem Titel einen Rechtsanspruch auf die
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung hat, ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig, und es ist darauf nicht
einzutreten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts kann einzig mit
staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden.

3.3 Gemäss Art. 88 OG steht das Recht zur staatsrechtlichen Beschwerde
Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu,
die sie durch allgemeinverbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse
oder Verfügungen erlitten haben.

Durch die Verweigerung einer Bewilligung, auf deren Erteilung oder Erneuerung
bzw. Verlängerung kein Rechtsanspruch besteht, erleidet der Ausländer keine
Rechtsverletzung. Er ist daher zur staatsrechtlichen Beschwerde insofern
nicht legitimiert, als er die materielle Bewilligungsfrage zum Gegenstand
seiner Rügen macht (BGE 126 I 81 E. 3b S. 85 ff., mit Hinweisen). Zur
staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist er hingegen, soweit er die
Verletzung von ihm im kantonalen Verfahren zustehenden Parteirechten rügt,
deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (sog.
"Star-Praxis", grundlegend: BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f.; vgl. auch BGE 126
I 81 E. 3b S. 86 sowie E. 7b S. 94). Nicht zu hören sind dabei aber Rügen,
die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des Bewilligungsentscheids
abzielen (soeben zitierte Urteile).

Der Beschwerdeführer hat keinen Rechtsanspruch auf Bewilligung. Er rügt den
angefochtenen Entscheid ausschliesslich hinsichtlich der
Sachverhaltsfeststellung und -würdigung bzw. in Bezug auf die von den
kantonalen Behörden vorgenommene Interessenabwägung. Im beschriebenen Sinn
qualifizierte, trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst zulässige
Verfahrensrügen erhebt und substantiiert er nicht. Er ist daher zur
staatsrechtlichen Beschwerde nicht legitimiert.

3.4 Nach dem Gesagten ist auf beide Beschwerden im vereinfachten Verfahren
(Art. 36a OG) nicht einzutreten.

4.
Mit dem vorliegenden Urteil werden die in beiden Verfahren gestellten Gesuche
um vorsorgliche Massnahmen bezüglich der Ausreiseverpflichtung bzw. um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Soweit darin auch Bezug genommen wird
auf die Verfügungen des Bundesamtes für Ausländerfragen betreffend Ausdehnung
der Wegweisungsverfügung und die Verhängung einer Einreisesperre, wäre das
Bundesgericht ohnehin nicht zuständig (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 1
und 4 OG). Es ist Sache der hiefür zuständigen Behörde, den Bedürfnissen des
nicht ausgewiesenen und nicht des Landes verwiesenen Beschwerdeführers und
seiner Familie nach Pflege der familiären Beziehungen Rechnung zu tragen.

5.
Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verfahren 2A.209/2003 und 2P.118/2003 werden vereinigt.

2.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde und auf die staatsrechtliche Beschwerde
wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Justiz- und Polizeidepartement
und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen sowie dem Bundesamt für
Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Mai 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: