Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2P.103/2003
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2P.103/2003 /leb

Urteil vom 2. Mai 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Müller, Merkli,
Gerichtsschreiber Häberli.

A. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Anwaltskammer des Kantons St. Gallen, Klosterhof 1, 9001 St. Gallen,
Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer,
Klosterhof 1, 9001 St. Gallen.

Art. 9 BV (Disziplinaraufsicht über die Rechtsanwälte; Wiederherstellung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts St. Gallen, III. Zivilkammer, vom

18. März 2003.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Rechtsanwalt A.________ wurde am 18. Januar 2000 vom Bezirksgericht
X.________ der Urkundenfälschung schuldig gesprochen und zu einer Haftstrafe
von 14 Tagen Gefängnis verurteilt, was das Bundesgericht am 13. November 2001
letztinstanzlich geschützt hat. Deswegen - sowie aufgrund der Tatsache, dass
er von einer Mandantin, welcher die unentgeltliche Prozessführung bewilligt
worden war, dennoch ein Honorar verlangt hatte - wurde er von der
Anwaltskammer des Kantons St. Gallen am 26. August 2002 für sechs Monate in
der Berufsausübung eingestellt. Hiergegen erhob A.________ Beschwerde an das
Kantonsgericht St. Gallen. Weil seine Eingabe verschiedene formelle Mängel
aufwies, gab ihm das Kantonsgericht bis zum 9. Dezember 2002 Gelegenheit, die
Beschwerde zu ergänzen bzw. zu verbessern; antragsgemäss wurde diese Frist
bis zum 15. Januar 2003 verlängert. Nachdem auch die Nachfrist ungenutzt
abgelaufen war, ersuchte A.________ am 27. Januar 2003 um Wiederherstellung,
weil er "gesundheitlich einige Tage ausgefallen sei" und so die Frist nicht
habe wahren können. Er reichte ein Arztzeugnis ein, welches ihm - ohne Angabe
von Gründen - bescheinigte, vom 14. bis zum 22. Januar 2003 gänzlich
arbeitsunfähig gewesen zu sein. Mit Schreiben vom 17. Februar 2003 forderte
das Kantonsgericht A.________ auf, innert zehn Tagen sein Gesuch näher zu
begründen sowie Beweismittel zu nennen. Nachdem A.________ darauf nicht
reagiert hatte, wies das Kantonsgericht das Wiederherstellungsgesuch ab und
trat auf die Beschwerde nicht ein (Entscheid vom 18. März 2003).

2.
Am 27. April 2003 hat A.________ beim Bundesgericht staatsrechtliche
Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben
und die Sache zur neuen Beurteilung an das Kantonsgericht St. Gallen,
eventuell die Anwaltskammer der Kantons St. Gallen zurückzuweisen.
Gleichzeitig ersuchte er darum, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zu erteilen sowie ihm die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren.

3.
Der Beschwerdeführer ist mit staatsrechtlicher Beschwerde an das
Bundesgericht gelangt. Diese ist nur zulässig, wenn nicht die eidgenössische
Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen steht (Art. 84 Abs. 2 OG). In der Sache
geht es um eine Disziplinarsanktion, für welche sich die Anwaltskammer (im
Grundsatz) auf das bestehende St. Galler Anwaltsgesetz vom 11. November 1993
gestützt hat. Am 1. Juni 2002 ist das Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die
Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) in
Kraft getreten; Streitigkeiten über dessen Anwendung unterliegen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (zur Publikation
bestimmtes Urteil 2P.6/2003 vom 2. April 2003, E. 1.1). Wieweit dies auch
gilt, wenn sich der zu beurteilende Sachverhalt vor Inkrafttreten des
eidgenössischen Anwaltsgesetzes ereignet hat, der Disziplinarentscheid aber
unter dessen Herrschaft erging, wurde im zitierten Urteil offen gelassen.
Diese Frage braucht auch hier nicht beantwortet zu werden.

3.1 Sowohl das Rechtsmittel der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbeschwerde
als auch jenes der staatsrechtlichen Beschwerde setzen voraus, dass vor der
Anrufung des Bundesgerichts der kantonale Instanzenzug erschöpft wird (Art.
98 lit. g bzw. Art. 86 Abs. 1 OG). Tritt die zuständige letzte kantonale
Instanz nicht auf das bei ihr eingelegte Rechtsmittel ein, weil sie dieses
als nicht formgültig betrachtet, so kann dieser Nichteintretensentscheid mit
eidgenössischer Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, wenn in der
Sache Bundesverwaltungsrecht zur Anwendung käme (BGE 127 II 264 E. 1a S. 267,
mit Hinweis). Die Handhabung des kantonalen Verfahrensrechts wird aber in
diesem Fall nur auf seine Bundesrechtskonformität hin, das heisst
insbesondere unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots, überprüft (vgl. BGE
118 Ia 8 E. 1b S. 10). Gleich verhält es sich im Ergebnis, wenn vorliegend -
wie der Beschwerdeführer annimmt - noch die staatsrechtliche Beschwerde
gegeben sein sollte: Auch diesfalls kann einzig gerügt werden, der
Nichteintretensentscheid des Kantonsgerichts verletze Verfassungsrecht bzw.
insbesondere das Willkürverbot (BGE 126 II 377 E. 8d S. 395, mit Hinweis).

3.2 Soweit der Beschwerdeführer entsprechende Rügen erhebt (ein wesentlicher
Teil seiner Ausführungen betrifft den hier nicht zu überprüfenden
erstinstanzlichen Entscheid der Anwaltskammer), dringt er damit nicht durch:
Zwar sieht Art. 85 Abs. 1 des St. Galler Gerichtsgesetzes vom 2. April 1987
vor, dass eine versäumte Frist wiederhergestellt wird, wenn der Betroffene
ein unverschuldetes Hindernis glaubhaft macht. Entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers verstösst es jedoch nicht gegen das Willkürverbot (Art. 9
BV; vgl. BGE 125 I 166 E. 2a S. 168, mit Hinweisen), wenn das Kantonsgericht
das blosse Einreichen eines unbegründeten Arztzeugnisses als nicht
ausreichend betrachtet, um ein unverschuldetes Hindernis glaubhaft zu machen.
Auch nach der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 35 OG führt nicht jede
krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ohne weiteres zur Wiederherstellung
einer versäumten Frist; vielmehr ist erforderlich, dass die Erkrankung den
Säumigen nicht nur davon abgehalten hat, selbst innert Frist zu handeln,
sondern dass dieser auch weder einen Dritten beauftragen noch eine
Fristerstreckung verlangen konnte (vgl. BGE 119 II 86 E. 2a S. 87 f.; 112 V
255 f.). Der Beschwerdeführer durfte sich demnach nicht darauf beschränken,
ein Arztzeugnis einzureichen, zumal für die Beurteilung seines
Wiederherstellungsgesuchs nähere Angaben über Art und Umfang seiner
gesundheitsbedingten Verhinderung unabdingbar waren. Im Übrigen trifft die
Behauptung des Beschwerdeführers nicht zu, dass das Gerichtsgesetz vom
Gesuchsteller keine näheren Angaben zum Verhinderungsgrund verlange.
Abgesehen davon, dass eine solche Regelung unsinnig wäre, ergibt sich aus dem
Gesetzestext klar, dass der Gesuchsteller die Wiederherstellungsgründe
darzulegen und zu beweisen hat (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 88 Abs.
2). Ferner ist nicht zu beanstanden, dass sich das Kantonsgericht zur
gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, dem Säumigen trotz leichten Verschuldens
die Wiederherstellung zu gewähren (vgl. Art. 85 Abs. 2 des Gerichtsgesetzes),
nicht geäussert hat. Weil der Beschwerdeführer die Umstände, welche zum
ungenutzten Verstreichen der Nachfrist geführt haben, nicht offen gelegt hat,
konnte es sich über sein allfälliges Verschulden kein Bild machen. Unter den
gegebenen Umständen ist auch nicht zu beanstanden, wenn es das Kantonsgericht
unterlassen hat, in Erfahrung zu bringen, ob der "Verfahrensgegner" (soweit
die Anwaltskammer als Vorinstanz überhaupt unter diesen Begriff fällt)
allenfalls einer Wiederherstellung zustimmen würde (vgl. Art. 85 Abs. 2 des
Gerichtsgesetzes).

3.3 Der Beschwerdeführer rügt schliesslich noch, er habe dem Kantonsgericht
am 28. Februar 2003 und mithin innert der am 17. Februar angesetzten
zehntägigen Frist eine "Stellungnahme bzw. Beschwerdeergänzung" eingereicht.
Damit widerspricht er der Darstellung im angefochtenen Entscheid, wonach er
sich bis zum 18. März 2003, als der Entscheid getroffen wurde, nicht hat
vernehmen lassen. Der Beschwerdeführer legt seiner Eingabe beim Bundesgericht
indessen weder die angeblich eingereichte Stellungnahme noch allfällige
Belege hierzu bei, weshalb seine (unbelegte) Behauptung die anders lautende
Feststellung des Kantonsgericht nicht zu erschüttern vermag.

4.
Es besteht bei diesen Gegebenheiten kein Anlass, die ausdrücklich als
staatsrechtliche Beschwerde bezeichnete Eingabe als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegen zu nehmen. Die Beschwerde ist so oder
anders offensichtlich unbegründet und im vereinfachten Verfahren nach Art.
36a OG abzuweisen, ohne dass Akten und Vernehmlassungen einzuholen sind. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl.
Art. 156 OG). Das für das bundesgerichtliche Verfahren gestellte Gesuch um
unentgeltliche Prozessführung ist abzuweisen, zumal die vorliegende
Beschwerde der erforderlichen Erfolgsaussicht entbehrte (vgl. Art. 152 Abs. 1
OG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der
Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 153a OG). Eine
Parteientschädigung ist nicht auszurichten (vgl. Art. 159 OG). Das ebenfalls
gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem vorliegenden Entscheid
hinfällig.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Anwaltskammer des Kantons St.
Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 2. Mai 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: