Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 44/2002
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K 44/02

Urteil vom 7. April 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiberin Weber
Peter

Hotela Kranken- und Unfallkasse des SHV, Rue de la Gare 18, 1820 Montreux,
Beschwerdeführerin,

gegen

Hotel-Restaurant X._______ AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Beat Schmid, Kantonsstrasse 1a, 3930 Visp,

betreffend E.________

Kantonales Versicherungsgericht des Wallis, Sitten

(Entscheid vom 27. Juni 2002)

Sachverhalt:

A.
Die Hotel-Restaurant X._______ AG hat ihre Arbeitnehmer bei der HOTELA
Kranken- und Unfallkasse des SHV (nachfolgend: HOTELA)
kollektivtaggeldversichert mit einer Wartezeit von 60 Tagen. Der Angestellte
E.________erkrankte am 10. Januar 2001 und war bis 31. Mai 2001 zu 100 %, vom
1. Juni bis 24. Juni 2001 zu 50 % und ab 25. Juni 2001 zu 0 % arbeitsunfähig
(Arztzeugnis des Dr. I.________ Arzt für Allgemeine Medizin FMH, M.________,
vom 5. Juli 2001). Am 6. März 2001 meldete die Arbeitgeberin dessen
Arbeitsunfähigkeit der Kasse. In Aufhebung ihrer ablehnenden Verfügung vom
16. März 2001 gewährte die HOTELA trotz verspäteter Anmeldung durch die
Arbeitgeberin ausnahmsweise die vollen Leistungen (Einspracheentscheid vom
23. April 2001). Gestützt darauf bezahlte sie der Hotel-Restaurant X._______
AG am 26. April 2001 nach Abzug der Wartefrist von 60 Tagen die Taggelder vom
11. bis 20. März 2001.

Mit Verfügung vom 11. Juli 2001 lehnte die HOTELA die Übernahme der Taggelder
vom 21. März bis zum 25. Juni 2001 zufolge Meldepflichtverletzung ab. Auf
Einsprache der Arbeitgeberin hin bestätigte sie die abweisende Verfügung mit
der Begründung, für die Zeitspanne zwischen 10. Januar und 24. Juni 2001
entgegen den Reglementsbestimmungen kein monatliches Arztzeugnis zur
Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit erhalten zu haben, sondern nur ein
Schlusszeugnis zwei Wochen nach der Genesung des Versicherten
(Einspracheentscheid vom 28. September 2001).

B.
Die hiegegen von der Hotel-Restaurant X._______ AG erhobene Beschwerde hiess
das Kantonale Versicherungsgericht des Wallis gut, hob den
Einspracheentscheid vom 28. September 2001 auf und verpflichtete die HOTELA,
dem Zeitraum vom 21. März 2001 bis 25. Juni 2001 entsprechende Taggelder zu
leisten (Entscheid vom 27. Juni 2002).

C.
Die HOTELA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, in
Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei festzustellen, dass die
Hotel-Restaurant X._______ AG für die Zeit vom 21. März bis 25. Juni 2001
keinen Anspruch auf Krankentaggelder habe.

Während die Hotel-Restaurant X._______ AG auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Krankenversicherungsbereich geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides
eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im
vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen
anwendbar.

1.2  Das kantonale Gericht hat zutreffend dargelegt, dass nach der
Rechtsprechung die Versicherer in ihren Statuten und Reglementen unter
denselben Voraussetzungen wie unter dem alten Recht für den Fall einer
Anzeige- bzw. Meldepflichtverletzung eine Leistungskürzung oder -verweigerung
vorsehen können (BGE 127 V 154 f. Erw. 4a und b mit Hinweisen). Im Weitern
hat die Vorinstanz die reglementarischen Bestimmungen der Kasse über die
Meldepflicht im Krankheitsfall bzw. die Pflicht zur Bescheinigung durch ein
Arztzeugnis sowie über die Folgen bei deren Nichteinhaltung (Art. 25 Abs. 2,
4 und 7 sowie Art. 32 des Reglements der Krankentaggeldversicherung der
Kranken- und Unfallkasse des Schweizerischen Hotelier-Vereins in der Fassung
vom Januar 2001) korrekt wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden.

Zu betonen bleibt, dass solche Ordnungsvorschriften nach der Rechtsprechung
grundsätzlich nicht als bundesrechtswidrig gelten. Wie das Eidgenössische
Versicherungsgericht wiederholt entschieden hat, sind die Kassen befugt, ihre
Leistungen bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemässen Meldung zu verweigern, wenn
vom Versicherten die rechtzeitige Meldung vernünftigerweise verlangt werden
kann. Erscheint dagegen eine Pflichtverletzung nach den Umständen als
entschuldbar, so dürfen damit in der Regel keine Sanktionen verbunden werden;
zudem darf die Sanktion nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit
verstossen (zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes, in RKUV
2002 Nr. K 228 S. 447 veröffentlichtes Urteil I. vom 28. August 2002, K
104/01; BGE 127 V 154, 104 V 10 Erw. 2 und RKUV 1990 Nr. K 829 S. 4 Erw. 2a,
je mit Hinweisen).

2.
2.1 Es steht unbestrittenerweise fest, dass die Arbeitsunfähigkeit des von der
Beschwerdegegnerin kollektivtaggeldversicherten E.________nicht im Sinne des
Reglements der Krankentaggeldversicherung (Erneuerung mindestens alle 30
Tage) mit ärztlichem Attest gemeldet und belegt wurde. Streitig und zu prüfen
ist einzig, ob diese vertragswidrige Unterlassung das Dahinfallen der
Leistungspflicht aus der abgeschlossenen Taggeldversicherung für die Tage vom
21. März bis 25. Juni 2001 rechtfertigt, was die Beschwerdeführerin bejaht,
das kantonale Gericht hingegen unter Berufung auf den Grundsatz der
Verhältnismässigkeit verneint hat.

2.2 In rechtlicher Hinsicht ist auch seitens der Vorinstanz zu Recht
unbestritten, dass die Meldepflichtbestimmungen im Zusammenhang mit dem
Nachweis einer das versicherte Taggeld auslösenden Arbeitsunfähigkeit, wie
sie die Beschwerdeführerin unbestrittenerweise  kennt und dem
Beschwerdegegner ebenfalls nachgewiesenermassen bekannt waren,
bundesrechtskonform sind (BGE 127 V 154). Das kantonale Gericht ist jedoch
zum Schluss gelangt, dass die Anwendung der Reglementsbestimmung, welche
unstreitig den Leistungsausschluss bei unterbliebener Meldung vorsieht,
unverhältnismässig ist. Sie begründet dies zur Hauptsache mit dem Vorliegen
eines geringen Verschuldens. So führt sie aus, dass die Kasse aufgrund der
Tatsache, dass ihr im März 2001 zwei Arztzeugnisse, welche bis auf Weiteres
eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit attestierten, vorgelegen haben, jederzeit
hätte ihre Kontrollrechte wahrnehmen und zusätzliche Informationen einholen
können. Nach Ausbleiben eines weiteren Zeugnisses im April hätte sie
nachfragen und eines nachfordern können. Zudem seien lediglich zwei Atteste,
nämlich Ende April 2001 und Ende Mai 2001, ausgeblieben. Dasjenige vom 5.
Juli 2001 sei ohne Aufforderung sowie unverzüglich eingereicht worden.
Schliesslich habe der Arzt die regelmässigen Kontrollen bestätigt.

Die Vorinstanz übersieht, dass die Beschwerdegegnerin schon zu Beginn der
Arbeitsunfähigkeit die Dinge treiben liess, die erforderlichen Meldungen
nicht erstattete, weshalb sich die Beschwerdeführerin im unangefochten
gebliebenen Einspracheentscheid vom 23. April 2001 nur ausnahmsweise bereit
erklärte, das versicherte Taggeld trotzdem zu bezahlen. Dabei wies sie
nochmals explizit auf die Richtlinien im Reglement hin und hielt fest, dass
sie sich in Zukunft danach richten werde. Bei dieser Ausgangslage ist es
nicht zu beanstanden, wenn die beschwerdeführende Kasse das erneute
Fehlverhalten zum Anlass nahm, nun von der reglementarisch vorgesehenen
Rechtsfolge, der Leistungsverweigerung für den nicht von einer rechtzeitig
erneuerten Meldung erfassten Zeitraum, Gebrauch zu machen. Darin kann weder
eine gerichtlich zu korrigierende Bundesrechtswidrigkeit (Art. 104 lit. a OG)
noch Unangemessenheit (Art. 132 lit. a OG) erblickt werden. Die
vorinstanzliche Auffassung höhlt Bestimmungen, wie sie die beschwerdeführende
Kasse in ihrem Reglement kennt, aus und entleert sie ihres Sinnes, wenn trotz
nachgewiesener mehrfacher Unterlassungen, die allesamt nicht entschuldbar
sind, von ihrer Anwendung abgesehen wird.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Kantonalen Versicherungsgerichts des Wallis vom 27. Juni 2002 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, E.________, dem Kantonalen
Versicherungsgericht des Wallis und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.

Luzern, 7. April 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: