Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 2/2002
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P 2/02

Urteil vom 23. September 2003
II. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber
Grünvogel

E.________, 1937, Beschwerdeführerin, vertreten durch Urs Schönenberg,
Eigasse 18, 4622 Egerkingen,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 20. Dezember 2001)

Sachverhalt:

A.
Nach einem mehrjährigen Auslandaufenthalt meldete sich die 1939 geborene
E.________ bei der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn im März 2001 zum
EL-Leistungsbezug an. Die Kasse prüfte die Anspruchsvoraussetzungen und
sprach E.________ mit Verfügung vom 6. September 2001 ab 1. April 2001
Ergänzungsleistungen zur Altersrente in der Höhe von monatlich Fr. 291.- zu.
Die Nachzahlung verrechnete die Kasse mit ausstehenden Rückforderungen.

B.
Dagegen erhob E.________ Beschwerde, welche das Versicherungsgericht des
Kantons Solothurn mit Entscheid vom 20. Dezember 2001 abwies.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt E.________ beantragen, in Aufhebung
des vorinstanzlichen Entscheides und der Verfügung vom 6. September 2001 sei
bei der EL-Berechnung der hälftige Mietzins der gemeinsam mit ihrem
Lebenspartner bewohnten Wohnung mit zu berücksichtigen.

Während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet, schliesst die Kasse auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Während die Verrechnung der Nachzahlungsbeträge mit der ausstehenden
Rückforderung nicht bestritten ist, sind sich die Parteien über die
Anrechnung des geltend gemachten hälftigen Mietzinses uneinig.

2.
2.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die bei der Berechnung der Höhe
der jährlichen Ergänzungsleistungen als Abzug zugelassenen Mietzinskosten,
inkl. Nebenkosten, zutreffend dargelegt. Danach ist gemäss Art. 16c ELV u.a.
der Mietzins auf einzelne Personen aufzuteilen, wenn Wohnungen oder
Einfamilienhäuser auch von Personen bewohnt werden, welche nicht in die
EL-Berechnung eingeschlossen sind; die Mietzinsanteile der Personen, welche
nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind, werden bei der Berechnung der
jährlichen Ergänzungsleistungen ausser Betracht gelassen. Gemäss Abs. 2
dieser Verordnungsbestimmung hat die Aufteilung grundsätzlich zu gleichen
Teilen zu erfolgen. Eine Abweichen von dieser, die indirekte Mitfinanzierung
von Personen, die nicht in die Ergänzungsleistungsrechnung eingeschlossen
sind, auf eine sachlich begründete, praktikable Weise verhindernden
Grundregel ist nur in engen Grenzen zugelassen. So vor allem wenn die
Aufteilung des Gesamtmietzinses nach Köpfen im Einzelfall zu einem stossenden
Ergebnis führen würde (vgl. BGE 127 V 16 Erw. 5d; AHI 1998 S. 34).

2.2 Die Rechtsprechung hat Art. 16c ELV auch für jene Fälle für sinngemäss
anwendbar erklärt, in denen die an einer Wohn- oder Hausgemeinschaft
Beteiligten in einer Liegenschaft wohnen, die im Eigentum eines Wohnpartners
steht und somit gesamthaft kein Mietzins zu leisten ist.

2.2.1 Dabei ist dann, wenn unter den an der Gemeinschaft Beteiligten kein
Mietzins vereinbart ist, vom Mietwert der Liegenschaft auszugehen, wie er
sich nach den Grundsätzen der Gesetzgebung über die direkte kantonale Steuer
im Wohnsitzkanton, bei deren Fehlen nach denjenigen über die direkte
Bundessteuer ergibt (vgl. Art. 12 ELV). Der für die Berechnung der
Ergänzungsleistungen massgebende Mietwert ist alsdann nach Massgabe der an
der Wohn- und Hausgemeinschaft Beteiligten in analoger Anwendung von Art. 16c
Abs. 2 ELV anteilsmässig festzusetzen (Urteil T. vom 30. März 2001, P 2/01,
Erw. 3a mit Hinweisen).

2.2.2 Besteht aber zwischen dem EL-Ansprecher und allenfalls weiteren
Mitbewohnern einerseits und dem Haus- oder Wohnungseigentümer andererseits
ein Mietvertrag für die Mitbenutzung der Liegenschaft, gilt es dem Vertrag
Rechnung zu tragen. Allerdings darf dabei die Missbrauchsgefahr, den
Existenzbedarf eines Wohnpartners durch Vereinbarung nicht marktkonformer
Wohnkosten willkürlich zu erhöhen, nicht ausser Acht gelassen werden. Deshalb
gilt der vertraglich vereinbarte Mietzins als massgebend, sofern er auch
tatsächlich geleistet wird und nicht als offensichtlich übersetzt erscheint.
Anderenfalls ist wie in Erw. 2.2.1 hiervor geschildert vorzugehen (Urteil T.
vom 30. März 2001, P 2/01, Erw. 3a mit Hinweisen).

3.
Gemäss der von der Beschwerdegegnerin bei der Einwohnergemeinde X.________ in
Auftrag gebenen Abklärung vom 16. August 2001 bezog die EL-Ansprecherin am 1.
April 2001 gemeinsam mit ihrem Lebenspartner von Frankreich herkommend ein
Mietobjekt und wohnte darin auch tatsächlich, womit Art. 16c ELV direkte
Anwendung findet. In diesem Zusammenhang ohne Bedeutung ist, dass der
Mietvertrag ausschliesslich zwischen dem Lebenspartner und dem Vermieter
abgeschlossen worden ist und die Beschwerdeführerin dies bei der EL-Anmeldung
durch einseitiges Hinzufügen ihres Namens und ihrer Unterschrift auf den
Vertrag zu verschleiern versuchte (vgl. BGE 127 V 17 Erw. 6c; ZAK 1974 S. 556
Erw. 2).

4.
Die Vorinstanz sah richtigerweise keine Gründe, um vom Grundsatz der
anteilsmässigen Aufteilung des Mietzinses gemäss Art. 16c Abs. 2 ELV
abzuweichen. Indessen verweigerte sie die Anrechnung des hälftigen
Mietzinsanteils, weil die Beschwerdeführerin tatsächlich nie einen solchen
bezahlt habe. Dem hält die EL-Ansprecherin entgegen, es bestünde eine
Vereinbarung mit dem Lebenspartner, die Hälfte der Mietkosten zu übernehmen;
allerdings müsse sie diese erst nach Erhalt der entsprechenden EL-Gelder
ausgleichen.

4.1 Die Vorinstanz übersieht, dass selbst in jenen Fällen, in denen die
EL-Ansprecherin den Mietzins nicht mitträgt - etwa weil ein Dritter ihren
Anteil übernimmt -, bei der EL-Berechnung ein anteilsmässiger Mietzins gemäss
Art. 16c Abs. 2 ELG als Ausgabe anzurechnen ist (ZAK 1974 S. 556 Erw. 2; Rz.
3024 der vom Bundesamt für Sozialversicherung herausgegebenen Wegleitung über
die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV [WEL]). Etwas anderes lässt sich dem
vom kantonalen Gericht in diesem Zusammenhang angerufenen Urteil M. vom 9.
November 2001, P 60/99, nicht entnehmen: Dort wird einzig festgehalten, unter
welchen Voraussetzungen bei gemeinsamem Wohnen von der Regel der
anteilsmässigen Aufteilung gemäss Art. 16c Abs. 2 ELV abgewichen werden darf
(dazu Erw. 2 hievor).
Voraussetzung für eine anteilsmässige Berücksichtigung des im
Aussenverhältnis geschuldeten (Gesamt-)Mietzinses ist allerdings, dass dieser
auch tatsächlich bezahlt wird (vgl. ZAK 1977 S. 545 Erw. 2 in fine).
Anderenfalls würden der EL-Ansprecherin Lebenshaltungskosten angerechnet, die
tatsächlich nie Bestand hatten. Dies im Unterschied zu jenen Fällen, in denen
ein Dritter in fürsorgerischer Weise für die Auslagen effektiv aufgekommen
ist.

4.2 Soweit aus den Akten ersichtlich, ist der im Aussenverhältnis geschuldete
Mietzins einzig für den ersten Monat beglichen worden. Der Eigentümer hat
denn auch u.a. aus diesem Grund das Mietverhältnis bereits wieder per 31.
Juli 2001 gekündigt und am 21. August 2001 beim zuständigen Zivilgericht ein
Ausweisungsbegehren eingereicht. Wie das beide Punkte betreffende Verfahren
ausgegangen ist, lässt sich den Akten nicht entnehmen.

Nach Aussagen der Beschwerdeführerin ist der Rechtsstreit mit dem Vermieter
zwischenzeitig durch einen Vergleich beendigt worden. Diese Behauptung ist
indessen bisher nicht näher belegt. Auch ist unklar, ob der darin vereinbarte
Betrag nunmehr nachbezahlt und die laufenden Mietkosten beglichen worden
sind. Dies wird die Beschwerdeführerin gegenüber der Verwaltung auf
Aufforderung hin noch zu belegen haben. Ist alsdann die Bezahlung des
(Gesamt-)Mietzinses ausgewiesen, ist bei der EL-Berechnung während der
Mietdauer die Hälfte davon als Mietkosten zu berücksichtigen, solange die
EL-Ansprecherin auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen wie etwa den
gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 2 Abs. 1 ELG; vgl. das die Beschwerdeführerin
betreffende Urteil vom 20. Dezember 1999, P 50/99) (weiterhin) erfüllt.
Gesagtes gilt auch für die geltend gemachten Nebenkosten. Sind dagegen die
Mietzinse oder Teile davon heute, rund zwei Jahre später, nach wie vor
ausstehend, wird die Verwaltung keine solchen bei der EL-Berechnung
berücksichtigen müssen, da nicht anzunehmen ist, dass diese inskünftig noch
ausgeglichen würden.

5.
Andere Gründe, die gegen die tatsächliche oder rechtliche Richtigkeit des
angefochtenen Entscheids sprächen, sind weder ersichtlich noch geltend
gemacht, so dass sich Weiterungen erübrigen (BGE 110 V 53).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 20. Dezember
2001 und die Verfügung der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn vom 6.
September 2001 aufgehoben werden und die Sache an die Ausgleichskasse des
Kantons Solothurn zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im
Sinne der Erwägungen, über die Höhe der Ergänzungsleistungen ab 1. April 2001
neu verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 23. September 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Vorsitzende der II. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: