Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 49/2002
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H 49/02

Urteil vom 19. November 2002
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiberin
Schüpfer

S.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch die X.________ AG,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug

(Entscheid vom 20. Dezember 2001)

Sachverhalt:

A.
Die in Y.________ domizilierte Firma S.________ ist der Ausgleichskasse des
Kantons Zug seit ihrer Gründung am 28. August 1997 als abrechnungspflichtige
Arbeitgeberin angeschlossen. Im Rahmen einer am 13. November 2000
durchgeführten Arbeitgeberkontrolle stellte die Kasse fest, dass im Jahre
1997 über einen Betrag von Fr. 51'400.- nicht abgerechnet worden war. Mit
Nachzahlungsverfügung vom 4. Dezember 2000 verpflichtete sie die S.________
AG zur Bezahlung von paritätischen AHV/IV/EO/AlV/FAK-Beiträgen in Höhe von
Fr. 8438.10 (einschliesslich Verzugs- und Vergütungszins).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer - nachdem am 2. Oktober 2001 ein
Entscheid der verwaltungsrechtlichen Kammer desselben Gerichts betreffend die
S.________ AG gegen die Steuerkommission des Kantons Zug ergangen war - mit
Entscheid vom 20. Dezember 2001 ab.

C.
Die S.________ AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag
auf Aufhebung der vorinstanzlich bestätigten Nachzahlungsverfügung vom 4.
Dezember 2000.
Während die Vorinstanz und die Ausgleichskasse auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden,
als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im
vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der
Beitragsschuld gegenüber der Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen
verhält (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).

2.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Das kantonale Gericht hat den Begriff des massgebenden Lohnes nach Art. 5
Abs. 2 AHVG und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die
Beurteilungskompetenz der Ausgleichskassen und über die Abgrenzung zwischen
massgebendem Lohn einerseits und beitragsfreiem Kapitalertrag andererseits im
Falle von Leistungen an Arbeitnehmer, die gleichzeitig Inhaber
gesellschaftlicher Beteiligungsrechte sind, zutreffend dargelegt (BGE 103 V
1; ZAK 1989 S. 147 und 303). Darauf wird verwiesen.

4.
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Beschwerdeführerin auf dem Betrag
von Fr. 51'400.-, welcher dem mitarbeitenden Aktionär und
Verwaltungsratspräsidenten B.________ als Einkaufsumme in dessen
Pensionskasse einbezahlt wurde, bundesrechtliche paritätische Beiträge zu
bezahlen hat.

4.1 Richtet eine Aktiengesellschaft Leistungen an Arbeitnehmer aus, die
gleichzeitig Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte sind oder Inhabern
solcher Rechte nahe stehen, erhebt sich bei der Festsetzung sowohl der
direkten Bundessteuer als auch der Sozialversicherungsbeiträge die Frage, ob
und inwieweit es sich um Arbeitsentgelt (massgebenden Lohn) oder aber um
verdeckte Gewinnausschüttung (Kapitalertrag) handelt. Letztere unterliegt der
direkten Bundessteuer im Sinne von Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG, da sie ihren
Grund in der Aktionärseigenschaft des Empfängers hat. Nach der Rechtsprechung
gehören Vergütungen, die als reiner Kapitalertrag zu betrachten sind, nicht
zum massgebenden Lohn. Ob dies zutrifft, ist nach Wesen und Funktion einer
Zuwendung zu beurteilen. Deren rechtliche oder wirtschaftliche Bezeichnung
ist nicht entscheidend und höchstens als Indiz zu werten. Unter Umständen
können auch Zuwendungen aus dem Reingewinn einer Aktiengesellschaft
massgebender Lohn sein; dies gilt laut Art. 7 lit. h AHVV namentlich für
Tantiemen. Es handelt sich dabei um Vergütungen, die im Arbeitsverhältnis
ihren hinreichenden Grund haben. Zuwendungen, die nicht durch das
Arbeitsverhältnis gerechtfertigt werden, gehören nicht zum massgebenden Lohn.
Solche Gewinnausschüttungen werden als geldwerte Leistungen bezeichnet, d.h.
Leistungen, die eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern, ihr selbst oder
ihren Gesellschaftern nahe stehenden Personen ohne entsprechende
Gegenleistung zuwendet, aber unbeteiligten Dritten unter den gleichen
Umständen nicht erbringen würde (BGE 103 V 3, ZAK 1989 S. 147 f. Erw. 2b, Pra
1997 Nr. 96 S. 520 Erw. 4b; nicht veröffentlichtes Urteil R. AG vom 30. Juni
1997, H 295/95).

4.2 Praxisgemäss ist es Sache der Ausgleichskassen, selbstständig zu
beurteilen, ob ein Einkommensbestandteil als massgebender Lohn oder als
Kapitalertrag qualifiziert werden muss. Der in Art. 23 AHVV enthaltenen
Ordnung entspricht es, dass sich die Ausgleichskassen in der Regel jedoch an
die bundessteuerrechtliche Betrachtungsweise halten. Soweit es vertretbar
ist, soll eine verschiedene Betrachtungsweise der Steuerbehörde und der
AHV-Verwaltung vermieden werde, dies um der Einheit und Widerspruchslosigkeit
der gesamten Rechtsordnung willen (BGE 103 V 4 f.; ZAK 1989 S. 148 Erw. 2c).
Die Parallelität zwischen sozialversicherungs- und steuerrechtlicher
Qualifikation ist nicht leichthin preiszugeben. Davon geht die Rechtsprechung
aus, indem sie für den Schluss auf massgebenden Lohn bei Bezügen, die
rechtskräftig der Reinertragssteuer unterworfen sind, ausschlaggebende Gründe
verlangt (oberwähntes Urteil R. AG).

5.
Das kantonale Gericht hat erwogen, der Betrag von Fr. 51'400.- sei der
Pensionskasse zugunsten des bei der Beschwerdeführerin angestellten Aktionärs
B.________ einbezahlt worden. Zahlungen eines Arbeitgebers in die berufliche
Vorsorge eines Angestellten hätten den Grund im Arbeitsverhältnis. Es handle
sich folglich nicht um Kapitalertrag, sondern um eine beitragspflichtige
Lohnzahlung.

Mit dem rechtskräftigen Entscheid der verwaltungsrechtlichen Kammer des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 2. Oktober 2001 hat sich die
Vorinstanz nicht auseinandergesetzt. Insbesondere ist dem angefochtenen
Entscheid nicht zu entnehmen, welche hinreichenden Gründe vorliegen, um von
der rechtskräftigen steuerrechtlichen Qualifikation, die zumindest vertretbar
erscheint, abzuweichen. Der blosse Hinweis, die Gutschrift in seine
Vorsorgeeinrichtung sei im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit dem
Arbeitsverhältnis von B.________ zu sehen, genügt als solcher nicht, um von
der steuerrechtlichen Beurteilung abzuweichen. Der Umstand, dass die
Beschwerdeführerin in den kantonalen Verfahren einerseits argumentierte, bei
der Zahlung handle es sich um "irrtümlich vom falschen Konto verbuchte"
Lohnzahlungen (vgl. Sachverhaltsdarstellung im Entscheid vom 2. Oktober 2001)
und sich andererseits gerade gegen diese Qualifikation durch die
Ausgleichskasse und die Vorinstanz wehrte, reicht nicht aus, um steuer- und
sozialversicherungsrechtlich für denselben Sachverhalt zu einer
unterschiedlichen Qualifikation zu gelangen. Wer es sich, wie die hier am
Recht stehende Firma, steuerrechtlich gefallen lassen muss, dass bestimmte
Entgelte, die an die mitarbeitenden Aktionäre ausgerichtet wurden, nicht als
geschäftsmässig begründete Zahlungen anerkannt werden können, wird nur
schwerlich verstehen, warum auf eben diesem steuerbaren Reinertrag
Sozialversicherungsbeiträge geschuldet sein sollen (erwähntes Urteil R. AG).
Daran ist auch hier festzuhalten.

Im Entscheid vom 2. Oktober 2001 nahm das Verwaltungsgericht des Kantons Zug
eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Kriterien vor, welche gemäss
bundesgerichtlicher Rechtsprechung für eine verdeckte Gewinnausschüttung
sprechen. Insbesondere führte es aus, dass der genannte Betrag einen
Arbeitnehmerbeitrag darstellte, falls es sich dabei tatsächlich um eine
Lohnzahlung handeln würde. Auf dem Personalvorsorge-Sammelausweis erscheine
die Summe aber als "Einmaleinlage Arbeitgeber". Dieses Vorgehen deute auf
eine verdeckte Gewinnausschüttung hin. Wenn die verwaltungsrechtliche Kammer
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug alsdann zur Auffassung gelangt ist,
der fragliche Betrag von Fr. 51'400.- wäre nicht ausbezahlt worden, wenn es
sich um einen aussenstehenden, nicht kapitalmässig an der AG beteiligten
Dritten gehandelt hätte, so ist dies bei den gegebenen Verhältnissen auch
sozialversicherungsrechtlich nicht in Frage zu stellen. Der vorinstanzliche
Entscheid wendet den Begriff des massgebenden Lohnes unrichtig an, was
Bundesrecht verletzt (Art. 104 lit. a OG).

6.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario; vgl. Erw. 2
hievor). Dem Ausgang des Prozesses entsprechend sind die Gerichtskosten von
Fr. 1000.- der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 135 OG). Diese hat der obsiegenden Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art.  159 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135
OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten
ist, werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 20.
Dezember 2001 und die Nachzahlungsverfügung der Ausgleichskasse des Kantons
Zug für das Jahr 1997 vom 4. Dezember 2000 im Umfange der bundesrechtlichen
Sozialversicherungsbeiträge und Verwaltungskosten aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1000.- wird der Beschwerdeführerin
zurückerstattet.

4.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

5.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug wird über eine Parteientschädigung für
das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen
Prozesses zu befinden haben.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und
dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 19. November 2002

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: