Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 59/2002
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K 59/02

Urteil vom 12. November 2002
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin
Fleischanderl

S.________, 1956, Beschwerdeführerin,

gegen

VISANA, Weltpoststrasse 19/21, 3000 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 3. April 2002)

Sachverhalt:

A.
Die 1956 geborene S.________ war bis Ende 2000 bei der Krankenkasse Visana
(nachfolgend: Visana) - seit 1. Januar 1996 im Rahmen der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung - versichert. Auf Grund einer der Visana durch das
Spital X.________ zugestellten Rechnung vom 4. April 1999 für gegenüber der
Versicherten in der Zeit vom 9. bis 16. Februar 1999 erbrachte Leistungen im
Betrag von Fr. 734.70 wurde S.________ eine Kostenbeteiligung von Fr. 613.45
berechnet. Nachdem diese nicht beglichen worden war, leitete die Visana die
Betreibung ein. Die Versicherte erhob Rechtsvorschlag, welchen die
Krankenkasse mit Verfügung vom 25. Januar 2001 - bestätigt durch
Einspracheentscheid vom 11. Januar 2002 - beseitigte und S.________ zur
Bezahlung einer Kostenbeteiligung in Höhe von Fr. 613.45, zuzüglich Fr. 50.-
Mahnkosten sowie Fr. 100.- Bearbeitungsgebühren, verpflichtete.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher S.________ sinngemäss die
Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheides mit der Begründung
beantragte, das Spital X.________ habe nicht erbrachte Leistungen verrechnet,
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 3. April
2002).

C.
S.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und erneuert ihr
vorinstanzlich gestelltes Rechtsbegehren.

Während die Visana auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Zu prüfen ist vorab, ob der von Beschwerdegegnerin und Vorinstanz
eingeschlagene Rechtsweg (Art. 80, 85 und 86 f. KVG) den vorliegenden
Verhältnissen Rechnung trägt.

1.1 In BGE 124 V 129 Erw. 2 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht mit
Hinweis auf BGE 97 V 20 und RKUV 1995 Nr. K 971 S. 181 Erw. 2 erkannt, dass
die unter der Geltung des KUVG entwickelte Rechtsprechung, nach welcher eine
Streitigkeit zwischen einer versicherten Person und einem Versicherer
bezüglich der Anwendung eines Tarifs im Einzelfall - worunter auch die
unrichtige Anwendung einer Tarifposition fällt (BGE 121 V 225 f. Erw. 4a, 120
V 346 und 455, 119 V 317 Erw. 2, 116 V 133 f. Erw. 2a mit Hinweisen) -
entweder vom kantonalen Versicherungsgericht oder aber vom Schiedsgericht zu
entscheiden ist, wenn die versicherte Person vom Versicherer verlangt, dass
dieser beim Schiedsgericht gegen den Leistungserbringer klagt, mit dem
Inkrafttreten des KVG weiterhin Bestand hat (vgl. Art. 86 f., 89 und 89 Abs.
3 KVG).

1.2 Umstritten ist die Höhe der der Beschwerdeführerin auf Grund der Rechnung
des Spitals X.________ vom 4. April 1999 durch die Visana in Rechnung
gestellten Kostenbeteiligung bzw. welche Kosten für die erbrachten Leistungen
berechnet werden durften. Während die Visana die Rechnungstellung - als
Honorarschuldnerin im System des Tiers payant (Art. 42 Abs. 2 KVG; Art. 9
Abs. 1 der Vereinbarung zwischen dem Kantonalverband Bernischer Krankenkassen
und dem Verband Bernischer Krankenhäuser) - unbeanstandet gelassen hatte,
erklärte sich die Versicherte damit - im Rahmen der Kostenbeteiligung - nicht
einverstanden. Es liegt somit weder eine Streitigkeit zwischen einem
Versicherer und einem Leistungserbringer gemäss Art. 89 Abs. 1 KVG noch -
unmittelbar - eine solche nach Art. 89 Abs. 3 KVG (System des Tiers garant,
Art. 42 Abs. 1 KVG) vor. Ob Art. 89 Abs. 3 KVG auf den hier zu beurteilenden
Sachverhalt analog Anwendung fände und der Beschwerdeführerin auch - über die
Visana - der Klageweg ans kantonale Schiedsgericht offen gestanden hätte
(vgl. dazu Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR]/Soziale Sicherheit, Rz 416, insbesondere
letzter Satz), ist auf Grund des Umstandes, dass die Höhe der
Kostenbeteiligung gemäss Art. 64 KVG im Streite liegt, für welche die Kosten
der für die Versicherte erbrachten Leistungen massgeblich sind, wohl eher zu
verneinen. Da die Beschwerdeführerin jedoch davon abgesehen hat, durch die
Visana Klage beim Schiedsgericht erheben zu lassen, braucht diese Frage vor
liegend nicht abschliessend beantwortet zu werden. Es wurde jedenfalls zu
Recht von der Visana das Verfügungs- und Einspracheverfahren im Sinne von
Art. 80 sowie 85 KVG und vom Verwaltungsgericht des Kantons Bern (als
kantonalem Versicherungsgericht) das Beschwerdeverfahren nach Art. 86 f. KVG
durchgeführt und in dessen Rahmen vorfrageweise über die Richtigkeit der
Rechnungstellung des Leistungserbringers entschieden.

2.
Im angefochtenen Entscheid wird unter Hinweis auf Art. 64 KVG in Verbindung
mit Art. 103 KVV zutreffend dargelegt, dass sich die Versicherten an den
Kosten der für sie erbrachten Leistungen in Form einer Franchise sowie eines
Selbstbehaltes zu beteiligen haben. Richtig wiedergegeben - weshalb auch
darauf zu verweisen ist - werden ferner die massgebende Bestimmung und
Rechtsprechung über die Vollstreckung u.a. der Kostenbeteiligungspflicht der
Versicherten gegenüber dem Versicherer (Art. 9 Abs. 1 KVV; BGE 119 V 331 Erw.
2b mit Hinweisen; vgl. auch Art. 88 Abs. 2 KVG in Verbindung mit Art. 80
SchKG).

3.
3.1 Unbestrittenermassen betrug die von der Beschwerdeführerin im Jahre 1999
zu entrichtende und bis im Zeitpunkt der Rechnungstellung durch das Spital
X.________ noch nicht in Abzug gebrachte - so genannte wählbare - Franchise
(Art. 93 Abs. 1 KVV) Fr. 600.-. Ebenfalls zu Recht grundsätzlich nicht im
Streite liegt ferner der durch die Visana errechnete Selbstbehalt von Fr.
13.45 (Fr. 734.70 ./. Fr. 600.- : 10). Gerügt wird indessen der Umfang -
nicht aber die tarifliche Erfassung - der vom Spital X.________ in Rechnung
gestellten Leistungen, auf Grund derer die Kostenbeteiligung erhoben wurde.

3.2 Vorinstanz und Beschwerdegegnerin erachten die gemäss Rechnung des
Spitals X.________ vom 4. April 1999 im Zeitraum vom 9. bis 16. Februar 1999
aufgeführten Konsultationen und ärztlichen Beratungen in Höhe von insgesamt
Fr. 734.70 im Lichte des die einzelnen Tarifpositionen erläuternden
Schreibens des behandelnden Assistenzarztes Dr. med. M.________,
Psychiatrische Poliklinik, Spital X.________, vom 24. November 1999 sowie der
die Rechnungstellung als korrekt bezeichnenden Briefe der Direktion Dienste
des Spitals X.________ vom 18. Februar und 20. März 2000 als gegenüber der
Versicherten erbracht. Die Beschwerdeführerin wendet hiegegen ein, es seien
insbesondere Konsultationen, Telefongespräche und eine Beratung vom 16.
Februar 1999 verrechnet worden, die nicht oder zumindest nicht in diesem
Ausmass stattgefunden hätten.

4.
Zu beurteilen ist demnach, welche medizinischen Vorkehrungen und sonstigen
Aufwendungen durch das Spital X.________ tatsächlich getätigt worden sind und
in welcher Höhe dafür Kosten in Rechnung gestellt werden durften.

4.1 In der beanstandeten Rechnung des Spitals X.________ vom 4. April 1999
wurden für Dienstag, 9. Februar 1999, Mittwoch, 10. Februar 1999, sowie
Dienstag, 16. Februar 1999, je eine "Beratung zwischen 7 und 20 Uhr, bis zu
15'" ("LSG-Nummer" 1015.01) angeführt. Des Weitern beinhaltet sie für den 9.
Februar 1999 17-mal, für den 10. Februar 1999 dreimal und für den 16. Februar
1999 viermal eine "Entschädigung für vermehrten Zeitaufwand" ("LSG-Nummer"
1073.01).

4.2 Gemäss übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin sowie des
behandelnden Arztes Dr. med. M.________ fanden während des Samstags, 6.
Februar 1999, und Sonntags, 7. Februar 1999, mehrere längere, anfänglich
anonym gehaltene Telefongespräche zwischen der Versicherten und dem Arzt
statt. Ebenfalls in grundsätzlicher Hinsicht unbestritten ist - auch wenn
sich die Beteiligten in Bezug auf den konkreten Zeitpunkt uneinig sind -,
dass in den folgenden Tagen eine etwa einstündige Besprechung mit Dr. med.
M.________, ein anschliessendes ca. zehnminütiges Gespräch mit dessen
Vorgesetztem, eine einstündige Besprechung mit einer Sozialarbeiterin sowie
Rücksprachen des Dr. med. M.________ mit der Sozialarbeiterin und dem
vorgesetzten Oberarzt und weitere Abklärungen durch die Sozialarbeiterin
erfolgten. Ungereimtheiten bestehen auf den ersten Blick indessen
hinsichtlich der Aussage der Beschwerdeführerin, wonach sie am Mittwoch, 10.
Februar 1999, die Beendigung des Falles telefonisch dem Spital X.________
mitgeteilt und den auf den 15. Februar 1999 festgesetzten Besprechungstermin
mit Dr. med. M.________ abgesagt habe, sowie den Angaben des Dr. med.
M.________ und der Direktion Dienste des Spitals X.________, welche für
Montag, 15. Februar 1999, und Dienstag, 16. Februar 1999, noch ausführliche
Telefongespräche der Versicherten mit Dr. med. M.________ vermerkten. Die
letztgenannte Unstimmigkeit bedarf indessen, wie im Folgenden darzulegen ist,
keiner näheren Abklärung.

4.3 Die Rechnung des Spitals X.________ vom 4. April 1999 weist erbrachte
Leistungen (ärztliche Beratungen, Telefongespräche etc.) im Umfang von
insgesamt sechs Stunden und 45 Minuten aus, handelt es sich bei der
Tarifposition 1015.01 des Spitalleistungskatalogs (SLK) doch um die zwischen
7 und 20 Uhr erfolgte ärztliche Beratung bis zu einer Viertelstunde Dauer und
bei der Position 1073.01 um die für jede weitere Viertelstunde festgesetzte
Entschädigung (vermehrter Zeitaufwand), wobei unter die letztgenannte Ziffer
auch Telefongespräche fallen, welche notwendigerweise länger als fünf Minuten
dauerten (vgl. Tarifposition 1030 des SLK). Die in dieser Höhe ergangene
Rechnungstellung erscheint bereits auf Grund der dargelegten, durch Dr. med.
M.________, dessen Vorgesetzten sowie die Sozialarbeiterin
unbestrittenermassen erbrachten intensiven medizinischen Betreuung als
angemessen und nachvollziehbar. An welchen Wochentagen diese ausgeübt wurde,
ist im Hinblick auf die Kosten der Leistungen letztlich nicht
ausschlaggebend, sodass die diesbezüglichen Beanstandungen der
Beschwerdeführerin am Ergebnis nichts zu ändern vermögen. Schliesslich hat
die Versicherte selber zugestanden, nach Mittwoch, 10. Februar 1999, bis zur
Beendigung des Falles noch "kurze administrative Telefonate" geführt zu
haben.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Soweit die Beschwerdeführerin
letztinstanzlich die Ausrichtung einer Umtriebsentschädigung beantragt,
entfällt ein derartiger Anspruch bereits mangels Obsiegens (Art. 159 Abs. 2
in Verbindung mit Art. 135 OG; vgl. auch BGE 110 V 82).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 12. November 2002

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: