Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 32/2002
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2002
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2002


K 32/02

Urteil vom 9. August 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber
Scartazzini

S.________, Beschwerdeführer,

gegen

Assura Kranken- und Unfallversicherung, Mettlenwaldweg 17, 3037
Herrenschwanden, Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 9. Januar 2002)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 14. Juni 2001 bestätigte die Assura Kranken- und
Unfallversicherung (Assura) ihr Schreiben vom 4. Juli 2000, wonach sie den
1925 geborenen S.________ per 1. Juli 2000 in die obligatorische
Grundversicherung aufgenommen und, nach Feststellung, dass der Antragsteller
vorgängig nicht versichert war, rückwirkend ab 1. Januar 1996 eine
Strafprämie in der Höhe von Fr. 7'422.- erhoben hatte. Die dagegen
eingereichte Einsprache, mit welcher hauptsächlich die Versicherungspflicht
und die Erhebung eines Prämienzuschlages wegen verspätetem Kassenbeitritt
beanstandet wurden, wies die Assura mit Entscheid vom 7. August 2001 ab. Zur
Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Versicherung sei zustande
gekommen und die Erhebung der Strafprämie tangiere das Existenzminimum des
Versicherten keineswegs.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher S.________ die Rechtsbegehren
stellte, die Strafprämie sei zu streichen, eventualiter sei diese von 50 %
auf unter 30 % zu reduzieren und als Aufgeld auf die normalen Monatsprämien
verteilt auf die doppelte Anzahl der Verzugsjahre zu leisten, hiess das
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft (heute Kantonsgericht
Basel-Landschaft) mit Entscheid vom 9. Januar 2002 insofern teilweise gut,
als die Strafprämie auf Fr. 5'937.60 herabgesetzt wurde.

C.
S. ________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, unter Kosten-
und Entschädigungsfolge zu Lasten der Assura, dass die Strafprämie nicht als
Einmalzahlung, sondern als Aufgeld auf die ordentlichen Monatsprämien zu
entrichten sei, und zwar gleichmässig verteilt auf die doppelte Anzahl der
Verzugsjahre.

Während die Assura auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Kranken- und
Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), auf
eine Vernehmlassung.

Nach Abschluss des Schriftenwechsels hat der Beschwerdeführer am 5. Juni 2002
eine als Replik bezeichnete Zuschrift und am 7. November 2002 eine
Zusammenstellung seines Vermögens per 31. Oktober 2002 eingereicht.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechtes (ATSG) vom 6. Oktober 2000
ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt
des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides vom 7. August 2001
eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2,
127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

1.2  Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

1.3  Nach der Rechtsprechung ist es - ausser im Rahmen eines zweiten
Schriftenwechsels, für dessen nur ausnahmsweise angezeigte Anordnung (Art.
110 Abs. 4 OG) vorliegend kein Anlass besteht - grundsätzlich nicht zulässig,
nach Ablauf der Rechtsmittelfrist neue Unterlagen einzureichen, es sei denn,
diese stellten neue erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel im
Sinne von Art. 137 lit. b OG dar und wären als solche geeignet, eine spätere
Revision des Gerichtsurteils zu begründen (BGE 127 V 353). Dies trifft auf
die Eingaben des Beschwerdeführers vom 5. Juni und 7. November 2002 nicht zu.

1.4  Streitig und zu prüfen ist im vorliegenden Verfahren, ob der
Prämienzuschlag von Fr. 5'937.60 als einmaliger Betrag oder als Aufgeld auf
die ordentlichen Monatsprämien bzw. gleichmässig verteilt auf die doppelte
Anzahl der Verzugsjahre zu begleichen ist. Der Beschwerdeführer beanstandet
in der Tat weder die Versicherungs-pflicht noch den vom Kantonsgericht
festgelegten Betrag der Strafprä-mie. Zudem befand die Vorinstanz, die Frage
einer zeitlich verteilten Begleichung der zu erhebenden Strafprämie stelle
sich lediglich, so-weit die finanzielle Situation des Versicherten es nicht
zulasse, den Betrag in einer einmaligen Bezahlung bei ihm einzufordern.
Folglich ist ebenfalls zu prüfen, ob das kantonale Gericht es zu Recht als
massgeblich erachtete, dass sich der Beschwerdeführer in einer
wirt-schaftlichen Lage befindet, die es zulässt, die einmalige Begleichung
des Prämienzuschlages zu fordern.

1.5  Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid zutreffend darge-legt,
dass
die Begleichungsart des Prämienzuschlages weder im Ge-setz noch in der
Verordnung geregelt ist. Offenbar habe der Be-schwerdeführer den ersten Satz
von Art. 8 Abs. 1 KVV, wonach die Erhebungsdauer für den Prämienzuschlag bei
verspätetem Beitritt nach Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes der doppelten Dauer der
Verspätung entspricht, in dem Sinne verstanden, dass der Zuschlag während
einer Dauer von 10 Jahren - entsprechend der im vorliegenden Fall doppel-ten
Verzugsdauer - auf die normale Prämie aufzurechnen sei. Diese Bestimmung
regle aber die Frage, für welche Zeitspanne der Zuschlag dem Versicherten zu
berechnen und nicht wie dieser zu begleichen ist.

2.
2.1 Zur Begründung der beantragten Abweisung der vorinstanzlichen Beschwerde
und der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat die Assura im Wesentlichen
ausgeführt, auf Grund der gewichtigen finanziellen Ressourcen des
Beschwerdeführers sei nicht ersichtlich, warum er nicht in der Lage sein
sollte, den Prämienzuschlag wegen verspätetem Kassenbeitritt als Ganzes zu
bezahlen. Das Begehren, die Strafprämie während der doppelten Verzugsdauer
von 10 Jahren auf die normale Prämie aufzurechnen, müsse schon aus
Praktikabilitätsgründen abge-lehnt werden, insbesondere nachdem der
Beschwerdeführer seine Mitgliedschaft auf Ende 2001 bei ihr gekündet hatte.
Dieser Stand-punkt wird auch im angefochtenen Entscheid vertreten. Das
kantonale Gericht führte dazu aus, die vom Beschwerdeführer beantragte
Be-gleichung der Strafprämie während der doppelten Verzugsdauer wäre
grundsätzlich möglich gewesen; nach seinem Austritt aus der Assura würden
jedoch Praktikabilitätsüberlegungen gegen eine gestaffelte Rückzahlung über
Jahre hinweg sprechen.

2.2  Der von der Krankenkasse und der Vorinstanz vertretenen Auffas-sung kann
nicht gefolgt werden. Zu beachten ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit,
und zwar sowohl hinsichtlich der Betragsberech-nung als auch bezüglich der
Begleichungsart im Sinne der Dauer, während welcher die versicherte Person
den Prämienzuschlag zu entrichten hat (BGE 129 V 271 Erw. 4.1.2). Auf Grund
von Art. 5 Abs. 2 KVG können keine Prämien rückwirkend eingefordert werden.
Der Versicherer wird von verspätet Beigetretenen hingegen eine höhere Prämie
verlangen als von den übrigen Versicherten (Botschaft über die Revision der
Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 1992 I 93 ff, insbesondere
143). Der Prämienzuschlag nach Art. 5 Abs. 2 KVG darf nicht in Form eines
einmaligen Beitrags erhoben werden, sondern ist als Zuschlag zu den
monatlichen Prämien der obligatorischen Krankenversicherung zu entrichten
(BGE 129 V 270 Erw. 3.3). Die Frage, in welcher wirtschaftlichen Lage sich
der Versicherte befindet, stellt sich dabei nicht.

Darüber, während welcher Dauer bzw. nach welcher Begleichungsart die
Bezahlung des Prämienzuschlages zu erfolgen habe, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht entschieden, die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 KVV könne
ohne Korrektur dieser Bestimmung dazu führen, dass die Sanktionsdauer nicht
mehr in einem vernünftigen Verhältnis zur fehlerhaften Unterlassung steht. In
Anlehnung an Art. 95 Abs. 1 UVG dürfe eine Maximaldauer von fünf Jahren daher
nicht überschritten werden (BGE 129 V 273 Erw. 4.3). Beizufügen ist, dass
entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht entscheidend sein kann, ob nach
erfolgtem verspätetem Kassenbeitritt ein Versicherungs-wechsel stattfindet.
Denn es ist sowohl zu verhindern, dass sich der Versicherte der Erhebung
eines Prämienzuschlages entzieht, als auch zu gewährleisten, dass sich die
monatlich zu entrichtende Straf-prämie gleichmässig auf die Versicherer
verteilt.

2.3  Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Entrichtung des
Prämien-zuschlages
von Fr. 5'937.60 im vorliegenden Fall zu Unrecht als Ein-malzahlung vom
Beschwerdeführer gefordert wurde. Er hat sie dem-zufolge als Aufgeld auf die
ordentlichen Monatsprämien gleichmässig verteilt auf die doppelte Anzahl der
Verzugsjahre innerhalb einer Maximaldauer von fünf Jahren zu bezahlen. Die
Sache ist daher an die Kasse zurückzuweisen, damit sie den monatlichen Betrag
des Prä-mienzuschlages festlegt, den ihr zustehenden Betrag einfordert und
die ihr nachfolgenden Krankenkasse über den seit Versicherungs-wechsel zu
erhebenden Zuschlag benachrichtigt.

3.
Da keine Versicherungsleistungen im Streite stehen, ist das Verfahren
kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem Ausgang des Prozesses
entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzu-erlegen
(Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Ent-scheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 9. Januar 2002 und der
Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 7. August 2001 in dem Sinne
aufgehoben, dass mit der Fest-stellung, der Beschwerdeführer habe die
Strafprämie als Aufgeld auf die ordentliche Monatsprämie gleichmässig
verteilt auf die doppelte Anzahl der Verzugsjahre innerhalb einer
Maximaldauer von fünf Jah-ren zu entrichten, die Sache an die
Beschwerdegegnerin zurückge-wiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen
neu verfüge.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 300.- werden der Assura Kranken- und
Unfallversicherung auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 300.- wird dem Beschwerde-führer
zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Land-schaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG)
zugestellt.

Luzern, 9. August 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: