Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 16/2002
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P 16/02

Urteil vom 22. Oktober 2002
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin
Riedi Hunold

C.________, 1935, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Alexander
Leitner, St. Johanns-Vorstadt 23, 4004 Basel,

gegen

Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt, Grenzacherstrasse 62, 4021 Basel,
Beschwerdegegner

Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen und die IV-Stellen, Basel

(Entscheid vom 18. Januar 2002)

Sachverhalt:

A.
Mit Anmeldung vom 13. September 2000 ersuchte C.________ (geboren 1935) um
Ergänzungsleistungen und kantonale Beihilfen zur AHV. Das Amt für
Sozialbeiträge Basel-Stadt (nachfolgend: ASB) lehnte das Gesuch ab. In seinen
Verfügungen vom 15. November 2000 rechnete das ASB C.________ einen
Vermögensverzicht an, da er im Jahre 1991 seinen Anteil am Erbe seiner
verstorbenen Mutter mit einem Wert von Fr. 433'180.- (Erbschaftsinventar vom
15. August 1991) am 12. September 1991 zum Preis von Fr. 200'000.- an einen
Dritten veräussert hatte.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die kantonale Rekurskommission für die
Ausgleichskassen und die IV-Stellen (heute: Sozialversicherungsgericht
Basel-Stadt) mit Entscheid vom 18. Januar 2002 ab.

C.
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der
vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es seien ihm die gesetzlichen
Ergänzungsleistungen und kantonalen Beihilfen zuzusprechen; ferner sei ihm
die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu gewähren.

Das ASB schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann gemäss Art. 128 OG in Verbindung
mit Art. 97 OG und Art. 5 Abs. 1 VwVG nur insoweit eingetreten werden, als
sie sich auf bundesrechtliche Ergänzungsleistungen im Sinne des ELG und nicht
auf kantonale Beihilfen bezieht (BGE 122 V 222 Erw. 1 mit Hinweis).

2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf
Ergänzungsleistungen (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2a ELG), deren
Berechnung und Höhe (Art. 3a ELG), die anrechenbaren Einnahmen (Art. 3c ELG),
insbesondere die Anrechnung von Einkünften und Vermögenswerten auf die
verzichtet worden ist (Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG; BGE 121 V 205 f. Erw. 4 mit
Hinweisen; AHI 2001 S. 133 Erw. 1b), sowie die Bewertung des Vermögens (Art.
17 in Verbindung mit Art. 17a ELV; BGE 126 V 85 Erw. 2a; AHI 1994 S. 278; SVR
1998 EL Nr. 5 S. 9 Erw. 2b) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig ist einzig die Anrechnung eines Vermögensverzichts. Unbestritten ist
hingegen, dass der Beschwerdeführer seinen Erbanteil mit einem Wert von Fr.
433'180.- zu Fr. 200'000.- veräussert hat, ohne rechtlich dazu verpflichtet
zu sein. Zu prüfen bleibt somit, ob unter den gegebenen Umständen die
Gegenleistung als gleichwertig zu betrachten ist.

3.1 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat klargestellt, dass sich die
Frage nach den Gründen einer Vermögenshingabe allein dann erübrigt und nur
dann auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen ist, wenn kein Verzicht
im Sinne des ELG vorliegt. Derjenige, der nicht darzutun vermag, dass seine
Geldhingabe im Austausch gegen eine adäquate Gegenleistung erfolgt ist, kann
sich mithin nicht auf den gegebenen Vermögensstand berufen, sondern muss sich
die Frage nach den Gründen für den Vermögensrückgang gefallen und mangels
entsprechenden Beweisen hypothetisches Vermögen entgegenhalten lassen (BGE
121 V 206 Erw. 4b mit Hinweisen).

3.2 Der Wert des Erbanteils von Fr. 433'180.- überstieg den Erlös von Fr.
200'000.- um mehr als das Doppelte. Von einer gleichwertigen Gegenleistung
kann deshalb nicht die Rede sein. Der Beschwerdeführer macht allerdings
besondere Umstände geltend, mit denen er die Veräusserung zu rechtfertigen
versucht.

Der Versicherte bringt vor, es sei unmöglich gewesen, für den Erbanteil einen
Kredit zu erhalten. Dies rechtfertigt die Veräusserung mit Verlust mindestens
solange nicht, als er keine Gründe vorbringt, die hinreichend belegen, dass
er tatsächlich auf eine rasche Realisierung angewiesen war. Der Einwand,
wonach er dringend Geld benötigte und sich in einer Zwangslage befand, ist
unzutreffend. Denn einerseits betrug sein Lohn 1991 über Fr. 48'000.- und
steigerte sich in den darauf folgenden Jahren auf weit über Fr. 50'000.-,
sodass er ohne weiteres in der Lage war, aus seinem Erwerbseinkommen den
Lebensunterhalt zu bestreiten. Andererseits hätte er sein Bedürfnis, sich
eine Reise oder Ferien zu leisten, hinreichend aus der Abschlagszahlung (vgl.
Vereinbarung mit dem Erwerber des Erbanteils) finanzieren können. Was die
Anschaffung neuer Möbel betrifft, so hat die Vorinstanz zu Recht darauf
verwiesen, dass die Auflösung des ehelichen Haushalts bereits anderthalb
Jahre vor dem Tod der Erblasserin erfolgt war. Andere Gründe werden nicht
geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. An diesem Ergebnis vermag
auch der Einwand nichts zu ändern, es sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar
gewesen, den allenfalls zehn Jahre dauernden Erbteilungsprozess abzuwarten.
Angesichts der fehlenden finanziellen Notlage, den Abschlagszahlungen und dem
offensichtlichen Interesse des anderen Haupterben an einer beförderlichen
Erbteilung wäre es angebracht gewesen, dass er diese abgewartet hätte.
Tatsächlich erfolgte die Erbteilung denn auch rund drei Jahre nach dem
Todesfall, und es konnte mit dem Hauptaktivum des Nachlasses, der
Liegenschaft, ein bedeutend höherer Erlös erzielt werden als im
Erbschaftsinventar aufgeführt. Unter diesen Umständen entspricht der Preis
von Fr. 200'000.- für den Erbanteil keiner wirtschaftlich gleichwertigen
Gegenleistung. Verwaltung und Vorinstanz haben demnach zu Recht einen
Vermögensverzicht angenommen.

4.
Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss
Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten erweist sich daher
als gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt
werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit
aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die
Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit
Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam
gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt
Alexander Leitner, Basel, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 22. Oktober 2002

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: