Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 79/2002
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K 79/02

Urteil vom 12. Februar 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin
Fleischanderl

SWICA Gesundheitsorganisation, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401
Winterthur, Beschwerdeführerin,

gegen

B.________, 1954, Beschwerdegegner

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 4. Juni 2002)

Sachverhalt:

A.
Der 1954 geborene B.________ ist bei der SWICA Gesundheitsorganisation
(nachfolgend: SWICA) obligatorisch krankenversichert. Vom 24. bis 30. August
1999 hielt er sich zur Vornahme eines Magenbandings im Spital X.________
(heute: Spital Y.________; nachfolgend: Spital Y.________) auf. Die
Behandlungskosten im Betrag von Fr. 2170.- wurden von der SWICA übernommen
und die dem Versicherten in Rechnung gestellte Kostenbeteiligung von Fr.
217.- anstandslos bezahlt. Nachdem Komplikationen in Form einer Bandleckage
aufgetreten waren, erfolgte am 15. Dezember 2000 ein weiterer operativer
Eingriff im Spital Y.________ (Operationsbericht vom 15. Dezember 2000,
Austrittsbericht vom 21. Dezember 2000). Der für den Spitalaufenthalt vom 14.
bis 18. Dezember 2000 in Rechnung gestellte Betrag von Fr. 3525.- wurde von
der SWICA wiederum beglichen, wobei sie B.________ namentlich auf Grund der
per 1. Januar 2000 gewählten Jahresfranchise von Fr. 1500.- einen
Kostenanteil von Fr. 1085.90 auferlegte. Mit der Begründung, die Operation
vom 15. Dezember 2000 sei einzig infolge eines Arztfehlers anlässlich des
Eingriffs im August 1999 notwendig geworden, weigerte sich der Versicherte in
der Folge, die Kostenbeteiligung zu bezahlen. Gestützt u.a. auf eine
Stellungnahme ihres Vertrauensarztes vom 13. März 2001 hielt die SWICA an
ihrer Forderung fest und verpflichtete den Versicherten, nachdem die Rechnung
auch nach Einleitung des Betreibungsverfahrens nicht beglichen worden war,
mit Verfügung vom 14. September 2001 unter Beseitigung des erhobenen
Rechtsvorschlages zur Bezahlung des in Betreibung gesetzten
Kostenbeteiligungsbetrages sowie von Mahnspesen in Höhe von Fr. 30.- und
Betreibungskosten von Fr. 70.-. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 10. Januar 2002).

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich in dem Sinne gut, dass es den angefochtenen
Einspracheentscheid aufhob und die Sache an die SWICA zurückwies, damit diese
im Sinne der Erwägungen verfahre (Entscheid vom 4. Juni 2002).

C.
Die SWICA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren um
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides.

B. ________ und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im angefochtenen Entscheid wird richtig dargelegt - weshalb darauf zu
verweisen ist -, dass sich die Versicherten an den für sie im Rahmen der
obligatorischen Krankenversicherung erbrachten Leistungen in Form einer
Franchise sowie eines Selbstbehaltes zu beteiligen haben (Art. 64 Abs. 1 und
2 lit. a und b KVG), wobei die Versicherer neben der ordentlichen
Krankenpflegeversicherung mit der Minimalfranchise von Fr. 230.- (Art. 64
Abs. 2 lit. a und Abs. 3 KVG in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 KVV [in der
seit 1. Januar 1998 in Kraft stehenden, vorliegend anwendbaren Fassung]) eine
Versicherung mit wählbaren Franchisen anbieten können, welche für Erwachsene
Fr. 400.-, Fr. 600.-, Fr. 1200.- und Fr. 1500.- betragen (Art. 62 Abs. 2 lit.
a KVG in Verbindung mit Art. 93 Abs. 1 KVV [in der seit 1. Januar 1998
gültigen Fassung]). Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des
streitigen Einspracheentscheides (hier: 10. Januar 2002) eingetretene Rechts-
und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht
berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

2.
Der Beschwerdegegner war im Zusammenhang mit einem Magenbanding zweimal im
Spital Y.________ hospitalisiert (Operationen vom 25. August 1999 und 15.
Dezember 2000). Die SWICA kam ihrer Kostenvergütungspflicht in der Weise
nach, dass sie - auf Grund des vereinbarten Systems des Tiers payant (Art. 42
Abs. 2 KVG) - die Hospitalisationskosten direkt dem Leistungserbringer
(Spital Y.________) beglich und dem Versicherten die jeweils geschuldete
Kostenbeteiligung (ab 1. Januar 2000: Franchise von Fr. 1500.- pro Jahr und
10 % Selbstbehalt) in Rechnung stellte. Bezüglich der in Frage stehenden,
zufolge der Operation vom 15. Dezember 2000 angefallenen Kosten im
Gesamtbetrag von Fr. 3525.- wurde der Beschwerdegegner - in masslicher
Hinsicht auf Grund der Akten zu Recht unbestritten - für eine im Jahr 2000
noch nicht beglichene Restfranchise von Fr. 814.90 sowie einen Selbstbehalt
in Höhe von Fr. 271.- (Fr. 3525.- ./. Fr. 814.90 : 10), insgesamt somit für
einen Kostenbeteiligungsbetrag von Fr. 1085.90, in die Pflicht genommen. Der
Versicherte vertrat in der Folge den Standpunkt, es habe eine ärztliche
Fehlbehandlung stattgefunden, welche für die Leckage des am 25. August 1999
eingefügten Magenbandes verantwortlich sei, sodass dem Leistungserbringer
nichts geschuldet sei, den Krankenversicherer keine Kostenvergütungs- und ihn
selber keine Kostenbeteiligungspflicht treffe. Das kantonale Gericht erwog
auf diesen beschwerdeweise vorgetragenen Einwand hin, die SWICA sei
verpflichtet, den nach der Aktenlage nicht hinreichend geklärten Punkt einer
unsorgfältigen, keine Kostenvergütungspflicht des Versicherers auslösenden
Behandlung näher abzuklären. Hiegegen richtet sich die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die im Kern geltend macht, es sei bei von der
Krankenkasse (im System des Tiers payant) bejahter Kostenvergütungspflicht
nicht Sache des vom die Kostenbeteiligung verweigernden Versicherten
angerufenen Sozialversicherungsgerichts, die Frage der fehlerhaften
Behandlung vorfrageweise abzuklären und zu beurteilen.

3.
3.1 Die obligatorische Krankenversicherung übernimmt nach Art. 24 KVG die
Kosten für die Leistungen gemäss Art. 25-31 KVG nach Massgabe der in Art.
32-34 KVG festgelegten Voraussetzungen. Im krankenversicherungsrechtlichen
Verfahren ist somit zu beurteilen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang
der Krankenversicherer Kosten für Krankenpflegeleistungen in diesem Sinne zu
übernehmen hat und - bejahendenfalls - ob die Bedingungen für eine
Kostenbeteiligung der versicherten Person gegeben sind (vgl. in diesem Sinne
das zu einem auf Grund einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung [FFE]
erfolgten Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik ergangene Urteil S. vom
16. April 2002, K 134/00, in welchem das Eidgenössische Versicherungsgericht
entschied, die Rechtmässigkeit der FFE sei nicht im
krankenversicherungsrechtlichen Verfahren zu prüfen). Dabei ist zu beachten,
dass die Krankenversicherer, sofern eine Pflicht zur Kostenübernahme besteht,
eine Kostenvergütung auch dann zu leisten haben, wenn eine therapeutische
Massnahme den angestrebten Erfolg (zunächst) nicht erreicht, eine
Komplikation auftritt (vgl. zu diesem Begriff: Pschyrembel, Klinisches
Wörterbuch, 259. Aufl., S. 886) und deswegen eine Reoperation erforderlich
wird (vgl. RKUV 1999 Nr. KV 91 S. 460 Erw. 3b zu Folgeschäden bei
Nichtpflichtleistungen). Das Ziel der ärztlichen Behandlung ist nach dem
Konzept des KVG letztlich die möglichst vollständige Beseitigung der
körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung (BGE 121 V 295 Erw. 4b mit
Hinweis; Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, S. 56 Rz 109 in fine mit
Hinweisen, insbesondere Fn 226).

3.2 Im Lichte dieser Ausführungen sowie vor dem Hintergrund, dass die vom
Krankenversicherer zu übernehmenden Leistungen insbesondere die
Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die stationär von den in
Art. 25 Abs. 2 lit. a Ziff. 1-3 KVG aufgezählten Personen durchgeführt
werden, (Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG) sowie den Aufenthalt in der allgemeinen
Abteilung eines Spitals (Art. 25 Abs. 2 lit. e KVG) umfassen, hat die SWICA
die Kosten für den am 15. Dezember 2000 stattgefundenen operativen
Folgeeingriff und den dadurch bedingten Spitalaufenthalt zu Recht erstattet.
Daraus resultiert ohne weiteres, dass sich der Beschwerdegegner gemäss Art.
64 Abs. 1 KVG nach Massgabe der von ihm gewählten Franchise und des
gesetzlich festgelegten Selbstbehaltes an diesen Kosten zu beteiligen hat. Ob
die Leckage des eingesetzten Magenbandes und damit die Operation vom 15.
Dezember 2000 auf eine ärztliche Fehlbehandlung bzw. einen Kunstfehler beim
ersten Eingriff im August 1999 zurückzuführen ist - was die SWICA gestützt
auf den Operationsbericht vom 15. Dezember 2000, den Austrittsbericht vom 21.
Dezember 2000 sowie die vertrauensärztliche Stellungnahme vom 13. März 2001
verneint -, ist nicht im krankenversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren
zu prüfen.

4.
Nach dem Gesagten hat die SWICA dem Beschwerdegegner zu Recht eine
Kostenbeteiligung für den Aufenthalt sowie den operativen Eingriff im Spital
Y.________ vom 14. bis 18. Dezember 2000 in Höhe von insgesamt Fr. 1085.90 in
Rechnung gestellt. Da sich die zur Erhebung von Mahngebühren und
Umtriebsspesen auch unter der Geltung des KVG notwendige - verordnungsmässige
oder statutarische - Grundlage (BGE 125 V 276 mit Hinweisen) in Art. 16 lit.
c der vorliegend massgebenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen der SWICA,
Ausgabe 1999, findet, ist die Erteilung der Rechtsöffnung insofern ebenfalls
rechtens. Dies gilt indessen nicht für die Betreibungskosten, welche von
Gesetzes wegen geschuldet (Art. 68 SchKG) und vom Schuldner bei erfolgreicher
Betreibung zusätzlich zum dem Gläubiger zugesprochenen Betrag zu bezahlen
sind (SZS 2001 S. 568 Erw. 5 mit Hinweisen; Urteil K. vom 18. Dezember 2002,
K 78/00, Erw. 3.4).

5.
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen, weil die - in der
Hauptsache - obsiegende Beschwerdeführerin als Krankenversicherer eine
öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne von Art. 159 Abs. 2 OG wahrnimmt und
die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zusprechung einer Entschädigung
nicht gegeben sind (BGE 123 V 309 Erw. 10, 119 V 456 Erw. 6b; SVR 2000 KV Nr.
39 S. 122 Erw. 3).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Juni 2002
vollständig und der Einspracheentscheid der SWICA Gesundheitsorganisation vom
10. Januar 2002, insoweit dieser den Beschwerdegegner zur Bezahlung von
Betreibungskosten in Höhe von Fr. 70.- verpflichtet und in diesem Umfang in
der Betreibung Nr. 52104 des Betreibungsamtes Horgen die definitive
Rechtsöffnung erteilt, aufgehoben werden.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen
zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 12. Februar 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: