Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 45/2002
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2002
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2002


K 45/02

Urteil vom 7. Januar 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin
Fleischanderl

K.________, 1942, Beschwerdeführer,

gegen

VISANA, Weltpoststrasse 19/21, 3000 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 27. März 2002)

Sachverhalt:

A.
Der 1942 geborene K.________ ist bei der Krankenkasse Visana (nachfolgend:
Visana) obligatorisch krankenversichert. Die dem Versicherten gewährte
Prämienverbilligung wurde zufolge Ausrichtung von Ergänzungsleistungen per 1.
Oktober 1999 eingestellt (Schreiben der Visana vom 27. Dezember 1999 an den
Versicherten; Schreiben des Amtes für Sozialversicherung und
Stiftungsaufsicht des Kantons Bern [ASVS] vom 10. Mai 2001), woraufhin die
Visana ihn am 15. September 1999 zur Prämiennachzahlung für die Monate
Oktober bis Dezember 1999 in Höhe von insgesamt Fr. 386.10 aufforderte.
K.________ weigerte sich, die Nachfakturierung zu akzeptieren und ersuchte
mit Schreiben vom 4. Januar 2000 um rückwirkende Beendigung seines
Versicherungsverhältnisses auf den 1. Oktober 1999. Nachdem er trotz
Mitteilung durch die Krankenkasse, dass auf Grund der bestehenden
Pflegeversicherung mit wählbarer Franchise in Höhe von Fr. 400.-
(nachfolgend: Franchisenversicherung) eine Kündigung frühestens per Ende
Dezember 2000 möglich sei, weiterhin weder ausstehende noch laufende Prämien
entrichtete, leitete die Visana die Betreibung ein. Mit Verfügung vom 6.
September 2000 verpflichtete die Krankenkasse ihn - unter gleichzeitiger
Aufhebung des vom Versicherten erhobenen Rechtsvorschlages - zur Bezahlung
der in Betreibung gesetzten Prämienschuld von Fr. 1513.75 zuzüglich
Mahnspesen im Betrag von Fr. 50.- sowie Bearbeitungskosten von Fr. 200.-.
Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 1. Dezember
2000).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 27. März 2002 ab.

C.
K.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei
die gegen ihn erhobene Betreibung aufzuheben und das Versicherungsverhältnis
zur Visana gestützt auf seine Kündigung vom 4. Januar 2000 als per 1. Oktober
1999 für beendet zu erklären. Ferner ersucht er um Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung.

Während die Visana auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Streitig und zu prüfen ist, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der
Beschwerdeführer der Visana Prämien für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 30.
Juni 2000 samt Akzessorien schuldet.

1.2 Da somit nicht Versicherungsleistungen im Streite stehen, hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche
Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit
Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Die versicherte Person kann unter Einhaltung einer dreimonatigen
Kündigungsfrist den Versicherer auf das Ende eines Kalendersemesters wechseln
(Art. 7 Abs. 1 KVG), wobei das Versicherungsverhältnis beim bisherigen
Versicherer erst endet, wenn ihm der neue Versicherer mitgeteilt hat, dass
die betreffende Person bei ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes
versichert ist (Art. 7 Abs. 5 Satz 1 KVG). Sobald der bisherige Versicherer
die Mitteilung erhalten hat, informiert er die betroffene Person, ab welchem
Zeitpunkt sie nicht mehr bei ihm versichert ist (Art. 7 Abs. 5 Satz 3 KVG).
Bei einer Prämienerhöhung kann die versicherte Person den Versicherer unter
Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat seit Ankündigung der
Prämienerhöhung, welche mindestens zwei Monate im Voraus zu erfolgen und den
Hinweis auf das Recht des Versichererwechsels zu beinhalten hat, auf das Ende
eines Monats wechseln (Art. 7 Abs. 2 KVG in der vorliegend anwendbaren, vom
1. Januar 1996 bis 30. September 2000 geltenden Fassung). Der Wechsel zu
einer tieferen Franchise, in eine andere Versicherungsform oder zu einem
anderen Versicherer ist frühestens ein Jahr nach Beitritt zur Versicherung
mit wählbaren Franchisen unter Einhaltung der in Art. 7 Abs. 1 und 2 KVG
festgesetzten Kündigungsfristen auf das Ende eines Kalenderjahres möglich
(Art. 94 Abs. 2 KVV).

3.
Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, da ihm die durch die
Einstellung der Prämienverbilligung per 1. Oktober 1999 verursachte
"Prämienerhöhung" nicht in bundesrechtskonformer Weise durch die Visana
eröffnet worden sei, habe die von ihm mit Schreiben vom 4. Januar 2000
ausgesprochene Kündigung des Versicherungsverhältnisses rückwirkend per 1.
Oktober 1999 Wirkung zu entfalten.

3.1 Zu prüfen ist zunächst, ob es sich bei der Prämiennachfakturierung der
Visana um eine Prämienerhöhung im Sinne des Art. 7 Abs. 2 KVG handelt.

3.1.1 Der Anspruch auf Prämienverbilligung der Versicherten gemäss Art. 65
KVG besteht gegenüber dem Kanton. Die kantonalen Bestimmungen über die
Prämienverbilligung sind autonomes kantonales Ausführungsrecht zum
Bundesrecht, wobei den Kantonen eine weitgehende Autonomie in der
Ausgestaltung der Prämienverbilligung zusteht. Dies gilt auch hinsichtlich
des Verfahrens: je nach Kanton bedarf die Prämienverbilligung eines Antrags
des Versicherten oder der Anspruch wird von Amtes wegen ermittelt und,
kantonal unterschiedlich, wird die Prämienverbilligung an den Versicherten
persönlich oder an ihre Versicherer überwiesen (vgl. zum Ganzen Gebhard
Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht
[SBVR], Soziale Sicherheit, S. 190 f. Rz 349 mit Hinweisen; Alfred Maurer,
Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel 1996, S. 152). Gegen
letztinstanzliche kantonale Entscheide im Bereich der Prämienverbilligung ist
denn auch grundsätzlich nicht das Rechtsmittel der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht
(Art. 128 OG), sondern dasjenige der staatsrechtlichen Beschwerde an das
Bundesgericht (Art. 84 Abs. 2, 86 Abs. 1 und 87 OG) gegeben (BGE 124 V 19 mit
Hinweisen).

3.1.2 Nach dem Gesagten haben Vorinstanz und Visana zutreffend festgestellt,
dass die Einstellung der Prämienverbilligung allein Sache des Kantons, für
den Kanton Bern im Speziellen des ASVS, war (vgl. Art. 25 f. der bis Ende
2000 gültig gewesenen bernischen Verordnung vom 25. Oktober 1995 über die
Durchführung des Versicherungsobligatoriums und über die Verbilligung von
Prämien in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung [KKVV; BSG 842.114]
sowie Art. 4 ff. der am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen bernischen
Krankenversicherungsverordnung [KKVV; BSG 842.111.1], hierunter namentlich
Art. 14). Dass der Beschwerdeführer den Einstellungsbeschluss indirekt erst
durch Mitteilung der Visana vom 27. Dezember 1999 erfahren hat, kann somit
ebenso wenig dieser angelastet werden, wie die Gewährung oder Nichtgewährung
der Prämienverbilligung an sich. Da sich durch den Wegfall der kantonalen
Prämienverbilligung nichts an der durch den Krankenversicherer festgelegten
und bundesrätlich genehmigten Tarifprämie (Art. 61 Abs. 1 und 4 KVG), die -
ohne gesetzliche oder vertragliche Reduktionen - als Prämie im Sinne von Art.
7 Abs. 2 KVG gilt (BGE 124 V 336 ff. Erw. 2 mit Hinweisen), ändert, kann die
Einstellung der Verbilligung nicht einen ausserordentlichen Kündigungsgrund
nach Art. 7 Abs. 2 KVG darstellen.

3.2 Im Hinblick auf die in Erw. 2 hievor dargelegten Vorschriften zum Wechsel
des Versicherers ist eine rückwirkende Kündigung des die obligatorische
Krankenpflege betreffenden Versicherungsvertrages nicht zulässig (nicht
veröffentlichtes Urteil S. vom 26. Oktober 1999, K 168/98). Daran ändert der
Umstand, dass der Beschwerdeführer offenbar erstmals mit Schreiben der Visana
vom 27. Dezember 1999 Kenntnis von der Einstellung der Prämienverbilligung
per 1. Oktober 1999 erfahren hat, nichts. Es oblag - wie zuvor ausgeführt -
nicht der Krankenkasse, den Versicherten über das Ende der Verbilligung zu
informieren, sondern der kantonalen Amtsstelle. Die Austrittserklärung vom 4.
Januar 2000 hinsichtlich des vom Beschwerdeführer als Ende des
Versicherungsverhältnisses gewünschten 30. September 1999 erfolgte somit
verspätet. Eine Kündigung entfaltet ihre Wirkung im Falle der verspäteten
Eingabe indes auf den nächstmöglichen Kündigungstermin (RKUV 1991 Nr. K 873
S. 195 Erw. 4a mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung), so dass ein
Wechsel des Versicherers vorliegend - unter der Voraussetzung, dass die
übrigen Erfordernisse (vgl. Erw. 2 hiervor) ebenfalls erfüllt sind -
angesichts der bestehenden Franchisenversicherung frühestens auf den 31.
Dezember 2000 möglich wäre. Der allfällige Umstand, dass der Beschwerdeführer
zu diesem Zeitpunkt mit der Bezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen im
Rückstand ist, hinderte die Wirksamkeit der Kündigung nicht (BGE 125 V 266).

3.3 In masslicher Hinsicht sind die von der Visana in Betreibung gesetzten
Prämien unbestritten. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz daher zu Recht
festgestellt, dass Prämien in Höhe von Fr. 1513.75 geschuldet sind. Da sich
die zur Erhebung von Mahngebühren und Umtriebsspesen auch unter der Geltung
des KVG notwendige - verordnungsmässige oder statutarische - Grundlage (BGE
125 V 276 mit Hinweisen) in Ziff. 4.6 lit. c der vorliegend massgebenden
Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Kasse zur obligatorischen
Krankenpflegeversicherung, gültig ab 1999, findet, ist die Bestätigung der
Rechtsöffnung durch das kantonale Gericht auch insofern rechtens.

4.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind (vgl. Erw. 1 hievor), wären
Gerichtskosten zu erheben (Art. 134 OG e contrario), welche der unterliegende
Beschwerdeführer zu tragen hätte (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135
OG). Die von ihm beantragte unentgeltliche Prozessführung kann indes gewährt
werden, da die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 125 V 202
Erw. 4a und 372 Erw. 5b). Der Beschwerdeführer wird jedoch darauf
hingewiesen, dass er dem Gericht Ersatz zu leisten haben wird, falls er
dereinst dazu im Stande sein sollte (Art. 152 Abs. 3 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden sie einstweilen auf
die Gerichtskasse genommen.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.- wird dem Beschwerdeführer
zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 7. Januar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: