Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 65/2002
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P 65/02

Urteil vom 23. Januar 2003
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Hochuli

B.________, 1961, Beschwerdeführer,

gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St.
Gallen, Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 27. August 2002)

Sachverhalt:

A.
Der 1961 geborene B.________ ist (sowohl in der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung MINIMA als auch in der Krankenzusatzversicherung
COMPLETA TOP) bei der SWICA Krankenversicherung AG (nachfolgend: SWICA)
krankenversichert und bezieht Ergänzungsleistungen zu einer Invalidenrente.
Mit Verfügung vom 11. Oktober 2001 lehnte es die Sozialversicherungsanstalt
des Kantons St. Gallen (nachfolgend: SVA) ab, den geltend gemachten
Selbstbehalt von Fr. 701.65 an die - aus der Krankenzusatzversicherung
COMPLETA TOP durch die SWICA teilweise gedeckten - Kosten für eine ambulante
erfahrungsmedizinische Behandlung im Zentrum für Schulmedizin und
traditionelle chinesische Medizin des Prof. Dr. med. Y.________ (nachfolgend:
ZSCM) vom 4. Juli bis 11. August und vom 15. August bis 8. September 2001 zu
vergüten.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde des B.________, womit er sinngemäss
Ergänzungsleistungen zur Vergütung des durch die SWICA nicht gedeckten
Anteils an Krankheitskosten für die Akupunkturbehandlung beantragte, wies das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 27. August 2002
ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde hält B.________ an seinem vorinstanzlichen
Antrag fest.

Während die SVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über die vergütungsfähigen
Krankheits- und Behinderungskosten (Art. 3d Abs. 1 ELG), die Vergütung der
Kostenbeteiligung nach Art. 64 KVG (Art. 3d Abs. 1 lit. f. ELG, Art. 6 ELKV)
und die Kostenbeteiligung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
(Art. 64 Abs. 1 KVG) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen
zur Rechtsprechung, wonach die Aufzählung der vergütungsfähigen Krankheits-
und Behinderungskosten in Art. 3d Abs. 1 ELG abschliessend ist (Urteil Sch.
vom 6. Dezember 2001, P 36/01). Darauf wird verwiesen.

1.2 Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene
Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem
massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (vom 11. Oktober
2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die vom Versicherten geltend gemachten
Akupunkturkosten als Krankheitskosten im Sinne von Art. 3d ELG und der
entsprechenden Ausführungsbestimmungen zu vergüten sind.

3.
Die Vorinstanz erkannte richtig, dass es sich beim strittigen Kostenanteil
von Fr. 701.65, den die SWICA für die fragliche Behandlung im ZSCM in
Rechnung stellte, gemäss Leistungsabrechnung Nr. 36636874 um eine
Selbstbeteiligung des Versicherten an Leistungen aus der COMPLETA TOP
Krankenzusatzversicherung der SWICA handelte. Indes schenkten weder die SVA
noch das kantonale Gericht der Tatsache besondere Beachtung, dass der
Beschwerdeführer als - den angeblich vergütungsfähigen Krankheitskosten
zugrunde liegende - Krankenpflegeleistung stets eine Akupunkturbehandlung
geltend machte. Die Akupunktur gehört zu den komplementärmedizinischen
Krankenpflege-Pflichtleistungen, soweit sie durch Ärztinnen oder Ärzte
erbracht wird, deren Weiterbildung in dieser Disziplin durch die Verbindung
der Schweizer Ärzte (FMH) anerkannt ist (Ziff. 10 des Anhanges 1 zur
Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
[KLV; SR 832.112.31]). "Der Anhang 1 bezeichnet diejenigen Leistungen, die
nach Art. 33 Buchstaben a und b KVV [Verordnung über die Krankenversicherung;
SR 832.102] von der Leistungskommission geprüft wurden und deren Kosten von
der obligatorischen Krankenpflegeversicherung" übernommen (lit. a), unter
bestimmten Voraussetzungen übernommen (lit. b) oder nicht übernommen (lit. c)
werden (Art. 1 KLV). Ob die Voraussetzungen für die Kostenübernahme durch die
obligatorische Krankenpflegeversicherung in Bezug auf die vom
Beschwerdeführer zwischen 4. Juli und 11. August sowie 15. August bis 8.
September 2001 im ZSCM in Anspruch genommenen Leistungen erfüllt waren, lässt
sich auf Grund der vorliegenden Akten nicht schlüssig beurteilen. Sowohl die
SVA als auch die Vorinstanz unterliessen es, zu der sich aufdrängenden Frage
Stellung zu nehmen, weshalb die SWICA an die Kosten der Akupunkturbehandlung
als grundsätzliche Pflichtleistung der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung nur aus der Krankenzusatzversicherung COMPLETA TOP
Leistungen erbrachte. Die Leistungsabrechnung Nr. 36636874 der SWICA stellt
lediglich ein Indiz dar, welches darauf hindeutet, dass die fragliche
Behandlung nicht durch anerkannte Ärztinnen oder Ärzte erbracht worden sein
könnte oder es sich bei den fraglichen Leistungen - entgegen der Behauptung
des Versicherten - gar nicht um Akupunktur gehandelt hatte; zumindest finden
sich in der genannten Leistungsabrechnung keinerlei Hinweise zur tatsächlich
beanspruchten Krankenpflegeleistung. Die SVA wird durch geeignete Massnahmen
(z.B. anhand der vom Versicherten oder Leistungserbringer eingereichten
Rechnungsbelege) bei der SWICA abklären, welche effektiven Leistungen die
Abrechnung Nr. 36636874 zum Gegenstand hatte. Sollte es sich dabei um
Pflichtleistungen handeln, deren Kosten von der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind, so wäre dem Versicherten die
entsprechende Kostenbeteiligung nach Art. 64 KVG gestützt auf Art. 3d Abs. 1
lit. f ELG und Art. 6 ELKV durch die Ergänzungsleistungen zu vergüten. Die
SVA, an welche die Sache zu ergänzenden Abklärungen zurückzuweisen ist, wird
nach Massgabe der Abklärungsergebnisse über den geltend gemachten Anspruch
auf Vergütung der Krankheitskosten neu verfügen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 27. August
2002 und die Verfügung der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen
vom 11. Oktober 2001 aufgehoben werden und die Sache an die
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen zurückgewiesen wird, damit
sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch auf
Vergütung der Krankheitskosten durch Ergänzungsleistungen neu verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 23. Januar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: