Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 64/2002
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2002
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2002


K 64/02 /Rp

Urteil vom 9. August 2002
II. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber
Flückiger

F.________, Beschwerdeführerin,

gegen

ASSURA Kranken- und Unfallversicherung, Mettlenwald-
weg 17, 3037 Herrenschwanden, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung,
Bern

(Entscheid vom 30. April 2002)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 20. April 2000 verpflichtete die Assura Kranken- und
Unfallversicherung (nachfolgend: Assura) die 1969 geborene F.________ zur
Zahlung von neun Monatsprämien der Krankenversicherung für das Jahr 1996 in
der Höhe von total Fr. 1748.- (einschliesslich Fr. 20.- Mahngebühren) und
beseitigte den in der entsprechenden Betreibung erhobenen Rechtsvorschlag.
Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 9. Oktober 2000 fest. Einen auf
Beschwerde hin ergangenen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
welcher die Nichtigkeit der Verfügung vom 20. April 2000 und des
Einspracheentscheids vom 9. Oktober feststellte, hob das Eidgenössische
Versicherungsgericht mit Urteil vom 10. Oktober 2001 auf und wies die Sache
zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurück.

B.
Mit Einzelrichterentscheid vom 30. April 2002 wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern die Beschwerde ab.

C.
F.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen
Rechtsbegehren, es seien der kantonale Entscheid und der Einspracheentscheid
aufzuheben.

Die Assura schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Beschwerdegegnerin zu Recht neun
Monatsprämien des Jahres 1996 zuzüglich Mahngebühren eingefordert und den in
der entsprechenden Betreibung erhobenen Rechtsvorschlag beseitigt hat.

3.
Gemäss den verbindlichen (Erw. 1 hievor) Feststellungen der Vorinstanz war
die Beschwerdeführerin ab Mai 1994 bei der Assura krankenversichert. Sie
kündigte ihre Versicherungspolice mit Schreiben vom 13. Dezember 1995 per
Ende 1995. Die Beschwerdegegnerin teilte ihr jedoch am 9. Februar und 23.
April 1996 mit, die am 20. Dezember 1995 eingegangene Kündigung sei - ebenso
wie eine zweite Kündigung vom 16. Januar 1996 - erst per Ende 1996 wirksam.
In der Folge blieben neun Monatsprämien des Jahres 1996 à Fr. 192.-
unbezahlt. Diese sowie Mahngebühren von Fr. 20.- bilden Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens.

4.
4.1
Beschwerdegegnerin und Vorinstanz begründen ihren Standpunkt damit, das
Versicherungsverhältnis habe erst per Ende 1996 rechtsgültig gekündigt werden
können. Sie stützen sich dabei für das Jahr 1995 auf die Allgemeinen
Versicherungsbedingungen der Beschwerdegegnerin, für das Jahr 1996 auf die
Regelung der Kündbarkeit von Versicherungen mit Wahlfranchisen gemäss Art. 94
Abs. 2 KVV (in der vom 1. Januar bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen
Fassung). Die Prämien seien daher bis zum Erlöschen des
Versicherungsverhältnisses Ende 1996 geschuldet, und die Forderung für die
unbezahlt gebliebenen neun Monatsprämien (inklusive Mahngebühren, für welche
die erforderliche Grundlage [vgl. dazu BGE 125 V 276] vorhanden sei) bestehe
zu Recht. Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, die Kündigung
sei im Zusammenhang mit einer Prämienerhöhung erfolgt und auf einen früheren
Zeitpunkt wirksam geworden.

4.2
Die (obligatorisch) versicherte Person kann unter Einhaltung einer
dreimonatigen Kündigungsfrist den Versicherer auf das Ende eines
Kalendersemesters wechseln (Art. 7 Abs. 1 KVG, in Kraft seit 1. Januar 1996).
Die Kündigung einer Versicherung mit wählbarer Franchise ist gemäss Art. 94
Abs. 2 KVV in der vom 1. Januar bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen
Fassung frühestens ein Jahr nach dem Beitritt zu dieser Versicherung unter
Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist auf das Ende eines
Kalenderjahres möglich. Bei einer Prämienerhöhung kann die versicherte Person
den Versicherer unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat seit
Ankündigung der Prämienerhöhung auf das Ende eines Monats wechseln (Art. 7
Abs. 2 KVG in der vorliegend anwendbaren, vom 1. Januar 1996 bis 30.
September 2000 geltenden Fassung). Die Möglichkeit einer solchen Kündigung
bestand auch innerhalb des vorliegend gegebenen zeitlichen Rahmens. Eine im
Dezember 1995 wegen einer ab 1. Januar 1996 geltenden Prämienerhöhung
erklärte Kündigung wurde, sofern die entsprechenden Bedingungen erfüllt
waren, grundsätzlich per Ende Januar 1996 wirksam (RKUV 1997 KV Nr. 12 S. 300
f. Erw. 2), wobei nach Art. 7 Abs. 5 KVG das Versicherungsverhältnis
frühestens am Ende desjenigen Monats endete, in welchem die Mitteilung des
neuen Versicherers, die Versicherung bei ihm sei gewähr leistet, der
bisherigen Versicherungsgesellschaft zuging (BGE 127 V 42). Die
Kündigungsmöglichkeit gemäss Art. 7 Abs. 2 KVG besteht auch im Bereich der
Versicherung mit Wahlfranchise und geht Art. 94 Abs. 2 KVV in der vom 1.
Januar bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung vor (RKUV 1997 KV Nr.
12 S. 301 Erw. 2c mit Hinweis).

4.3
Auf welchen Zeitpunkt die Kündigung vom 13. Dezember 1995 für die
obligatorische Krankenpflegeversicherung wirksam wurde, hängt nach dem
Gesagten davon ab, ob die Voraussetzungen einer Kündigung gemäss Art. 7 Abs.
2 KVG erfüllt waren sowie gegebenenfalls ob und wann die in Art. 7 Abs. 5 KVG
erwähnte Bestätigung des neuen Versicherers bei der Beschwerdegegnerin
eintraf. Indem sich das kantonale Gericht zu diesen Fragen nicht äussert, hat
es den rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig festgestellt. Gleiches
gilt hinsichtlich der Frage, ob und allenfalls in welchem Umfang die geltend
gemachten Prämienforderungen dem VVG unterstehende Zusatzversicherungen
betreffen, deren Beurteilung nicht in den Zuständigkeitsbereich des
Sozialversicherungsgerichts fällt (BGE 124 III 232 Erw. 2b; 124 V 135 Erw. 3
und 123 V 324 Erw. 3, je mit Hinweisen). Die Sache ist daher zur
diesbezüglichen Ergänzung der Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Umkehrschluss aus Art. 134 OG). Dem
Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 30. April 2002
aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie im
Sinne der Erwägungen verfahre und neu entscheide.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 9. August 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Vorsitzende der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: