Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 83/2002
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P 83/02

Urteil vom 31. Januar 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Nussbaumer

Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdeführerin,

gegen

L.________, 1965, Beschwerdegegnerin, vertreten durch das Sozialamt Olten,
Stadthaus, Dornacherstrasse 1, 4603 Olten

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 8. Oktober 2002)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 28. September 2001 sprach die IV-Stelle des Kantons
Solothurn der in O.________ wohnhaft gewesenen L.________ mit Wirkung ab 1.
April 1998 eine ganze Invalidenrente nebst Zusatzrente für den Ehegatten und
eine Kinderrente zu. Per 30. September 2001 verlegte L.________ ihren
Wohnsitz nach U.________. Im Oktober 2001 und im Februar 2002 liess
L.________ bei der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn einen Antrag zum
Bezug einer Ergänzungsleistung zur Invalidenrente für die Zeit von April 1998
bis September 2001 einreichen. Mit Verfügung vom 17. April 2002 lehnte die
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn die Ausrichtung einer
Ergänzungsleistung bis Oktober 2001 mit der Begründung ab, der Kanton Bern
sei für die Ausrichtung der Ergänzungsleistung zuständig.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn mit Entscheid vom 8. Oktober 2002 gut, soweit es darauf eintrat,
und hob die angefochtene Kassenverfügung vom 17. April 2002 auf.

C.
Die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde
mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides.

Kantonales Gericht, die durch das Sozialamt Olten vertretene L.________ und
das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der Ergänzungsleistungen geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 17. April
2002) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im
vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen
anwendbar.

2.
2.1 Die Beschwerdegegnerin hatte ihren Wohnsitz unbestrittenermassen bis Ende
September 2001 in O.________ und von diesem Zeitpunkt an in U.________. Mit
Verfügung vom 28. September 2001 sprach ihr die IV-Stelle des Kantons
Solothurn rückwirkend ab 1. April 1998 Invalidenleistungen zu. Die Beschwerde
führende Ausgleichskasse bestreitet nun, dass sie für die Zeit vom 1. April
1998 bis 30. September 2001 zuständig für die Ausrichtung von
Ergänzungsleistungen ist. Sie stellt sich auf den Standpunkt, die
Zuständigkeit bestimme sich nach dem Zeitpunkt der Anmeldung zum Bezug von
Ergänzungsleistungen, welche im vorliegenden Fall unstreitig nach dem
Wohnsitzwechsel in den Kanton Bern erfolgt ist. Dieser Argumentation ist das
kantonale Gericht mit einleuchtenden Argumenten nicht gefolgt.

2.2 In Art. 1 Abs. 3 ELG ist das Wohnsitzprinzip festgelegt, wonach zuständig
für die Festsetzung und Auszahlung der Ergänzungsleistung derjenige Kanton
ist, in dem die anspruchsberechtigte Person ihren zivilrechtlichen Wohnsitz
hat. Diese Zuständigkeitsordnung, welche Ausdruck der kantonalen Unterschiede
bei der Existenzbedarfshöhe und der Finanzierung des Sozialwerkes ist (vgl.
Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 5 ELG und Übergangsbestimmungen BV zu Art. 112),
gilt auch im Falle rückwirkend zugesprochener AHV- oder IV-Renten, wenn im
fraglichen Zeitraum ein Wohnsitzwechsel (vgl. auch BGE 108 V 22 und 127 V
237) stattgefunden hat. Aus diesem Grund kann sich die Beschwerdeführerin
auch nicht auf die anderslautende Verwaltungspraxis bei den AHV/IV-Renten (Rz
2030 der Wegleitung des BSV über die Renten in der Eidgenössischen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung) berufen. Es ist zudem keine
Rechtsgrundlage ersichtlich, die im Falle der Nachzahlung ein Abweichen von
Art. 1 Abs. 3 ELG gestatten würde. So betrifft Art. 22 Abs. 1 ELV als
Spezialregelung zu Art. 21 Abs. 1 ELV (vgl. dazu BGE 126 V 299) lediglich den
Beginn des Leistungsanspruchs und nicht die örtliche Zuständigkeit.
Schliesslich weist das BSV in der Vernehmlassung zu Recht darauf hin, dass es
neben den Fällen der rückwirkenden Ausrichtung von Ergänzungsleistungen
infolge Rentennachzahlungen auch Fälle gibt, in denen die zuständige Behörde
eines Kantons längere Zeit benötigt, um die EL-Anmeldung zu bearbeiten. Wenn
während der Bearbeitungszeit ein Wohnsitzwechsel stattfindet, wäre es nicht
sachgerecht, wenn der neue Wohnsitzkanton auch für die frühere Zeitspanne die
Ergänzungsleistungen ausrichten müsste. Weder Gründe der Koordination mit der
AHV/IV noch der Verwaltungsökonomie vermögen daher ein gegenteiliges Ergebnis
zu rechtfertigen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 31. Januar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: