Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 53/2002
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P 53/02

Urteil vom 11. Februar 2003
II. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber
Flückiger

G.________, 1956, Beschwerdeführerin,

gegen

Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt, Grenzacherstrasse 62, 4021 Basel,
Beschwerdegegner

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 18. April 2002)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 8. Juni 2001 lehnte es das Amt für Sozialbeiträge
Basel-Stadt (nachfolgend: ASB) ab, der 1956 geborenen G.________ über den 30.
Juni 2001 hinaus Ergänzungsleistungen zur Rente der Invalidenversicherung
auszurichten. Zur Begründung erklärte das ASB, G.________ habe ihren Wohnsitz
und gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Schweiz.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht
Basel-Stadt ab (Entscheid vom 18. April 2002).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt G.________ unter anderem die
Ausrichtung von Ergänzungsleistungen für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis 31.
März 2002.

Das ASB und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Gegenstand des kantonalen Rechtsmittelverfahrens und damit auch der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird durch die Verfügung vom 8. Juni 2001
bestimmt. Soweit die Beschwerdeführerin die Übernahme der Kosten einer
Zahnbehandlung beantragt, kann daher auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nicht eingetreten werden. Gleiches gilt bezüglich kantonaler Beihilfen,
welche mit der Verfügung vom 8. Juni 2001 ebenfalls mit Wirkung per 30. Juni
2001 eingestellt wurden, aber nicht auf Bundesrecht beruhen und deren
Verweigerung daher einer Anfechtung durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
zugänglich ist (Art. 128 OG in Verbindung mit Art. 97 OG und Art. 5 VwVG).

2.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der Ergänzungsleistungen geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 8. Juni
2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im
vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen
anwendbar.

3.
Schweizer Bürgern mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz,
welche eine der Voraussetzungen nach den Artikeln 2a-2d ELG erfüllen, ist ein
Anspruch auf Ergänzungsleistungen einzuräumen, wenn die anerkannten Ausgaben
(Art. 3b ELG) die anrechenbaren Einnahmen (Art. 3c ELG) übersteigen (Art. 2
Abs. 1 ELG). Im Rahmen des Ergänzungsleistungsrechts ist der Wohnsitz des
Zivilgesetzbuches massgebend, der sich an dem Ort befindet, wo sich eine
Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält und den sie zum
Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen gemacht hat, wobei es nach der
Rechtsprechung nicht auf den inneren Willen, sondern darauf ankommt, auf
welche Absicht die erkennbaren Umstände objektiv schliessen lassen (BGE 127 V
238 Erw. 1 mit Hinweisen). Elemente des "gewöhnlichen Aufenthalts" sind der
tatsächliche Aufenthalt in der Schweiz und der Wille, diesen Aufenthalt
aufrechtzuerhalten; zusätzlich muss sich der Schwerpunkt aller Beziehungen in
der Schweiz befinden (BGE 119 V 108 Erw. 6c mit Hinweisen).

4.
4.1 Streitig und zu prüfen ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf
Ergänzungsleistungen zur Rente der Invalidenversicherung für die Zeit ab 1.
Juli 2001 und in diesem Rahmen die Anspruchsvoraussetzung des Wohnsitzes und
gewöhnlichen Aufenthalts in der Schweiz.

4.2 Den Akten ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin ab 1. Mai 1996
eine 3-Zimmer-Wohnung, anschliessend ab 1. August 1998 eine 2-Zimmer-Wohnung
in X.________ gemietet hatte. Mit Schreiben vom 10. November 2000 teilte sie
dem ASB mit, sie habe ab 19. November 2000 eine neue Adresse (M.________,
X.________) und eine neue Telefonnummer. Laut dem Mietvertrag vom 3. Oktober
2000 handelt es sich um eine 1 ½-Zimmer-Wohnung. In der Folge wurden an diese
neue Adresse gerichtete Postsendungen (Verfügung vom 27. November 2000;
Schreiben des ASB vom 2. und 11. Januar 2001) mit dem Vermerk "unbekannt"
retourniert. Erkundigungen des Amtes ergaben, dass die Post bereits seit 13.
September 2000 nach W.________/D umgeleitet wurde. Die Korrespondenz für das
Postkonto war Ende 2000 ebenfalls an diese Anschrift adressiert. Im Verlauf
der daraufhin durch die Verwaltung veranlassten polizeilichen Abklärungen
erklärte die Hauswartin anlässlich einer Befragung Anfang Mai 2001 unter
anderem, die Beschwerdeführerin sei von einer Mieterin als Mitbewohnerin
bezeichnet worden; sie habe sie jedoch erst einmal gesehen. Der
Hausverwaltung war die Beschwerdeführerin gemäss den durch die Polizei
eingeholten Angaben nicht bekannt.

Die Beschwerdeführerin legte in der vorinstanzlichen Beschwerdeschrift vom 2.
Juli 2001 dar, sie habe auf Grund einer neuen Beziehung vermehrt Zeit in
W.________/D verbracht. Zunächst seien sie und ihre Partnerin zwischen
W.________ und X.________ gependelt. In der Folge habe sie, die
Beschwerdeführerin, beschlossen, das Zusammenleben in W.________ für jeweils
zwei bis drei Monate auszuprobieren, ohne jedoch in X.________ alles
aufzugeben. Sie habe deshalb ihre bisherige Wohnung in X.________ gekündigt,
aber eine Bekannte in X.________ gefragt, ob sie ihr einen Teil ihrer Wohnung
als Rückzugsmöglichkeit zur Verfügung stellen könne. Das Untermietverhältnis
sei dem Vermieter telefonisch gemeldet worden. Der Einfachheit halber und aus
Kostengründen habe sie in der Adressänderungsanzeige bei der Post die
Anschrift in W.________ angegeben. Sie werde nun früher als geplant, d. h. in
den nächsten Wochen, in Deutschland eine Aufenthaltsbewilligung beantragen.

4.3 Die erwähnten Aussagen vermitteln den deutlichen Eindruck, dass sich die
Beschwerdeführerin auf Grund einer neuen Beziehung nach anfänglichem Pendeln
zwischen den beiden Wohnorten ungefähr ab Herbst 2000 mehrheitlich in
W.________/D aufhielt. In diesem Zusammenhang liess sie die Post nach
W.________ umleiten, kündigte ihre bisherige Wohnung in X.________ und
beschränkte sich dort auf die Beibehaltung eines Zimmers in Untermiete zu
einem wesentlich tieferen Mietzins. In der Umgebung der Wohnung in X.________
wurde sie kaum je angetroffen. Nach ihren eigenen Angaben diente die Miete
des Zimmers denn auch in erster Linie der Schaffung einer
Rückzugsmöglichkeit. Unter diesen Umständen ist mit Verwaltung und Vorinstanz
davon auszugehen, dass sich der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin im
Juni 2001 nicht mehr in der Schweiz, sondern in W.________/D befand, wo sie
mit ihrer Partnerin zusammenlebte. Damit stimmt die Aussage in der
vorinstanzlichen Beschwerdeschrift vom 2. Juli 2001 überein, die
Beschwerdeführerin werde in den nächsten Wochen eine Aufenthaltsbewilligung
in Deutschland beantragen. An der Verlegung des Wohnsitzes und des
gewöhnlichen Aufenthalts ändert der Vorbehalt einer Rückkehrmöglichkeit
ebenso wenig wie die Pflege persönlicher Kontakte in der Schweiz. Das ASB hat
demnach mit der Verfügung vom 8. Juni 2001 zu Recht die
Anspruchsvoraussetzung des Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts in der
Schweiz verneint und die Ergänzungsleistungen auf das Ende dieses Monats
eingestellt.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 11. Februar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Vorsitzende der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: