Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 92/2002
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K 92/02

Urteil vom 10. Februar 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin
Keel Baumann

Helsana Versicherungen AG, Birmensdorferstrasse 94, 8003 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

W.________, 1956, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Späti,
Stadthausgasse 16, 8200 Schaffhausen

Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen

(Entscheid vom 9. August 2002)

Sachverhalt:

A.
W. ________ (geb. 1956), Plattenleger und Aktionär der Firma X.________ AG,
Plattenbeläge, Ofen- und Cheminéebau, war bei der Artisana Kranken- und
Unfallversicherung (seit 1. Januar 1997 Helsana Versicherungen AG
[nachfolgend Helsana]) für ein Krankentaggeld von Fr. 170.- pro Tag ab dem
31. Tag versichert. Wegen den Folgen eines Rückenleidens bezog er vom 16.
Dezember 1998 bis 28. Februar 1999 ein Krankentaggeld aufgrund einer
Arbeitsunfähigkeit von 100 % und ab 1. März 1999 ein solches aufgrund einer
Arbeitsunfähigkeit von 50 %.

Mit Verfügung vom 2. Februar 1999 teilte die Helsana W.________ mit, eine
vertrauensärztliche Abklärung habe ergeben, dass er für eine körperlich
leichte Tätigkeit vollständig arbeitsfähig sei. Das Krankentaggeld werde
deshalb noch für eine Übergangsfrist von vier Monten gewährt und ab 1. Juni
1999 eingestellt. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 5. Juni 2000
fest.

B.
Beschwerdeweise liess W.________ das Rechtsbegehren stellen, es sei - unter
Kosten- und Entschädigungsfolge - der Einspracheentscheid aufzuheben und die
Helsana zu verpflichten, ihm über den 1. Juni 1999 hinaus Taggelder aufgrund
einer Arbeitsunfähigkeit von 50 % auszurichten bis zur Ausschöpfung von 720
Tagen gemäss Versicherungsvertrag. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde
hob das Obergericht des Kantons Schaffhausen den Einspracheentscheid auf und
wies die Sache im Sinne der Erwägungen an die Helsana zurück. Im Weitern
verpflichtete es die Helsana, W.________ eine Parteientschädigung von Fr.
2688.- auszurichten (Entscheid vom 9. August 2002).

C.
Die Helsana führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung
des kantonalen Entscheides.

W. ________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.
Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.Die Vorinstanz hat die vorliegend massgebenden Bestimmungen zum Anspruch
auf Krankentaggeld (Art. 67 und 72 KVG) sowie die Rechtsprechung zum (mit
demjenigen unter dem KUVG übereinstimmenden: RKUV 1998 Nr. KV 45 S. 430)
Begriff der Arbeitsunfähigkeit (BGE 114 V 283 Erw. 1c und 111 V 239 Erw. 1b),
zur Bestimmung des Grades der Einschränkung der Arbeitsfähigkeit (vgl. auch
BGE 114 V 283 Erw. 1d) und zu den - für Unselbstständigerwerbende und
Selbstständigerwerbende gleichermassen geltenden - Kriterien für die
Beurteilung der Zumutbarkeit eines Berufswechsels bei dauernder
Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Tätigkeitsgebiet aufgrund des Gebotes der
Schadenminderung (BGE 114 V 287 Erw. 3d; siehe auch BGE 111 V 239 Erw. 2a mit
Hinweisen; RKUV 2000 Nr. KV 112 S. 123, 1987 Nr. K 720 S. 108) zutreffend
dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.

Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober
2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden
Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier: 5. Juni
2000) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b).

2.
Zum vorliegend einzig noch streitigen Umfang der Leistungseinbusse hielt das
kantonale Gericht fest, es sei zu prüfen, in welchem Mass W.________ im
Zeitpunkt der Ablehnung des Leistungsanspruches unter Einbezug zumutbarer
betrieblicher Umdispositionen im angestammten Beruf in seiner
Arbeitsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei. Denn es sei W.________ aufgrund
der langjährigen Tätigkeit als Betriebsinhaber, der Struktur der
Familien-Aktiengesellschaft und der Aufgabenteilung innerhalb der Firma sowie
der starken Verbundenheit mit dem Beruf für die Zeit der maximalen
Leistungsdauer von 720 Tagen nicht zuzumuten, eine leichte körperliche Arbeit
in einem anderen Betrieb als seinem eigenen aufzunehmen, und auch die
Aufnahme einer zusätzlichen Teilzeitarbeit nach der Umdisposition des
Betriebes könne angesichts der beschränkten Taggeldleistungspflicht nicht
verlangt werden. Da der Beschwerdegegner, welcher vor Eintritt des
Gesundheitsschadens ein manueller Hauptarbeiter bei der Firma X.________ AG
gewesen sei und den Bereich Plattenbeläge, Auftrags- und Offertwesen geführt
habe, ab Juni 1999 in der Lage gewesen sei, eine leichtere körperliche
Tätigkeit auszuüben, hätte er zwar die Führung der Firma X.________ AG
(Auftrags- und Offertwesen, Akquisition, Überwachung der Arbeiten,
buchhalterische Aufgaben etc.) ganztags übernehmen können. Aufgrund der Akten
sei indessen unklar, ob angesichts der Aufgabenverteilung in der Firma
X.________ AG und der Tatsache, dass es sich um einen Kleinbetrieb handle,
überhaupt Bedarf an einem vollzeitlich tätigen Geschäftsführer bestanden
hätte. Zur Abklärung dieser Frage und anschliessenden Ermittlung der
Leistungseinbusse ab 1. Juni 1999 wies die Vorinstanz die Sache an die
Helsana zurück.

3.
Soweit die Helsana geltend macht, es wäre Aufgabe des kantonalen Gerichtes
gewesen, die fehlenden Akten, um welche sie sich im Verwaltungsverfahren
erfolglos bemüht habe, einzufordern und die Sache zu beurteilen, kann ihr
nicht beigepflichtet werden. Denn es steht im pflichtgemässen Ermessen der
Beschwerdeinstanz, weitere Abklärungen selber vorzunehmen oder in Aufhebung
der Verfügung die Sache zu diesem Zwecke an die Verwaltung zurückzuweisen
(BGE 127 V 231 Erw. 2a mit Hinweisen). Im Übrigen kann - entgegen der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung - auch nicht die Rede
davon sein, dass die Vorinstanz die Helsana verpflichtet hätte, genau
dieselben Abklärungen nochmals vorzunehmen, lassen sich doch den vom
Versicherten aufforderungsgemäss (Schreiben der Helsana vom 20. Juli und 5.
Oktober 1999) am 12. Oktober 1999 eingereichten Jahresrechnungen 1996-1998
und der von ihr am 19. Januar 2000 verlangten Auskunft, ob W.________ in der
Lohnbuchhaltung aufgeführt sei (Schreiben des Rechtsvertreter des
Versicherten vom 25. Januar 2000), die entscheidwesentlichen Angaben (wieweit
W.________ in den von der Vorinstanz genannten leichteren Tätigkeiten wie
Auftrags- und Offertwesen etc. ausgelastet werden könnte und welche
Verdiensteinbusse dies mit sich bringen würde) nicht entnehmen und finden
sich in den Akten keine Hinweise für vom Krankenversicherer getätigte weitere
Schritte. Ebenso wenig ist bereits mit Blick darauf, dass der
Beschwerdegegner den Aufforderungen der Helsana zur Einreichung von
Unterlagen bzw. Erteilung von Auskünften nachgekommen ist (wenn auch auf das
Schreiben vom 20. Juli 1999 erst mit einiger Verzögerung) und mithin seine
Mitwirkungspflicht nicht verletzt hat, ersichtlich, inwiefern das kantonale
Gericht dem Versicherten im Rückweisungsentscheid nicht eine volle (vgl. SVR
1995 IV Nr. 51 Erw. 3a), sondern aufgrund eines Mitverschuldens an der
Entstehung des Prozesses nur eine reduzierte Parteientschädigung hätte
zusprechen sollen (vgl. dazu SVR 1999 ALV Nr. 21 S. 52 Erw. 4b mit
Hinweisen), wie die Beschwerdeführerin geltend macht.

4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem obsiegenden Beschwerdegegner
steht eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135
OG), welche entsprechend dem mit der Ausarbeitung der Vernehmlassung im
letztinstanzlichen Verfahren verbundenen Aufwand ermessensweise auf Fr.
1500.- festzusetzen ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Helsana Versicherungen AG hat W.________ für das Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und
dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 10. Februar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: