Sozialrechtliche Abteilungen P 34/2002
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P 34/02 Bh IV. Kammer Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und nebenamt- licher Richter Maeschi; Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke Urteil vom 12. September 2002 in Sachen H.________, 1934, Beschwerdeführerin, gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin, und Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern A.- H.________, geboren 1934, meldete sich am 7. Juni 2000 zum Bezug von Ergänzungsleistungen zur Rente der AHV an. Mit Verfügung vom 4. Oktober 2000 lehnte die Aus- gleichskasse des Kantons Bern das Begehren ab, weil die anrechenbaren Einnahmen die anerkannten Ausgaben um Fr. 20'169.- überstiegen. Dabei berücksichtigte sie, dass die Versicherte zusammen mit ihrer Schwester S.________ Miteigentümerin zur Hälfte an zwei Liegenschaften in A.________ und B.________ war. Während sie den Liegen- schaftsanteil in B.________ als landwirtschaftliches Grundstück zum Steuerwert einsetzte, erfasste die Kasse den Miteigentumsanteil an der Liegenschaft in A.________ als nicht landwirtschaftliches Grundstück mit dem Repartitions- wert von 270 % des Steuerwertes. Ferner stellte sie eine Rentenleistung seitens der Schwester von Fr. 500.- im Monat in Rechnung. Auf ein Wiedererwägungsgesuch vom 25. Oktober 2000 nahm sie eine Neuberechnung der Ergänzungsleistung vor, wobei sie den hälftigen Liegenschaftsanteil in A.________ nunmehr als landwirtschaftliche Liegenschaft zum Steuerwert anrechnete und einen Einnahmenüberschuss von noch Fr. 3781.- ermittelte. Dementsprechend hielt sie mit Verfügung vom 15. November 2000 an der Ablehnung des Leis- tungsanspruchs ab 1. Juni 2000 fest. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher H.________ die Anrechnung höherer Gebäudeunterhaltskosten und die Nichtanrechnung der Rentenleistungen seitens ihrer Schwester beantragte, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 2. April 2002 ab. C.- H.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde sinngemäss mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des an- gefochtenen Entscheids und der Verwaltungsverfügung vom 15. November 2000 sei ihr ab 1. Juni 2000 eine Ergänzungs- leistung zuzusprechen. Zur Begründung wird vorgebracht, der Liegenschaftsanteil in B.________ sei als landwirtschaftli- ches Grundstück zu bewerten, bei den Gebäudeunterhalts- kosten seien die ausgewiesenen Kosten zu berücksichtigen und es seien keine Rentenzahlungen seitens der Schwester in die Berechnung einzubeziehen. Die Ausgleichskasse des Kantons Bern beantragt Abwei- sung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- Im vorinstanzlichen Entscheid werden die für den Anspruch auf Ergänzungsleistungen geltenden Bestimmungen zutreffend dargelegt, sodass darauf verwiesen werden kann. 2.- a) Die Beschwerdeführerin bringt vor, bei der Lie- genschaft in B.________ (Parzelle X.________) handle es sich um ein unüberbautes und derzeit unverkäufliches land- wirtschaftliches Grundstück, welches nicht zum Reparti- tionswert angerechnet werden dürfe. Verwaltung und Vor- instanz gehen indessen zu Recht davon aus, dass es sich bei der fraglichen Parzelle um eine Liegenschaft handelt, wel- che zum Repartitionswert anzurechnen ist, wobei der für landwirtschaftliche Liegenschaften geltende Ansatz von 100 % des Steuerwertes massgebend ist (Art. 17 Abs. 6 ELV und Kreisschreiben des Vorstandes der Schweizer Steuer- konferenz für die Bewertung der Grundstücke bei der interkantonalen Steuerausscheidung in der Steuerperiode 1999/2000 vom 11. Dezember 1998). Unerheblich für die Anrechnung zum Steuerwert ist, dass es sich um eine unüber- baute Parzelle handelt und eine richterliche Pachter- streckung bis 31. März 2005 verfügt worden ist. b) Was die geltend gemachten Gebäudeunterhaltskosten betrifft, ist auf Art. 16 Abs. 1 ELV hinzuweisen, wonach der für die direkte kantonale Steuer im Wohnsitzkanton an- wendbare Pauschalabzug gilt. Daraus ergibt sich zum einen, dass nicht auf die am Ort der gelegenen Sache, sondern auf die am Wohnsitzkanton geltenden Regeln abgestellt wird. Zum andern folgt aus der Bestimmung, dass nicht die effektiven Kosten, sondern die nach dem kantonalen Steuerrecht zuläs- sigen Pauschalen abzugsberechtigt sind, was auch dann zu gelten hat, wenn das kantonale Steuerrecht die Wahl zwi- schen dem Pauschalabzug und dem Abzug der effektiven Unter- haltskosten vorsieht (zur Gesetzmässigkeit von Art. 16 ELV in der bis Ende 1991 gültig gewesenen Fassung vgl. ZAK 1987 S. 309). 3.- a) Hinsichtlich der in der EL-Berechnung berück- sichtigten Leistungen der Schwester geht aus den Akten her- vor, dass sich S.________ mit Vertrag vom 5. Januar 1999 verpflichtet hat, der Beschwerdeführerin rückwirkend ab 1. Januar 1996 eine Rente von Fr. 500.- im Monat auszu- richten. Der Vertrag ist nicht befristet und enthält die Feststellung, dass die Rentenzahlung nicht auf einer Unter- haltspflicht beruht, sondern in Anerkennung der jahrelangen Arbeitsleistung auf dem Landwirtschaftsbetrieb erfolgt. Der Vertrag hat den Charakter eines Leibrentenversprechens, welches bei fehlender gegenteiliger Abrede für die Lebens- zeit des Rentengläubigers Geltung hat (Art. 516 OR). EL- rechtlich handelt es sich um eine nach Art. 3c Abs. 1 lit. d ELG anrechenbare wiederkehrende Leistung. Eine Aus- nahme von der Anrechenbarkeit nach Art. 3c Abs. 2 ELG ist nicht gegeben. Insbesondere geht es weder um eine Verwand- tenunterstützung nach Art. 328 ff. ZGB im Sinne von lit. a dieser Bestimmung, wie im Vertrag implizit festgehalten wird, noch um eine Leistung mit ausgesprochenem Fürsorge- charakter gemäss lit. c der Bestimmung, weil die Leistung - entgegen der Bestätigung der Schwester vom 25. Oktober 2000 - nicht freiwillig und auf Zusehen hin erbracht und auch nicht periodisch der Hilfsbedürftigkeit angepasst wird (vgl. BGE 116 V 330). Die Anrechnung der Rentenzahlung, welche in Abgeltung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin auf dem im Miteigentum stehenden Landwirtschaftsbetrieb er- folgte, besteht damit grundsätzlich zu Recht. b) In der erstinstanzlichen Beschwerde machte die Be- schwerdeführerin geltend, die Schwester habe die Leistungen anfangs 2000 eingestellt, weil sie "mit ihren monatlichen Zahlungen während vier Jahren ihre Schuld per Dezember 1999 getilgt hat". Auf die Feststellung der Vorinstanz, wonach für diese nachträgliche Behauptung keine Anhaltspunkte be- stünden und die Versicherte im massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses nach wie vor einen rechtlich durchsetz- baren Anspruch auf den monatlich auszurichtenden Rentenbe- trag von Fr. 500.- gehabt habe, reicht die Beschwerdefüh- rerin mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine von den Vertragspartnern unterzeichnete Bestätigung vom 6. Mai 2002 des Inhalts ein, dass der Vertrag im gegenseitigen Einver- ständnis seit 1. Januar 2000 aufgelöst sei, "da die geleis- teten Arbeiten abbezahlt worden sind". Hiezu ist zunächst festzustellen, dass der Leibrentenvertrag der Schriftform bedarf (Art. 517 OR), jedoch durch formlose Übereinkunft aufgehoben werden kann (Art. 115 OR; Bauer, Basler Kommen- tar, N 2 zu Art. 517 OR). Die geltend gemachte einvernehm- liche Auflösung des Vertrags ist daher grundsätzlich als zulässig zu erachten. Die vorgebrachte Begründung steht al- lerdings im Widerspruch zu den Angaben der Schwester der Beschwerdeführerin im Schreiben vom 25. Oktober 2000, wo- nach die Einstellung der Leistungen wegen finanzieller Schwierigkeiten der Schuldnerin erfolgte. Dazu kommt, dass sich weder aus dem Vertrag noch aus dem Schreiben der Schwester Anhaltspunkte für die von der Beschwerdeführerin behauptete sachliche Befristung ergeben. Mangels Nachweises eines entsprechenden Vertragswillens und einer stillschwei- genden Vertragsauflösung per Ende 1999 ist davon auszuge- hen, dass die Beschwerdeführerin auf Grund des Vertrages vom 5. Januar 1999 jedenfalls bis zur gemeinsamen Erklärung vom 6. Mai 2002 Anspruch auf die vertragliche Leistung hatte. Ob sie deshalb im Sinne von Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG auf Einkünfte verzichtet hat, lässt sich auf Grund der Akten jedoch nicht beurteilen und bedarf ergänzender Abklä- rungen. Die Ausgleichskasse, an welche die Sache zurückzu- weisen ist, wird näher zu prüfen haben, ob die vertraglich vereinbarte Leistung für die Beschwerdeführerin noch ein- bringlich war und ob gegebenenfalls von ihr nach den gesam- ten Umständen erwartet werden durfte, dass sie ihre Rechts- ansprüche gegenüber der Schwester durchsetzte. Die Be- schwerdeführerin wird im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht insbesondere nachzuweisen haben, dass sie ab Anfang 2000 effektiv keine Rentenzahlungen mehr bezogen hat. Alsdann wird nach Massgabe der anwendbaren Beweisregeln (BGE 121 V 208 Erw. 6) über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen für die Zeit ab 1. Juni 2000 neu zu befinden sein. Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungs- gerichts des Kantons Bern vom 2. April 2002 und die Verfügung der Ausgleichskasse des Kantons Bern vom 15. November 2000 aufgehoben werden und die Sache an die Ausgleichskasse des Kantons Bern zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch auf Ergänzungsleistung neu verfüge. II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. Luzern, 12. September 2002 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: