Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 34/2002
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K 34/02

Urteil vom 12. Februar 2004

I. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Ferrari, Meyer, Schön und Ursprung;
Gerichtsschreiber Fessler

K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Friedrich Schwab,
Renggenweg 1, 4450 Sissach,

gegen

ASSURA Kranken- und Unfallversicherung, Mettlenwaldweg 17, 3037
Herrenschwanden, Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 27. August 2001)

Sachverhalt:

A.
Der in Q.________ wohnhafte K.________ unterzog sich im Juni 2000 in der
Klinik X.________ einer Tumor-Operation am Kopf. Für die Behandlung und den
stationären Aufenthalt vom 19. bis 26. Juni 2000 stellte die Praxis-Klinik
X.________ AG Rechnung in der Höhe von Fr. 11'700.- (8 x Fr. 900.-
[Tagestaxe] + Fr. 4500.- [Aufpreis Privatabteilung]).
Die Klinik X.________ figurierte auf der Spitalliste des Kantons
Basel-Landschaft mit dem Vermerk «Ausschliesslich Halbprivat- und
Privatabteilung. Zulassung ohne Leistungsauftrag».
Am 28. Juli 2000 teilte der Krankenversicherer von K.________, die ASSURA
Kranken- und Unfallversicherung (nachfolgend: Assura), der Praxis-Klinik
X.________ AG mit, sie übernehme von den Kosten von Fr. 7200.- für den
Spitalaufenthalt vom 19. bis 26. Juni 2000 einen «Sockelbeitrag gemäss KVG»
von Fr. 312.- pro Tag. Diese Summe entsprach der nach Pflegetagen gemittelten
Durchschnittstaxe der Kantonsspitäler Laufen, Liestal und Bruderholz gemäss
Protokoll des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft vom 9. Juni 1998.
Daraufhin ersuchte K.________ mit Schreiben vom 15. September 2000 die Assura
um Rückerstattung der gesamten Fr. 7200.- entsprechend der Tagestaxe der
Praxis-Klinik Y._________.
Die in Q.________ gelegene Klinik Y.________ ist auf der gemeinsamen
Spitalliste beider Basel für somatische Akutmedizin mit dem Leistungsauftrag
Chirurgie (und Gynäkologie) im Rahmen der Grundversorgung sowie einem
Planbettenbestand von 43 Betten über alle Versicherungsklassen. Ihre
Tagespauschale für die allgemeine Abteilung beträgt Fr. 915.-.
Mit Verfügung vom 27. September 2000 sprach die Assura K.________ für
Behandlung und Aufenthalt in der Klinik X.________ im Juni 2000 einen
Sockelbeitrag von Fr. 312.- im Tag zu. Daran hielt der Krankenversicherer mit
Einspracheentscheid vom 17. November 2000 fest.

B.
Die von K.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Basel-Landschaft (heute: Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht) nach Vernehmlassung der Assura und nach
Durchführung einer Parteiverhandlung mit Entscheid vom 27. August 2001 ab.

C.
K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem hauptsächlichen
Rechtsbegehren, es sei der kantonale Gerichtsentscheid aufzuheben und die
Assura sei zu verpflichten, für den Aufenthalt in der Klinik X.________ vom
19. bis 26. Juni 2000 den Betrag von Fr. 900.- pro Tag rückzuerstatten.
Der Präsident des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, weist in seiner Vernehmlassung den Vorwurf in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zurück, der Entscheid sei wesentlich von
«politischen Überlegungen» geprägt. Assura und Bundesamt für
Sozialversicherung als Aufsichtsbehörde (seit 1. Januar 2004: Bundesamt für
Gesundheit) beantragen die Abweisung des Rechtsmittels.

D.
Der Rechtsvertreter von K.________ hat zu den Eingaben der Assura und des
Bundesamtes Stellung genommen. Diese haben sich hiezu nicht vernehmen lassen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die nicht weiter begründete Rüge in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
der angefochtene Entscheid sei «wesentlich geprägt durch 'politische
Überlegungen'», ist, weil sachfremd, nicht einzugehen.

2.
Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ist nicht
anwendbar (BGE 129 V 4 Erw. 2.1).

3.
3.1 Mit Beschluss des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft vom 1.
Februar 2000 wurde die Klinik X.________, beschränkt auf die Halbprivat- und
Privatabteilung sowie ohne Leistungsauftrag, in die kantonale Spitalliste
aufgenommen. Auf die vom Kantonalverband Basellandschaftlicher
Krankenversicherer hiegegen erhobene Verwaltungsbeschwerde trat der Bundesrat
mit Entscheid vom 28. Juni 2000 nicht ein. Soweit mit dem Rechtsmittel die
Revision seines Entscheides vom 23. Juni 1999 betreffend die gemeinsame
Spitalliste beider Basel für somatische Akutmedizin beantragt wurde, wies er
das Begehren ab.

3.2 In seinem Entscheid vom 23. Juni 1999 stellte der Bundesrat fest, die
gemeinsame Spitalliste beider Basel für somatische Akutmedizin stelle eine
integrale Liste dar. Die darin figurierenden Spitäler seien unterschiedslos
mit allen Abteilungen zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zugelassen. Die Liste enthalte Gesamtbettenzahlen
für die einzelnen Institutionen, ohne dass zwischen Betten der Allgemeinen
Abteilung auf der einen und der Halbprivat- und der Privatabteilung auf der
anderen Seite unterschieden werde. Nach dem vom KVG vorgegebenen
Zulassungssystem habe die Klinik X.________ einen Rechtsanspruch auf Aufnahme
ihrer Halbprivat- und Privatabteilung in die Spitalliste des Standortkantons
Basel-Landschaft, sofern die Infrastruktur- und
Dienstleistungsvoraussetzungen gemäss Art. 39 Abs. 1 lit. a-c KVG erfüllt
seien. Hingegen sei nicht erforderlich, das Leistungsangebot auf der Liste zu
umschreiben, noch habe der Kanton den Abteilungen Betten zuzuteilen (vgl.
Art. 39 Abs. 1 lit. d und e KVG). Nach Aufnahme der Halbprivat- und
Privatabteilung der Klinik X.________ in die kantonale Spitalliste oder in
die gemeinsame Liste beider Basel sei für die dort in Anspruch genommenen
Leistungen der Sockelbeitrag aus der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung geschuldet.

4.
4.1 Es steht zu Recht ausser Frage, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf
einen Beitrag aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung an die Kosten
für die stationäre Behandlung und den Aufenthalt in der Klinik X.________ im
Juni 2000 hat. Die Klinik ist auf der Spitalliste des Standortkantons
Basel-Landschaft aufgeführt (vgl. BGE 127 V 405 Erw. 2b/cc; vgl. auch RKUV
2001 Nr. KV 181 S. 423 Erw. 2.1, 1998 Nr. KV 54 S. 540 Erw. 3.2.3).
4.2 Umstritten ist der anwendbare Tarif zur Bemessung des Sockelbeitrages.
Nach Auffassung des kantonalen Gerichts und auch der Assura sowie des
Bundesamtes ist der Referenztarif aus dem Durchschnitt der Tarife für die
allgemeine Abteilung der kantonalen Spitäler Liestal, Bruderholz und Laufen
zu ermitteln. Daraus ergibt sich eine nach Pflegetagen gemittelte
Durchschnittstaxe von Fr. 312.- pro Tag. Dieser Referenztarif wurde am 9.
Juni 1998 vom basellandschaftlichen Regierungsrat festgesetzt.
Demgegenüber will der Beschwerdeführer den Sockelbeitrag nach dem Tarif für
die allgemeine Abteilung der Klinik Y.________ bemessen haben. Das ergäbe
eine Kostenvergütung im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
von Fr. 915.- pro Tag. Zur Begründung lässt er u.a. ausführen, die Klinik
X.________ sei eine Privatklinik und daher von der Kostenstruktur her einzig
mit der Klinik Y.________ vergleichbar. Der Tarif für die allgemeine
Abteilung dieses Spitals entsprechend einer Tagestaxe von Fr. 915.- sei vom
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft genehmigt worden.
Sowohl die kantonalen Spitäler Liestal, Bruderholz und Laufen als auch die
Klinik Y.________ figurieren auf der gemeinsamen Spitalliste beider Basel für
somatische Akutmedizin u.a. mit dem Leistungsauftrag Chirurgie.

5.
5.1 Von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ganz oder teilweise zu
vergütende Leistungen sind grundsätzlich in dem hiefür vorgesehenen Verfahren
zu tarifieren (Art. 43 ff. KVG). Das gilt auch für die stationäre Behandlung
einschliesslich Aufenthalt in einem Spital (Art. 49 Abs. 1 erster Satz KVG;
BGE 125 V 103 Erw. 3.1; RKUV 1999 Nr. KV 83 S. 353 Erw. 4.1).
5.2 Ist die Halbprivat- oder Privatabteilung eines Spitals oder einer Klinik
zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
zugelassen und fehlt eine tarifvertragliche oder tarifbehördliche Regelung,
haben die rechtsanwendenden Organe und Gerichtsbehörden für die Bestimmung
des Umfangs des Vergütungsanspruchs einen Referenztarif festzulegen (RKUV
2001 Nr. KV 181 S. 427 ff. Erw. 3.2.3 und 4 mit Hinweis auf BGE 123 V 304
Erw. 6b/dd und 125 V 101 Erw. 2). Dabei haben sie diejenige Tarifordnung
heranzuziehen, welche im Standortkanton für vergleichbare Spitäler gilt,
deren allgemeine Abteilungen als Leistungserbringer im
krankenversicherungsrechtlichen Sinne zugelassen sind.

Das Kriterium der Vergleichbarkeit für die Bestimmung des Referenztarifes
bezieht sich nicht auf die Kostenstruktur des Spitals in Bezug auf die
Halbprivat- und Privatabteilung. Vielmehr kommt es darauf an, ob die
fragliche der diagnostischen oder therapeutischen Behandlung einer Krankheit
dienende Leistung angeboten wird. Ob das Spital auch über eine allgemeine
Abteilung verfügt und diese ebenfalls zur Tätigkeit zu Lasten der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassen ist, spielt keine Rolle
(RKUV a.a.O. S. 429 Erw. 3.2.5).

6.
6.1 Wäre die im Juni 2000 in der Klinik X.________ beim Beschwerdeführer
vorgenommene Tumor-Operation auch in der Klinik Y.________ grundsätzlich
möglich gewesen, spräche an sich nichts gegen die Anwendung des Tarifs für
die allgemeine Abteilung dieses Privatspitals oder zumindest dessen
Mitberücksichtigung bei der Bestimmung des Referenztarifs. Der Tarif für die
Klinik Y.________ für die Bemessung des Sockelbeitrages fiele nicht schon
deshalb ausser Betracht, weil die Klinik X.________ keine allgemeine
Abteilung führt, welche zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zugelassen ist.
Schliesslich stünde einer Anwendbarkeit des Tarifs für die Klinik Y.________
der Umstand nicht von vornherein entgegen, dass als Folge der
Subventionierung durch die öffentliche Hand (vgl. Art. 49 Abs. 1 KVG und BGE
123 V 319 f. Erw. 4c) die Tarife für die allgemeine Abteilung der drei
kantonalen Spitäler Liestal, Laufen und Bruderholz bedeutend niedriger sind.

6.2
6.2.1Hingegen fällt die Anwendung des Tarifs für die allgemeine Abteilung der
Klinik Y.________ als Referenztarif für die Bemessung des Sockelbeitrages aus
einem anderen Grund ausser Betracht. Entscheidend ist, dass die Klinik
X.________ nicht auf der gemeinsamen Spitalliste für somatische Akutmedizin
beider Basel figuriert. Diese Liste enthält alle Spitäler und Kliniken,
welche für die Durchführung von chirurgischen Eingriffen, wie sie die
Tumor-Operation im Juni 2000 darstellt, zu Lasten der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zugelassen sind. Die Klinik X.________ befindet
sich zwar auf der Spitalliste des Standortkantons Basel-Landschaft. Sie gilt
somit als Leistungserbringer im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes. Sie
hat indessen keinen Leistungsauftrag im Rahmen der Grundversorgung und ihr
ist im Rahmen der Spitalplanung kein Bett zugeteilt worden. Die Klinik
X.________ ist zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zugelassen, im Unterschied zur Klinik Y.________
indessen nur mit der Halbprivat- und Privatabteilung. Insofern lassen sich
die beiden Kliniken nicht vergleichen, wie die Vorinstanz zutreffend
festhält. Volle Deckung der Kosten für Behandlung und Aufenthalt in der
Klinik X.________ setzt eine entsprechende Zusatzversicherung voraus.
Als Referenztarif den Tarif für die allgemeine Abteilung der Klinik
Y.________ zu nehmen, bedeutete faktisch eine Umgehung der Spitalplanung. Die
mit der gemeinsamen Spitalliste beider Basel für somatische Akutmedizin
bezweckte Beschränkung der zu Lasten der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung im Bereich der Chirurgie tätigen stationären
Leistungserbringer würde vereitelt.

6.2.2 Wird eine bestimmte Leistung auch in öffentlichen oder öffentlich
subventionierten Spitälern angeboten, nimmt die versicherte Person aber
gleichwohl die Dienste eines Privatspitals in Anspruch, hat für allfällige
höhere Kosten grundsätzlich nicht die obligatorische
Krankenpflegeversicherung aufzukommen. Im vorliegenden Fall sind keine
Umstände gegeben, welche ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigten. Wie
das Bundesamt richtig festhält, hatte der Versicherte sich für die Klinik
X.________ entschieden, weil er von dem dort tätigen Belegarzt Prof. Dr. med.
S.________ operiert werden wollte. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
ausgeführt, es sei um einen schwierigen, grösstes Geschick erfordernden
Eingriff gegangen. Prof. Dr. med. S.________ sei dem Beschwerdeführer als
regionale Kapazität für solche Operationen empfohlen worden. Sein Vertrauen
in diesen Facharzt sei nicht enttäuscht worden. Der bisherige Verlauf sei
ausgesprochen gut. Dass die Tumor-Operation an keinem anderen Spital auf der
gemeinsamen Liste für somatische Akutmedizin beider Basel «lege artis» und
mit der gleichen Erfolgswahrscheinlichkeit hätte durchgeführt werden können,
wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht anzunehmen. Mit Prof. Dr. med.
S.________ als «Arzt der Wahl» hat daher der Beschwerdeführer mit den Worten
des Bundesamtes «eine Leistung bezogen, die klar über das hinausgeht, was
nach KVG versichert ist».

6.3 Der nach dem Gesagten anwendbare Referenztarif (Durchschnitt der Tarife
für die allgemeine Abteilung der kantonalen Spitäler Liestal, Bruderholz und
Laufen) entsprechend einer Tagespauschale von Fr. 312.- ist in masslicher
Hinsicht nicht angefochten.

6.4 Der kantonale Entscheid ist somit rechtens.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG)
zugestellt.
Luzern, 12. Februar 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der I. Kammer:   Der Gerichtsschreiber:
i.V.