Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 87/2002
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K 87/02

Urteil vom 24. Dezember 2002
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Fleischanderl

M.________ und T.________, Beschwerdeführer,

gegen

Helsana Versicherungen AG, Recht Deutsche Schweiz, Birmensdorferstrasse 94,
8024 Zürich, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 7. Juni 2002)

Sachverhalt:

A.
Die 1964 geborene T.________ ist bei der Helsana Versicherungen AG
(nachfolgend: Helsana) u.a. obligatorisch krankenpflegeversichert. Am 18.
November 1994 unterzog sie sich auf Grund einer eingeschränkten Nasenatmung
einer Nasenseptumoperation. In der Folge entwickelte sich eine chronische
Rhinosinusitis, welche am 21. August 1996 eine funktionelle
Septo-Rhinoplastik erforderlich machte. Für beide operativen Eingriffe kam
die Helsana auf.

Mit Schreiben vom 6. Juli 2001 ersuchte der behandelnde Arzt Dr. med. Dr.
med. dent. S.________, Spezialarzt FMH für Plastisch-Rekonstruktive und
Aesthetische Chirurgie sowie für Kiefer- und Gesichtschirurgie, Spezialist
SSO für Oralchirurgie, die Helsana um Kostengutsprache für eine weitere
Operation - die Korrektur einer progredienten Nasendeformität der
Versicherten. Mit Schreiben vom 13. Juli 2001 gelangte auch das Spital
X.________ mit der Bitte um Kostenübernahme für die im August 2001
vorgesehene Behandlung an die Krankenkasse. Die Helsana teilte dem Spital
X.________ am 18. Juli 2001 mit, dass die Klinikaufenthaltskosten gemäss der
bei ihr bestehenden Versicherungsdeckung übernommen würden, sofern es sich um
eine Pflichtleistung handle. Nachdem der Vertrauensarzt der Helsana, Dr. med.
O.________, die vorhandenen Unterlagen eingesehen hatte, informierte er Dr.
med. Dr. med. dent. S.________ mit Schreiben vom 10. August 2001 darüber,
dass keine Kostenübernahme des vorgesehenen Eingriffs empfohlen werde, da ein
Leiden mit Krankheitswert nicht ausgewiesen sei. Am 15. August 2001 -
gleichentags war die Korrekturoperation vorgenommen worden - teilte die
Krankenkasse auch T.________ mit, dass keine Pflichtleistung vorliege. Daran
hielt sie sowohl mit Verfügung vom 29. August 2001 als auch - nach Einsprache
der Versicherten und ihres Ehemannes sowie der Einholung einer
vertrauensärztlichen Stellungnahme des Dr. med. G.________ vom 12. November
2001 - im Einspracheentscheid vom 11. Dezember 2001 fest.

B.
Die hiegegen unter Hinweis und Auflegung eines Berichtes des Dr. med. Dr.
med. dent. S.________ vom 27. Dezember 2001 erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 7. Juni 2002).

C.
T.________ und M.________ führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Rechtsbegehren, die Helsana sei zu verpflichten, die Kosten für die
Nasenkorrekturoperation und allfällige zusätzlich anfallende Kosten zu
übernehmen.

Während die Helsana - unter Entschädigungsfolge zu Lasten der Versicherten -
auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Eingabe vom 9. Dezember 2002 reichen T.________ und M.________ eine
Stellungnahme des Dr. med. Dr. med. dent. S.________ vom 18. November 2002 zu
den Akten.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften und Grundsätze
über die Leistungspflicht des Krankenversicherers (Art. 25 Abs. 1 KVG, Art.
32 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 25-31 KVG) sowie den
Krankheitsbegriff (Art. 2 Abs. 1 KVG; BGE 124 V 125 Erw. 6b; SVR 2001 KV Nr.
29 S. 86 Erw. 3b) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt bezüglich der (zur
altrechtlichen Regelung ergangenen) Rechtsprechung zur Problematik der
Pflichtleistung bei ästhetischen Mängeln (BGE 111 V 231 Erw. 1a; RKUV 1992
Nr. K 903 S. 231 Erw. 2c; vgl. auch RKUV 1997 Nr. K 987 S. 289). Darauf wird
verwiesen.

1.2 Gemäss Art. 25 Abs. 1 KVG übernimmt die obligatorische
Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose
oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Nach der unter der
Herrschaft des KUVG geltenden, weiterhin Anwendung findenden Rechtsprechung
(SVR 2001 KV Nr. 29 S. 86 Erw. 3b) lässt sich der Krankheitsbegriff
angesichts der Vielfalt möglicher krankhafter Erscheinungen schwer in eine
genaue Definition fassen; es wird aber kaum je von Krankheit gesprochen
werden können, wenn nicht Störungen vorliegen, die durch pathologische
Vorgänge verursacht worden sind (vgl. BGE 114 V 163 Erw. 1a, 113 V 43 Erw. 3a
mit Hinweisen). Ein ausschliesslich ästhetischer Mangel gehört deshalb nicht
zu dem durch das KVG versicherten (Krankheits-)Risiko (BGE 111 V 231 Erw. 1a
mit Hinweisen). Soweit aber ein ästhetischer Mangel Beschwerden mit
Krankheitswert im Rechtssinne verursacht, stellt die medizinische Behandlung
dieser krankhaften Folgeerscheinungen durch operative Behebung des
ästhetischen Mangels als der eigentlichen Krankheitsursache eine
Pflichtleistung der Krankenkasse dar (RKUV 1992 Nr. K 903 S 231 Erw. 2c, 1991
Nr. K 876 S. 247 Erw. 2b, je mit Hinweisen). Ferner hat der
Krankenversicherer unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten chirurgischer
Eingriffe zwecks Behandlung sekundärer krankheits- oder unfallbedingter
ästhetischer Mängel zu übernehmen (BGE 104 V 96 f. Erw. 1, 102 V 71 f. Erw.
3; RKUV 1985 Nr. K 638 S. 199 Erw. 1b). Dies wenn die äusserliche
Verunstaltung ein gewisses Ausmass erreicht, der Versicherer auch für die
primären Unfall- oder Krankheitsfolgen leistungspflichtig war und die
durchgeführte kosmetische Operation sich in allgemein üblichen Grenzen sowie
im Rahmen der Wirtschaftlichkeit hält.

2.
Die Beschwerdegegnerin hat die Kosten der am 18. November 1994 und 21. August
1996 durchgeführten operativen Eingriffe (Nasenseptumoperation, funktionelle
Septo-Rhinoplastik) übernommen. Fraglich ist zunächst, ob auch die am 15.
August 2001 vorgenommene Nasenkorrektur eine Pflichtleistung darstellt.

2.1 Vorinstanz und Helsana verneinen dies unter Hinweis auf die
vertrauensärztliche Stellungnahme des Dr. med. G.________ vom 12. November
2001 mit der Begründung, es habe weder in physischer noch in psychischer
Hinsicht ein die Operation indizierendes Leiden mit Krankheitswert bestanden.
Die Beschwerdeführer berufen sich demgegenüber zur Hauptsache auf den Bericht
des Dr. med. Dr. med. dent. S.________ vom 27. Dezember 2001, wonach der am
21. August 1996 vorgenommene chirurgische Eingriff zu einer
behandlungsbedürftigen Nasendeformität (Verschlechterung der Nasenatmung
infolge einer Einsenkung im Bereich des Nasenrückens im Sinne einer
Sattelnase, vor allem im knorpeligen Bereich; Verbreiterung im knöchernen
Bereich im Sinne einer Breitnase mit Faltenbildung der überschüssigen
Weichteile über dem seitlichen Nasenrücken und der Wange beidseits) gekommen
sei.

2.2 Im Gesuch um Kostengutsprache vom 6. Juli 2001 gab Dr. med. Dr. med.
dent. S.________ an, als Folge der im Jahre 1996 durchgeführten
Rhinoseptoplastik sei eine - nun korrekturbedürftige - Nasendeformität
aufgetreten, welche sich in einer Einsenkung im Bereich des Nasenrückens im
Sinne einer Sattelnase sowie einer Verbreiterung im knöchernen Bereich im
Sinne einer Breitnase zeige. In ihrer Einsprache vom 5. September 2001 gaben
die Beschwerdeführer an, es hätten zwar keine eindeutigen somatischen
Beschwerden vorgelegen, durch die progrediente Deformität sei jedoch eine
massive psychische Belastungssituation eingetreten.

Auf Grund dieser Aussagen erscheint erwiesen, dass - zumindest im Zeitpunkt
der Operation (15. August 2001) - (noch) keine physischen Beeinträchtigungen
bestanden, welche die Nasenkorrektur indiziert hätten. Erst beschwerdeweise,
nachdem eine Kostenübernahme auch mit Einspracheentscheid vom 11. Dezember
2001 abgelehnt worden war, wurden seitens der Beschwerdeführer - quasi
nachgeschoben - vor dem Operationstermin bestehende funktionelle
Beeinträchtigungen und ein somatisches Beschwerdebild geltend gemacht.
Gleiches gilt für die ausführliche, im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren
eingereichte Stellungnahme des Dr. med. Dr. med. dent. S.________ vom 27.
Dezember 2001, worin nicht mehr nur von einer Deformation der Nase
(Einsenkung, Verbreiterung), sondern auch von einer dadurch verursachten
erneuten Verschlechterung der Nasenatmung die Rede ist, welche den operativen
Eingriff erforderlich gemacht hätte. Es ist somit weder rechtsgenüglich
dargetan, dass eigentliche somatische Gesundheitsstörungen vorhanden gewesen
wären, noch kann von einem ästhetischem Mangel gesprochen werden, der zu
Beschwerden mit Krankheitswert geführt hat und dessen operative Behebung eine
Pflichtleistung im beschriebenen Sinne - vgl. Erw. 1.2 hievor - darstellte.
Letzteres trifft namentlich auch im Hinblick auf psychische
Beeinträchtigungen zu, ist doch angesichts der aktenkundigen
Gesichtsphotographien der Versicherten mit den Vertrauensärzten der
Beschwerdegegnerin, den Dres. med. O.________ und G.________ (Stellungnahmen
vom 10. August und 12. November 2001), weder eine "stigmatisierende
Nasendeformität" (Bericht des Dr. med. Dr. med. dent. S.________ vom 27.
Dezember 2001) noch eine massive psychische Belastungssituation (Einsprache
vom 5. September 2001) oder eine längerdauernde postoperative
Entstellungsphase (Beschwerde vom 3. Januar 2002) ausgewiesen. Ebenso wenig
können auf Grund mangelnder fachärztlicher Angaben zunehmende, ein
psychisches Leiden mit Krankheitswert verursachende Identitätsprobleme der
Beschwerdeführerin als erstellt gelten, zumal bei rein vorsorglichen
Massnahmen, die im Hinblick auf eine bloss mögliche künftige Schädigung
durchgeführt werden, keine Leistungspflicht besteht (BGE 110 V 315 Erw. 3a
mit Hinweisen). Was sodann die Behandlung sekundärer krankheitsbedingter
ästhetischer Mängel anbelangt (Erw. 1.2 hievor in fine), fehlt es vorliegend,
auch wenn keine ideale Nasenform gegeben sein mag, bereits an der
Voraussetzung einer äusserlichen, ein gewisses Mass erreichten Verunstaltung.
Die von den Beschwerdeführern vorinstanzlich geltend gemachten "recht
ausgeprägten Deformationen des Aussehens der Patientin" sind nicht
nachvollziehbar.

3.
Zu prüfen ist im Weiteren - wie dies in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
sinngemäss geltend gemacht wird -, ob die Helsana die Kosten für die
Nasenoperation auf Grund ihrer Kostengutsprache gegenüber dem Spital
X.________ vom 18. Juli 2001 gestützt auf Treu und Glauben zu übernehmen hat.

3.1 Gemäss BGE 111 V 31 Erw. 3, bestätigt in BGE 112 V 190 Erw. 1, stellt die
einer Heilanstalt erteilte Kostengutsprache eine Leistungszusicherung der
Kasse gegenüber dieser Heilanstalt dar. Für die versicherte Person hat sie
zur Folge, dass sie dadurch gegenüber der Heilanstalt von der Sicherstellung
der Spitalkosten und von Teilzahlungspflichten während der Hospitalisation
befreit ist. Davon zu unterscheiden ist die Leistungszusicherung der Kasse
gegenüber der versicherten Person. Die Kasse kann sich ihrem Mitglied
gegenüber schon vor dem Spitaleintritt definitiv zur Kostenübernahme bereit
erklären. Eine der Heilanstalt erteilte Kostengutsprache bedeutet indes noch
keine Zusicherung der definitiven Kostenübernahme. Allerdings kann sie auf
Grund weiterer Umstände in besonders gelagerten Fällen diese Bedeutung
erhalten.

3.2 Nach dem Gesagten stellt die am 18. Juli 2001 gegenüber dem Spital
X.________ erteilte Kostengutsprache grundsätzlich keine definitive
Leistungszusage gegenüber der Beschwerdeführerin dar, zumal die
Garantieerklärung ausdrücklich unter Vorbehalt des Pflichtleistungscharakters
des Eingriffs abgegeben worden war. Selbst wenn dem im Übrigen nicht so wäre,
könnte die einzig an das Spital gerichtete Kostengutsprache nicht als
rechtlich relevantes Handeln des Krankenversicherers gegenüber der
Versicherten aufgefasst werden, womit es an einer Voraussetzung für die
Bejahung des Gutglaubensschutzes fehlte (BGE 112 V 190 Erw. 1, 111 V 31 Erw.
3 mit Hinweis, bestätigt u.a. im nicht publizierten Urteil W. vom 16.
Dezember 1991, K 57/91). Darauf hinzuweisen bleibt ferner, dass der
Vertrauensarzt Dr. med. O.________ dem behandelnden Arzt Dr. med. Dr. med.
dent. S.________ bereits mit Schreiben vom 10. August 2001 - mithin fünf Tage
vor der Operation - mitgeteilt hat, dass keine Kostenübernahme empfohlen
werde. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus dem nach Ablauf der
Rechtsmittelfrist und nach Abschluss des Schriftenwechsels eingereichten
Bericht des Dr. med. Dr. med. dent. S.________ vom 18. November 2002, wird
darin doch einzig die Unverbindlichkeit von Kassengutsprachen betont. Es kann
deshalb offen bleiben, ob diese Eingabe im letztinstanzlichen Verfahren
überhaupt zu berücksichtigen ist (BGE 127 V 353).

4.
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen, da die obsiegende
Beschwerdegegnerin als Krankenversicherer eine öffentlich-rechtliche Aufgabe
im Sinne Art. 159 Abs. 2 OG wahrnimmt und die Voraussetzungen für eine
ausnahmsweise Zusprechung einer Entschädigung nicht gegeben sind (BGE 123 V
309 Erw. 10, 119 V 456 Erw. 6b; SVR 2000 KV Nr. 39 S. 122 Erw. 3).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 24. Dezember 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: