Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 42/2002
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H 42/02

Urteil vom 11. Dezember 2002
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber Arnold

Architekturbüro M.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Conrad Frey, Bellerivestrasse 209, 8008 Zürich,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 19. Dezember 2001)

Sachverhalt:

A.
Bei der Arbeitgeberkontrolle vom 1. Februar 2000 stellte der Revisor der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) u.a. fest, dass die
M.________ AG auf in den Jahren 1995 und 1996 ihrem einzigen Verwaltungsrat
und Geschäftsführer O.________ ausbezahlten Provisionen  keine
Sozialversicherungsbeiträge entrichtet hatte. Mit Verfügungen vom 23. März
2000 verpflichtete die Sozialversicherungsanstalt Zürich, Ausgleichskasse
(nachfolgend: SVA), die Gesellschaft zur Nachzahlung paritätischer bundes-
und kantonalrechtlicher Sozialversicherungsbeiträge samt dazugehörigen
Folgekosten in der Höhe von insgesamt Fr. 62'680.25 (für das Jahr 1995) und
von Fr. 101'401.85 (für das Jahr 1996). Sie ging dabei für das Jahr 1995 von
geleisteten Entschädigungen von Fr. 526'592.- aus; der das Jahr 1996
betreffenden Verfügung legte sie Entgelte von insgesamt Fr. 631'911.- zu
Grunde.

B.
Die von der M.________ AG hiegegen eingereichte Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 19. Dezember
2001).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die M.________ AG im Hauptpunkt
beantragen, der kantonale Gerichtsentscheid und die Nachzahlungsverfügungen
vom 23. März 2001 (recte: 2000) seien "ersatzlos aufzuheben"; eventuell seien
"die AHV-Nachtragsverfügungen 1995 und 1996 auf einen Lohn von Fr. 50'000.-
für 1995 und Fr. 150'000.- für 1996 zu reduzieren".

Die SVA und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden,
als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im
vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der
Beitragsschuld gegenüber der Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen
verhält (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).

2.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

3.
Im angefochtenen Entscheid werden die nachträglich der
Beitragszahlungspflicht unterworfenen Entschädigungen gesamthaft als
Provisionen bezeichnet. Nach den Akten, insbesondere dem Revisionsbericht
(vom 1. Februar 2000), den von der Beschwerdeführerin vorinstanzlich
eingereichten Buchhaltungsunterlagen sowie dem Schreiben des Kantonalen
Steueramtes Zürich (vom 16. April 1999) betreffend "... die Direkte
Bundessteuer Steuerperioden 1995 und 1996", ist zu folgern, dass nicht die
gesamten sondern bloss der weit überwiegende Teil der Entgelte Provisionen
betreffen (1995: Fr. 500'000 von insgesamt Fr. 526'592.-; 1996: Fr. 600'000.-
von total Fr. 631'911.-). Weil die durch die Verwaltung verfügte
Nachzahlungspflicht vor- wie letztinstanzlich unbestritten ist, soweit sie
nicht Provisionszahlungen zum Gegenstand hat, und das Total der nachträglich
erfassten Entschädigungen nach der Aktenlage nicht zu beanstanden ist, ist
letztinstanzlich auch in Nachachtung von Art. 114 Abs. 1 OG einzig zu prüfen,
ob das kantonale Gericht dadurch Bundesrecht verletzt hat (Art. 104 lit. a
OG), dass es unter dem Titel Provisionen an O.________ ausgerichtete Entgelte
(1995: Fr. 500'000.-; 1996: Fr. 600'000.-) als beitragspflichtiges Einkommen
aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit qualifizierte.

4.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hatte im Urteil vom 3. August 2000 (H
62/99) über die zwischen den Parteien strittige Frage zu befinden, ob in den
Jahren 1992 bis 1994 an O.________ ausbezahlte Provisionen als massgebender
Lohn zu erfassen sind. Auf Grund der weitgehend gleichen Streitlage - hier
wie dort ist die beitragsrechliche Behandlung von Provisionszahlungen zentral
- kann für die rechtlichen Grundlagen vollumfänglich auf dieses erste Urteil
verwiesen werden. Das gilt umso mehr, als in der vorliegend zu beurteilenden
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur die Anwendung der rechtsprechungsgemässen
Abgrenzungsgrundsätze zwischen Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit
im Sinne von Art. 9 Abs. 1 AHVG und massgebendem Lohn gemäss Art. 5 Abs. 2
AHVG, namentlich unter dem Blickwinkel der steuerlichen Taxation, beanstandet
wird.

4.1 In formellrechtlicher Hinsicht ist zu würdigen, dass die strittigen
Nachzahlungsverfügungen einzig der M.________ AG eröffnet wurden, nicht aber
dem betroffenen Arbeitnehmer. Die Vorinstanz hat O.________ weder beigeladen
noch die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen (BGE 113 V 1). Das ist mit
Blick auf die dominierende Stellung des O.________ in der Gesellschaft als
deren einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat, Geschäftsführer sowie
Alleinaktionär nicht zu beanstanden.

4.2 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 2 OG)
ist in den massgeblichen tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zur
rechtskräftig beurteilten Beitragszeit 1992 bis 1994 keine Änderung
eingetreten. Es ist daher davon auszugehen, dass O.________ die den
strittigen Provisionen zu Grunde liegenden Liegenschaftstransaktionen (Kauf
und Verkauf von Grundstücken) mit dem Ziel abwickelte, der im Bereich der
Architektur tätigen Beschwerdeführerin Aufträge zu beschaffen, und die
Provisionszahlungen geleistet wurden, um die grosse Zinslast
(Fremdkapitalzinsen) und die Verluste (durch Wertzerfall) abzugelten. Die
Beschwerdeführerin begründet ihre Rechtsvorkehr damit, dass "die
Interessenlage von Herrn O.________ und der Beschwerdeführerin nicht
identisch sind, dass die Provisionen nicht ins Privatvermögen, sondern in die
buchführungspflichtige Einzelfirma flossen und dass die Steuerveranlagung für
die AHV verbindlich sei, bzw. die Ausnahme von dieser Regel hier nicht
zutreffe" (Verwaltungsgerichtsbeschwerde S. 8). Sie bringt damit nichts vor,
was geeignet wäre, die beitragsrechtliche Qualifikation der strittigen
Provisionen gemäss Erwägung 5 des Urteils vom 3. August 2000 umzustossen.
Entgegen den Darlegungen der Beschwerdeführerin hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht darin nicht von einer identischen oder auch nur
übereinstimmenden Interessenlage der Beschwerde führenden Gesellschaft und
O.________ gesprochen, vielmehr massgeblich auf die enge wirtschaftliche
Verflechtung von O.________ einerseits und der von ihm als Alleinaktionär
vollumfänglich kontrollierten Beschwerdeführerin andererseits abgestellt. An
diesen Schlussfolgerungen ist festzuhalten. Nach den Akten bestehen
Anhaltspunkte dafür, dass die Steuerbehörden hinsichtlich eines Teils der
Provisionen (1995: Fr. 50'000.-; 1996: 150'000.-) auf verdeckte
Gewinnausschüttungen erkennen. Unter Berücksichtigung der hier gegebenen
spezifischen Umstände (besondere Art der Akquisitionstätigkeit bei enger
wirtschaftlicher Verflechtung von Gesellschaft und diesem kontrollierendem
Einzelunternehmer) besteht AHV-rechtlich unabhängig von der steuerrechtlichen
Behandlung kein Anlass, - teilweise - von beitragsfreiem Kapitalertrag
auszugehen.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem
Ausgang des Prozesses sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135
OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt
und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 11. Dezember 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:    Der Gerichtsschreiber: