Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 134/2002
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K 134/02

Urteil vom 26. August 2003
II. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard;
Gerichtsschreiberin Kopp Käch

K.________, 1977, Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Vater B._______

gegen

SWICA Gesundheitsorganisation, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401
Winterthur, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 21. Oktober 2002)

Sachverhalt:

A.
Die 1977 geborene K.________ ist bei der SWICA Gesundheitsorganisation
(nachfolgend SWICA) krankenversichert. Sie litt unter therapieresistenten
Kopfschmerzen, was ihre Zahnärztin Dr. med. dent. S.________ in einen
möglichen Zusammenhang mit retinierten Weisheitszähnen stellte und weswegen
sie die Patientin an Dr. med. et Dr. med. dent. A.________ überwies. Am 15.
September 1998 entfernte dieser im Spital L.________ bei K.________ drei
Weisheitszähne, woraus Kosten von insgesamt Fr. 2'664.20 resultierten. Nach
diverser Korrespondenz und nach Beizug ihres Vertrauenszahnarztes Dr. med.
dent. M.________ lehnte die SWICA mit Verfügung vom 23. Juni 1999 eine
Übernahme dieser Kosten ab. An ihrem Standpunkt hielt die Krankenkasse nach
Einholung von Berichten des Dr. med. dent. P.________, Klinik für Zahn-,
Mund- und Kieferkrankheiten und Kieferchirurgie-Poliklinik für orale
Chirurgie X.________, vom 25. November 1999 und 17. Juli 2000 mit
Einspracheentscheid vom 17. Oktober 2000 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 21. Oktober 2002 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________, vertreten durch ihren
Vater, wiederum die Übernahme der Kosten der Entfernung der drei
Weisheitszähne durch die Krankenkasse beantragen. Bezüglich der medizinischen
Angaben verweist sie auf ein ärztliches Zeugnis des Dr. med. et Dr. med.
dent. A.________ vom 20. November 2002.

Die SWICA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Im zweiten Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Standpunkten fest,
K.________ wiederum unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Dr. med. et Dr.
med. dent. A.________ vom 7. März 2003.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Krankenversicherungsbereich geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier:
17. Oktober 2000) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b),
sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden
Bestimmungen anwendbar.

2.
2.1 Die Leistungen, deren Kosten von der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung bei Krankheit zu übernehmen sind, werden in Art. 25
des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) in allgemeiner Weise
umschrieben. Im Vordergrund stehen die Leistungen der Ärzte und Ärztinnen,
dann aber auch der Chiropraktoren und Chiropraktorinnen sowie der Personen,
die im Auftrag von Ärzten und Ärztinnen Leistungen erbringen.

Die zahnärztlichen Leistungen sind in der genannten Bestimmung nicht
aufgeführt. Die Kosten dieser Leistungen sollen im Krankheitsfalle der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung nur in eingeschränktem Masse
überbunden werden, nämlich wenn die zahnärztliche Behandlung durch eine
schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems (Art. 31 Abs. 1 lit. a
KVG) oder durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt
(Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG) oder zur Behandlung einer schweren
Allgemeinerkrankung oder ihrer Folgen notwendig ist (Art. 31 Abs. 1 lit. c
KVG).

2.2 Gestützt auf Art. 33 Abs. 2 und 5 KVG in Verbindung mit  Art 33 lit. d
der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) hat das Departement in der
Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
(Krankenpflege-Leistungsverordnung [KLV]) zu jedem der erwähnten Unterabsätze
von Art. 31 Abs. 1 KVG einen eigenen Artikel erlassen, nämlich zu lit. a den
Art. 17 KLV, zu lit. b den Art. 18 KLV und zu lit. c den Art. 19 KLV. In Art.
17 KLV werden die schweren, nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems
aufgezählt, bei denen daraus resultierende zahnärztliche Behandlungen von der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind. In Art. 18 KLV
werden die schweren Allgemeinerkrankungen und ihre Folgen aufgelistet, die zu
zahnärztlicher Behandlung führen können und deren Kosten von der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu tragen sind. In Art. 19 KLV
schliesslich hat das Departement die schweren Allgemeinerkrankungen
aufgezählt, bei denen die zahnärztliche Massnahme notwendiger Bestandteil der
Behandlung darstellt.

2.3 In BGE 124 V 185 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden,
dass die in Art. 17-19 KLV erwähnten Erkrankungen, welche von der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmende zahnärztliche
Behandlungen bedingen, abschliessend aufgezählt sind. Daran hat es in
ständiger Rechtsprechung festgehalten (BGE 129 V 83 Erw. 1.3 mit Hinweisen).

3.
Aus den Akten ersichtlich und unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin
unter therapieresistenten Kopfschmerzen litt und sich deswegen behandeln
liess. In diesem Zusammenhang wurde sie an Dr. med. et Dr. med. dent.
A.________ überwiesen, welcher ihr am 15. September 1998 drei Weisheitszähne
entfernte. Streitig und zu prüfen ist, ob die Kosten dieser Behandlung von
der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind.

3.1 Im Rahmen der Abklärung der Leistungspflicht teilte Dr. med. et Dr. med.
dent. A.________ der SWICA am 19. Januar 1999 mit, bei der Beschwerdeführerin
hätten pericoronale Infekte und follikuläre Zysten bei verlagerten
Weisheitszähnen im Oberkiefer beidseits und im Unterkiefer links vorgelegen.
Es sei um die Behandlung einer Erkrankung an sich gemäss Art. 25 KVG, nicht
um deren Auswirkungen auf das Odontoparodont im Sinne eines Zahnschadens
gegangen.

3.2 Nach Beizug ihres Vertrauenszahnarztes qualifizierte die SWICA die
Entfernung der Weisheitszähne als zahnärztliche Behandlung. Sie  lehnte eine
Übernahme der Behandlungskosten von vornherein ab, da keiner der drei
entfernten Weisheitszähne verlagert gewesen sei, sondern nur eine
Zahnretention vorgelegen habe, was keine schwere Erkrankung darstelle. Nach
Einholung zweier Berichte des Dr. med. dent. P.________ vom 25. November 1999
und 17. Juli 2000 hielt die SWICA im Einspracheentscheid vom 17. Oktober 2000
daran fest, dass eine Verlagerung der entfernten Weisheitszähne mit
Krankheitswert in Anbetracht der übereinstimmenden Beurteilungen der
beigezogenen Zahnärzte nicht als nachgewiesen gelten könne.

3.3 Die Vorinstanz ging ebenfalls vom Vorliegen einer zahnärztlichen
Behandlung aus und prüfte, ob diese durch eine schwere, nicht vermeidbare
Erkrankung des Kausystems im Sinne von Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG bedingt sei.
In Frage komme dabei einzig eine Verlagerung von Zähnen und Zahnkeimen mit
Krankheitswert gemäss Art. 17 lit. a Ziff. 2 KLV, wobei eine Behandlung nur
soweit zu übernehmen wäre, wie es der Krankheitswert des Leidens notwendig
mache. Das kantonale Gericht kam wie die Krankenkasse zum Schluss, dass das
Vorliegen einer Verlagerung nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt sei. Selbst wenn sie jedoch zu
bejahen wäre, würde es am für den qualifizierten Krankheitswert
erforderlichen pathologischen Geschehen fehlen, wobei der Vollständigkeit
halber festzuhalten sei, dass die geltend gemachten Kopfschmerzen nicht
darunter subsumiert werden könnten.

3.4 In den Berichten des Dr. med. et Dr. med. dent. A.________ vom 20.
November 2002 und 7. März 2003, welche die Beschwerdeführerin zur Begründung
ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht hat, wird im wesentlichen
ausgeführt, der Weisheitszahn 38 sei impaktiert  sowie transversal verlagert
und die Weisheitszähne 18 und 28 seien retiniert verlagert gewesen. Es hätten
sowohl ärztliche Krankheitswerte gemäss Art. 2 KVG, als auch zahnärztliche
Krankheitswerte gemäss Art. 31 KVG, speziell Art. 17 lit. a Ziff. 2 KLV
vorgelegen, wobei die ärztliche Indikation überwogen habe. Die Patientin habe
sich nämlich wegen Kopfschmerzen in Behandlung gegeben und sei in diesem
Zusammenhang an ihn als Fachspezialisten für Kiefer- und Gesichtschirurgie
überwiesen worden. Diese Hauptbeschwerden würden indessen sowohl vom
Krankenversicherer wie auch von der Vorinstanz negiert.

4.
Für die Beurteilung der vorliegend streitigen Leistungspflicht aus der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist zunächst der Krankenkasse und
der Vorinstanz darin beizupflichten, dass die Entfernung von Weisheitszähnen
eine zahnärztliche Behandlung darstellt. Die Leistungspflicht für diese
zahnärztliche Behandlung  richtet sich demzufolge nach Art. 31 Abs. 1 KVG in
Verbindung mit Art. 17 ff. KLV.

4.1 Art. 17 und 18 KLV regeln gestützt auf Art. 31 Abs. 1 lit. a und b KVG
die Übernahme der Kosten für die zahnärztliche Behandlung durch die
obligatorische Krankenpflegeversicherung für den Fall, dass diese entweder
durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems oder durch
eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt ist. Art. 19 KLV
sodann umfasst gestützt auf Art. 31 Abs. 1 lit. c KVG die Übernahme der
Kosten der zahnärztlichen Behandlung, die zur Behandlung einer schweren
Allgemeinerkrankung oder ihrer Folgen notwendig ist. Für die Frage der
anwendbaren Rechtsgrundlage kommt es somit darauf an, ob, wie bei Art. 17 und
18 KLV, die schwere Erkrankung des Kausystems oder die schwere
Allgemeinerkrankung oder deren Folgen die zahnärztliche Behandlung notwendig
macht oder ob, wie bei Art. 19 KLV, die zahnärztliche Behandlung notwendiger
Bestandteil der Behandlung einer schweren Allgemeinerkrankung darstellt.

4.2 Wenn Krankenkasse und Vorinstanz eine Leistungspflicht gestützt auf Art.
31 Abs. 1 lit. a KVG in Verbindung mit Art. 17 lit. a Ziff. 2 KLV prüfen,
stellt sich die Frage, ob die vorgenommene Extraktion der drei Weisheitszähne
durch eine Verlagerung mit Krankheitswert bedingt war. Nach Art. 17 KLV wäre
sodann die Behandlung nur so weit von der Versicherung zu übernehmen, wie es
der Krankheitswert des Leidens notwendig macht. Wie im angefochtenen
Entscheid ausführlich dargelegt wird, kann in Anbetracht der schlüssigen und
übereinstimmenden Berichte des Dr. med. dent. P.________ vom 25. November
1999 und 17. Juli 2000 sowie des Dr. med. dent. M.________ vom 5. Februar
1999, welche in Kenntnis der Ausführungen des Dr. med. et Dr. med. dent.
A.________ abgegeben wurden, weder eine Verlagerung der entfernten
Weisheitszähne noch ein Krankheitswert in Form von pericoronalen Infekten und
follikulären Zysten als mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt gelten.
Entscheidender ist aber, dass die zahnärztliche Behandlung, wie Dr. med. et
Dr. med. dent. A.________ in seinen Eingaben selbst anerkennt, zur Behandlung
der Kopfschmerzen eingeleitet wurde. Der Krankheitswert im Zusammenhang mit
der zahnärztlichen Behandlung lag nicht innerhalb des Kausystems begründet,
sondern bestand in Kopfschmerzen. Gestützt auf Art. 17 KLV hat die
Versicherung die Kosten der zahnärztlichen Behandlung demzufolge nicht zu
übernehmen. Aber auch nach Art. 19 KLV trifft die Versicherung keine
Leistungspflicht. Kopfschmerzen sind als Allgemeinerkrankung, deren ärztliche
Behandlung der Unterstützung und Sicherstellung durch zahnärztliche Vorkehren
bedarf, nicht anerkannt.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 26. August 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Vorsitzende der II. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: