Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 47/2002
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P 47/02

Urteil vom 31. Januar 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber
Nussbaumer

W.________ , Beschwerdeführer,

gegen

1. Gemeinde X.________,

2. Bezirksrat Y.________,
Beschwerdegegner

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 24. Mai 2002)

Sachverhalt:

A.
W. ________  (geboren 1941) bezieht seit 1. Juli 2000 eine ganze
Invalidenrente. Am 8. Juli 2000 meldete er sich zum Bezug von
Ergänzungsleistungen an. Nach Abklärung der finanziellen Verhältnisse wies
die Verwaltungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Gemeinde X.________
das Gesuch mit Verfügung vom 22. September 2000 ab, wobei sie ihrer
Berechnung ein Vermögen von Fr. 105'302.- zu Grunde legte und einen Abzug für
Mietzinskosten nicht zuliess. Die daraufhin eingereichte Einsprache wies der
Bezirksrat Y.________  mit Entscheid vom 2. November 2000 ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 24. Mai 2002 hinsichtlich des
Mietzinskostenabzuges gut und wies die Sache an die Verwaltung zur
Neuberechnung der Zusatzleistungen zurück.

C.
W.________  führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, bei der
Berechnung der Ergänzungsleistungen sei kein Vermögen anzurechnen.

Die Verwaltungsstelle für Zusatzleistungen der Gemeinde X.________  schliesst
auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die beiden Vorinstanzen und
das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das kantonale Gericht hat die massgebenden Bestimmungen für den Anspruch
auf Ergänzungsleistungen zur AHV/IV (Art. 2 und 2c ELG) und deren Berechnung
(Art. 3a ELG) sowie die dabei zu berücksichtigenden Ausgaben und Einnahmen
(Art. 3b und 3c ELG), insbesondere die Berücksichtigung von Vermögen, auf das
verzichtet worden ist (Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG), zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (hier: 22. September 2000) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

1.2 Die Ergänzungsleistungen werden grundsätzlich jährlich ausgerichtet (Art.
3a Abs. 1 ELG). Basis ist das Kalenderjahr (Art. 3a Abs. 2 ELG). Für die
Bemessung der Ergänzungsleistungen sind in der Regel die während des
vorausgegangenen Kalenderjahres erzielten anrechenbaren Einnahmen sowie das
am 1. Januar des Bezugsjahres vorhandene Vermögen massgeblich (Art. 23 Abs. 1
ELV; BGE 128 V 40 Erw. 3b mit Hinweis). Kann die gesuchstellende Person bei
einer Neuanmeldung glaubhaft machen, dass zu diesem Zeitpunkt ein wesentlich
geringeres Vermögen als gegenüber dem vorangehenden 1. Januar vorhanden ist ,
so ist auf das Vermögen im Zeitpunkt des Anspruchsbeginns abzustellen (Art.
23 Abs. 4 ELV; Carigiet/Koch, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, Supplement, S.
99).

2.
Streitig ist im letztinstanzlichen Verfahren nur noch, ob dem
Beschwerdeführer bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen neben dem
Sparkontoguthaben von Fr. 302.- noch ein zusätzliches Vermögen von Fr.
105'000.- anzurechnen ist.

2.1 Aus den Akten geht hervor und wird vom Beschwerdeführer auch nicht
bestritten, dass er bei S.________  seit September 1997 Fr. 105'000.- in Form
eines ungesicherten Darlehens investiert hat. Dieses Darlehen hat er im
Januar 2000 gekündigt, wegen der Kosten aber von einer Betreibung abgesehen.
Das Darlehen ist am 24. Mai 2000 auf Betreibung der geschiedenen Ehefrau hin
gepfändet worden (Beschluss des Bezirksgerichts Y.________  vom 13. Dezember
2000) und zudem vom Beschwerdeführer für die unentgeltliche Rechtspflege im
Verfahren zur Abänderung des Scheidungsurteils teilweise an den Kanton Zürich
zediert worden (Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 9. Mai
2001). Im letzteren Verfahren wurde S.________  unter Hinweis auf Art. 307
StGB als Zeuge einvernommen. Dabei sagte er aus, das Darlehen sei spätestens
zurückzubezahlen, wenn der Beschwerdeführer 65 Jahre alt sei. Als Zinszahlung
sei 5% vereinbart worden, wobei der Zins bis zur Auszahlung aufgerechnet
werde. Das Geld sei nicht mehr vorhanden, da es investiert worden sei. Der
Beschwerdeführer habe das Darlehen gekündigt. Er - der Zeuge - sei nicht in
der Lage, dieses Geld zurück zu zahlen, solange die GmbH noch nicht gegründet
sei und nicht genügend Kapital zur Verfügung stehe.

2.2 Die Beschwerdegegnerin hat das erwähnte Darlehen als Vermögen (Art. 3c
Abs. 1 lit. c ELG) betrachtet. Das kantonale Gericht ging in Einklang mit dem
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Dezember 2001
betreffend Sozialhilfe davon aus, der Beschwerdeführer hätte mit raschem
Handeln einen Teil des Geldes von S.________  wieder herausbekommen können.
Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sei somit davon auszugehen, dass der
Beschwerdeführer auf ihm zustehende Vermögenswerte im Sinne von Art. 3c Abs.
1 lit. g ELG verzichtet habe. Angesichts dieser Sachlage sei nicht zu
beanstanden, dass die Verwaltung von einem anzurechnenden Vermögen in der
Höhe von Fr. 105'000.- (recte: Fr. 105'302.-) ausging und das Vermögen somit
auf insgesamt Fr. 80'302.- (Fr. 302.- + Fr. 105'302.-  - Vermögensfreigrenze
von Fr. 25'000.-) bezifferte.

2.3 Aus den Akten geht hervor, dass das erwähnte Darlehen vor der Anmeldung
zum Bezug von Ergänzungsleistungen am 24. Mai 2000 auf Betreibung der
geschiedenen Ehefrau hin gepfändet worden ist. Unklar ist, welchen Betrag die
frühere Ehefrau in Betreibung gesetzt hat. Es ist jedoch glaubhaft, dass sich
aus diesem Grund das Vermögen des Beschwerdeführers seit dem 1. Januar 2000
weiter vermindert hat, so dass auf die Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt des
Beginns allfälliger Ergänzungsleistungen am 1. Juli 2000 abzustellen ist. Aus
der Zeugenaussage des S.________  ergibt sich ferner, dass dieser das
Darlehen nach Erhalt im Jahre 1997 für seine Geschäfte investiert hat und er
nicht in der Lage ist, nach der Kündigung des Darlehens im Januar 2000 dieses
zurückzubezahlen. Gestützt darauf ist davon auszugehen, dass das Darlehen im
Zeitpunkt der Anmeldung zum ELBBezug realistischerweise wertlos ist und dem
Beschwerdeführer nicht in der von der Rechtsprechung geforderten Weise (vgl.
BGE 110 V 21 Erw. 3) als praktisch vorhanden und rechtlich ungeschmälert zur
Verfügung steht.
Es stellt sich daher die Frage, ob die Darlehenshingabe als Verzichtsvermögen
im Sinne von Art. 3c Abs. 1 lit g ELG zu betrachten ist. Entgegen der
Auffassung des kantonalen Gerichts kann der Umstand, dass der
Beschwerdeführer das Darlehen nur zögerlich zurückgefordert hat, nicht als
Verzichtstatbestand qualifiziert werden. Aufgrund der Zeugenbefragung des
S.________  ist anzunehmen, dass dieser das Darlehen nach dessen Erhalt im
Jahre 1997 verbraucht hat. Es ergeben sich aus den Akten keine Anhaltspunkte
dafür, dass bei einer früheren Kündigung des Darlehens dieses ganz oder
teilweise zurückbezahlt hätte werden können. Es fragt sich einzig, ob die
Gewährung eines ungesicherten Dahrlehens im Jahre 1997 als Vermögensverzicht
betrachtet werden kann. Dies ist zu verneinen, da das Darlehen nicht ohne
Gegenleistung, sondern mit einem Zins von 5% gewährt worden ist. Weiteres
Verzichtsvermögen ist aus den Akten nicht ersichtlich. Zwar hat der
Beschwerdeführer bei seinem Austritt aus der Pensionskasse einen Anspruch auf
Freizügigkeitsleistung in Höhe von Fr. 387'546.- erworben. Davon gingen
jedoch Fr. 116'808.- gemäss Scheidungsurteil auf ein Freizügigkeitskonto
seiner Ehefrau. Ferner überwies die Pensionskasse dem Betreibungsamt Fr.
97'266.55. Bar ausbezahlt wurden dem Beschwerdeführer daher von der
Pensionskasse lediglich noch Fr. 173'471.45 (vgl. auch das Urteil des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 5. März 2001, B 93/00). Davon hat
der Beschwerdeführer den Betrag von Fr. 60'000.- an S.________ für die Miete
eines Lokals im Voraus für die Dauer von zehn Jahren bezahlt. Auch für diese
Zahlung hat der Beschwerdeführer einen Gegenwert erhalten.

2.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer weder das
Darlehen von Fr. 105'000.- noch ein Verzichtsvermögen angerechnet werden
darf. Die Verwaltung wird daher den Anspruch auf Ergänzungsleistungen unter
Berücksichtigung der vom kantonalen Gericht erwähnten Mietkosten von Fr.
12'000.- und ohne Berücksichtigung des Darlehens von Fr. 105'000.- oder von
Verzichtsvermögen berechnen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 24. Mai 2000 dahingehend
abgeändert, dass die Beschwerdegegnerin bei der Berechnung der
Ergänzungsleistungen weder das Darlehen noch Verzichtsvermögen
berücksichtigen darf und die Berechnung im Sinne der Erwägungen vorzunehmen
hat.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 31. Januar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: