Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 13/2002
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2002
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2002


P 13/02

Urteil vom 25. Oktober 2002
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Ackermann

1. A.________, 1924,

2. G.________, 1922,
Beschwerdeführende, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jörg Müller,
Käshaldenstrasse 31, 8050 Zürich,

gegen

Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV,
Amtshaus Helvetiaplatz, 8004 Zürich,
Beschwerdegegner

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 24. Januar 2002)

Sachverhalt:

A.
Die Ehegatten A.________und G.________, geboren 1924 und 1922, erhalten seit
1990 resp. 1998 Ergänzungsleistungen zur Altersrente der AHV sowie
Krankheitskostenvergütungen. Nachdem die Ausgleichskasse des Kantons Zürich
den Ehegatten mit Verfügungen vom 5. November 1999 Nachzahlungen der
Altersrente seit Januar 1997 in Höhe von insgesamt Fr. 21'195.- zugesprochen
hatte, und A.________und G.________ dies anlässlich der periodischen
Anspruchsüberprüfung im März 2000 dem Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der
Stadt Zürich mitgeteilt hatten, setzte Letzteres die Ergänzungsleistungen
rückwirkend ab Januar 1997 neu fest und forderte mit Verfügungen vom 19.
April 2000 insgesamt Fr. 22'216.- zu viel ausbezahlte Ergänzungsleistungen
zurück, wobei gleichzeitig das Vorliegen der Erlassvoraussetzungen verneint
wurde. Der (einspracheweise) beantragte Erlass der Rückerstattungsschuld
wurde durch Beschluss des Bezirksrates Zürich vom 12. Oktober 2000 abgelehnt.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 24. Januar 2002 ab.

C.
A.________und G.________ lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem
Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Beschlusses
des Bezirksrates Zürich vom 12. Oktober 2000 sei ihnen die
Rückerstattungsschuld zu erlassen; im Weiteren beantragen sie die Gewährung
der unentgeltlichen Prozessführung.

Das Amt für Zusatzleistungen schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während der Bezirksrat Zürich und das
Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichten.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann gemäss Art. 128 OG in Verbindung
mit Art. 97 OG und Art. 5 Abs. 1 VwVG nur insoweit eingetreten werden, als
sie sich auf bundesrechtliche Ergänzungsleistungen im Sinne des ELG und nicht
auf kantonale und kommunale Beihilfen bezieht (BGE 122 V 222 Erw. 1 mit
Hinweis).

2.
Nach ständiger Rechtsprechung betreffen Streitigkeiten über den Erlass einer
Rückerstattungsschuld nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen (BGE 122 V 222 Erw. 2 mit Hinweis). Das
Eidgenössische Versicherungsgericht hat deshalb nur zu prüfen, ob das
vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche
Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in
Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). Zudem ist das
Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario).

3.
Das kantonale Gericht hat die massgebenden Gesetzes- und
Verordnungsbestimmungen über die Voraussetzungen für den Erlass der
Rückerstattung zu Unrecht bezogener Ergänzungsleistungen (Art. 27 Abs. 1 ELV
in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 AHVG und Art. 79 AHVV) sowie die nach der
Rechtsprechung für die Beurteilung des guten Glaubens des Leistungsbezügers
entscheidenden Kriterien (BGE 110 V 180 f. Erw. 3c und d; ZAK 1983 S. 508
Erw. 3, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die
Erwägungen über die den Ergänzungsleistungsbezügern obliegende Meldepflicht
(Art. 24 ELV). Darauf wird verwiesen.

4.
Streitig ist allein das Vorliegen der Erlassvoraussetzungen; das Bestehen der
Rückerstattungspflicht selber ist nie Streitgegenstand gewesen.

Die Vorinstanz lehnt den Erlass ab, da die Nachzahlungsverfügung der
Ausgleichskasse vom 5. November 1999 dem Amt für Zusatzleistungen nicht
unverzüglich gemeldet worden sei, was eine Meldepflichtverletzung darstelle
und somit den guten Glauben ausschliesse.

4.1 Die Beschwerdeführenden rügen zunächst, dass das Amt für Zusatzleistungen
jeweils über Änderungen der laufenden Altersrenten informiert wird und damit
die Nachzahlungsverfügungen von November 1999 bereits im November/Dezember
1999 gekannt habe.

Die Vorinstanz hat für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich
festgestellt, dass das Amt für Zusatzleistungen erst anlässlich der
periodischen Anspruchsüberprüfung im März 2000 Kenntnis von der erfolgten
Nachzahlung der Altersrenten erhalten hat. Eine offensichtlich unrichtige
oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts liegt nicht vor (Art. 105
Abs. 2 OG), insbesondere findet sich auf den Nachzahlungsverfügungen der
Ausgleichskasse kein Hinweis, dass sie auch dem Amt für Zusatzleistungen
eröffnet worden sind. Die Einkommens- resp. Rentenzahlen in den Verfügungen
des Amtes für Zusatzleistungen von November 2000 vermögen daran nichts zu
ändern, da sie erst nach erfolgter Anspruchsüberprüfung von März 2000 - und
damit aufgrund der aktuellen Zahlen - ergangen sind.

4.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird weiter vorgebracht, dass der
letzte Hinweis auf die Meldepflicht durch das Amt für Zusatzleistungen
zeitlich weit zurückliege; zudem sei in den Nachzahlungsverfügungen der
Ausgleichskasse nicht darauf hingewiesen worden, dass eine Meldung an die
Beschwerdegegnerin zu erfolgen habe.

Das kantonale Gericht hat zutreffend festgestellt, dass die
Beschwerdeführenden ausreichend informiert worden sind, und zwar letztmals
mit Verfügungen vom 5. Dezember 1999, d.h. einen Monat nach dem Erlass der
Nachzahlungsverfügungen durch die Ausgleichskasse. Spätestens dann hätte
umgehend eine Meldung an das Amt für Zusatzleistungen über die erfolgte
Rentennachzahlung erfolgen müssen. Dass die Nachzahlungsverfügungen der
Ausgleichskasse keinen entsprechenden Hinweis enthielten, ist unbeachtlich,
da es sich eben gerade nicht um Ergänzungsleistungen, sondern um Altersrenten
handelte; ein Hinweis auf die Meldepflicht ist in dieser Verfügung nur soweit
notwendig, als sie die Altersrente und ihre Berechnung betrifft, nicht jedoch
von ihr abhängende allfällige weitere Leistungen.

4.3 Schliesslich sind die Beschwerdeführenden der Auffassung, es könne
erwartet werden, dass die Ausgleichskasse und das Amt für Zusatzleistungen
als staatliche Behörden ihre Leistungen gegenseitig mitteilten und
aufeinander abstimmten. Sie hätten deshalb davon ausgehen dürfen, dass die
Rentennachzahlungen keinen Einfluss auf die Höhe der Ergänzungsleistungen
hatten, weshalb kein subjektives Unrechtsbewusstsein vorliege.

Wie es der Begriff schon sagt, werden Ergänzungsleistungen insoweit
ausgerichtet, als die Renten der Alters- und Invalidenversicherung den
Existenzbedarf nicht decken (Art. 112 Abs. 2 lit. b BV in Verbindung mit Art.
196 Ziff. 10 BV). Werden im Nachhinein die Renten erhöht, fällt der Zweck der
Ergänzungsleistungen - mindestens teilweise - dahin; den Beschwerdeführenden
hätte somit klar sein müssen, dass sie im Umfang der mehr erhaltenen Renten
nicht mehr auf die Ergänzungsleistungen angewiesen waren, um ihr
Existenzminimum decken zu können. Die Meldepflicht bezweckt in der Folge,
dass die für die Ergänzungsleistungen zuständigen Behörden die notwendigen
Informationen erhalten, um die Höhe der Ergänzungsleistungen
zweckentsprechend festlegen zu können. Auch wenn es als unpraktisch empfunden
werden mag, dass das Amt für Zusatzleistungen von der Ausgleichskasse nicht
über die gesprochenen Renten informiert wird (vgl. jedoch immerhin Aspekte
des Datenschutzes), ändert dies nichts daran, dass die Beschwerdeführenden
die ihnen obliegende Meldepflicht verletzt haben. Diese Verletzung muss dabei
als grobfahrlässig qualifiziert werden, da seit Beginn des Bezugs der
Ergänzungsleistungen im Jahre 1990 jeweils auf die Meldepflicht hingewiesen
worden ist und ein letzter Hinweis in den Verfügungen vom 5. Dezember 1999
erfolgt ist, d.h. einen Monat nach den Nachzahlungsverfügungen von November
1999. Der Hinweis in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf die Vermutung des
guten Glaubens gemäss Art. 3 Abs. 1 ZGB vermag daran nichts zu ändern. In
Art. 3 Abs. 2 ZGB wird nämlich weiter festgehalten, dass sich nicht auf den
guten Glauben berufen kann, wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den
Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte: hier
haben die Beschwerdeführenden die von ihnen erwartete Aufmerksamkeit gerade
nicht aufgebracht.

4.4 Damit hat die Vorinstanz den Erlass der Rückerstattungsforderung zu Recht
mangels guten Glaubens verneint; eine Verletzung von Bundesrecht liegt nicht
vor (Art. 104 lit. a OG). Die zweite Erlassvoraussetzung des Vorliegens einer
grossen Härte braucht daher nicht geprüft zu werden.

5.
Die Beschwerdeführenden beantragen die Gewährung der unentgeltlichen
Prozessführung.

5.1 Nach Gesetz (Art. 152 OG) und Praxis sind in der Regel die
Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung
erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos erscheint und die Partei
bedürftig ist (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen).

Bedürftig im Sinne von Art. 152 Abs. 1 OG ist eine Person, wenn sie ohne
Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie nötigen Lebensunterhaltes nicht
in der Lage ist, die Prozesskosten zu bestreiten (BGE 127 I 205 Erw. 3b, 125
IV 164 Erw. 4a). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im
Zeitpunkt der Entscheidung über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
(BGE 108 V 269 Erw. 4). Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit ist das
Einkommen beider Ehegatten zu berücksichtigen (BGE 115 Ia 195 Erw. 3a, 108 Ia
10 Erw. 3, 103 Ia 101 mit Hinweisen).

5.2 Die Beschwerdeführenden verfügen zusammen über insgesamt Fr. 4918.-
monatliches Einkommen aus Altersrenten und Ergänzungsleistungen. Für die
Ausgaben ist vom Grundbedarf gemäss Richtlinien der Konferenz der
Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 24. November 2000 in Höhe von
Fr. 1550.- für ein Ehepaar auszugehen (vgl. Jurius, Neue Richtlinien für die
Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums, Jusletter 5. März
2001 mit Hinweis). Unter Berücksichtigung der Ausgaben für Miete (Fr.
2035.-), Krankenkasse (Fr. 1069.-), Versicherungen (Fr. 47.15) und Steuern
(Fr. 100.-) ergeben sich monatliche Ausgaben von Fr. 4801.15. Trotz des
vorliegenden monatlichen Überschusses von Fr. 116.85 kann die unentgeltliche
Prozessführung gerade noch gewährt werden, da den Beschwerdeführenden nicht
zuzumuten ist, mit ihrem Einkommen neben dem nötigen Lebensunterhalt auch
noch die Prozesskosten zu bestreiten resp. diese innert vernünftiger Frist
abzubezahlen. Im Übrigen ist die Beschwerde nicht als aussichtslos zu
bezeichnen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung werden von den
Beschwerdeführenden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, dem Bezirksrat Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 25. Oktober 2002

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: