Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 35/2002
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H 35/02

Urteil vom 13. Dezember 2004
III. Kammer

Bundesrichter Rüedi, Lustenberger und nebenamtlicher Richter Maeschi;
Gerichtsschreiber Fessler

J.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Hugo Feuz,
Justingerweg 18, 3005 Bern,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Freiburg, Impasse de la Colline 1, 1762 Givisiez,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, Givisiez

(Entscheid vom 6. Dezember 2001)

Sachverhalt:

A.
Die am 5. Februar 1993 gegründete Firma Y.________ AG mit Sitz in X.________
hatte laut Eintrag im Handelsregister u.a. zum Zweck Unterstützung und
Programmierung im EDV-Bereich, Verkauf von Hard- und Software sowie
Betriebsreorganisation und Unternehmensberatung. Einziger Verwaltungsrat der
Gesellschaft war J.________. Die Y.________ AG war der Ausgleichskasse des
Kantons Freiburg unterstellt. Am ........1998 wurde über die Firma der
Konkurs eröffnet. Mit Urteil vom 14. Dezember 1998 (5P.437/1998) bestätigte
das Bundesgericht (II. Zivilabteilung) die Konkurseröffnung und setzte den
Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit neu auf dieses Datum fest.

In dem im summarischen Verfahren durchgeführten Konkurs der Y.________ AG kam
die Ausgleichskasse mit ihrer eingegebenen Forderung von Fr. 8'075.60 voll zu
Verlust.

Mit Verfügung vom 12. Januar 2000 forderte die Ausgleichskasse von J.________
als ehemaligen und einzigen Verwaltungsrat der konkursiten Gesellschaft
Schadenersatz in der Höhe von Fr. 7'386.85 u.a. für entgangene
bundesrechtliche Sozialversicherungsbeiträge. Dagegen erhob der Belangte
Einspruch.

B.
In teilweiser Gutheissung der Klage der Ausgleichskasse verpflichtete das
Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof, mit
Entscheid vom 6. Dezember 2001 J.________ zur Bezahlung von Fr. 6'213.75.

C.
J.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die Klage sei
vollumfänglich abzuweisen.

Die Ausgleichskasse äussert sich nicht materiell und stellt keinen Antrag zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der Alters- und
Hinterlassenenversicherung, u.a. auch Art. 52 AHVG (vgl. immerhin BGE 129 V
11), geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen
Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen
führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), sind im
vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Bestimmungen
anwendbar (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen).

1.2 Im angefochtenen Entscheid werden die Rechtsgrundlagen zur subsidiären
Haftung der Organe einer juristischen Person nach Art. 52 AHVG in der bis 31.
Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung (BGE 123 V 15 Erw. 5b mit Hinweisen)
zutreffend dargelegt. Zu erwähnen sind insbesondere die Rechtsprechung zum
Begriff der Grobfahrlässigkeit (BGE 108 V 186 Erw. 1b und 202 Erw. 3a; vgl.
auch BGE 121 V 244 Erw. 4b) und zum Erfordernis des adäquaten
Kausalzusammenhanges zwischen der Missachtung von Vorschriften über die
Beitragsabrechnungs- und die Beitragzahlungspflicht (Art. 14 Abs. 1 AHVG in
Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV) und dem eingetretenen Schaden (BGE 119 V 406
Erw. 4a mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

2.
Bei der hier streitigen Schadenersatzpflicht nach alt Art. 52 AHVG geht es
nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen. Das
Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob der angefochtene
Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 OG in Verbindung mit
Art. 104 lit. a und b OG sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Vorliegend ist unbestritten, dass dem Beschwerdeführer als einzigem
Verwaltungsrat der Konkurs gegangenen Firma in der fraglichen Zeit 1994 bis
1998 formelle und materielle Organstellung zukam. Er haftet daher der
Ausgleichskasse für einen allfälligen adäquat kausal verursachten Schaden aus
unbezahlt gebliebenen paritätischen Beiträgen, soweit ihm ein schuldhaftes
Verhalten im Sinne von Absicht oder Grobfahrlässigkeit anzulasten ist.

3.1 Das kantonale Gericht hat die Zusammensetzung der Schadenssumme von Fr.
6213.75 unter Bezugnahme auf die von der Verwaltung eingereichten Belege und
die Konkursakten eingehend dargelegt. Danach sind die Beiträge für das dritte
Quartal 1997 (Rechnung vom 9. März 1998), Beiträge für die Zeit von Januar
bis Oktober 1998 (Rechnung vom 9. Dezember 1998) und für 1997 (Rechnung vom
16. März 1999) sowie eine Nachforderung für 1997 und 1998 (Rechnung vom 8.
April 1999) unbezahlt geblieben. Einschliesslich Verwaltungskostenbeiträge
sowie Mahngebühren und Betreibungskosten betreffend die Beiträge für das
dritte Quartal 1997 ergibt sich der Betrag von Fr. 7266.85 (Fr. 2701.65 + Fr.
1913.10 + Fr. 1699.- + Fr. 953.10). Dazu kommen Mahngebühren und
Betreibungskosten in Zusammenhang mit einer Nachforderung für 1996 von Fr.
120.- (Rechnung vom 16. Juli 1998). Von den Fr. 7386.85 hat die Vorinstanz
bereits verabgabte Fr. 1173.10 in Abzug gebracht. In der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nichts vorgebracht, was die
vorinstanzliche Ermittlung des Schadens als offensichtlich unrichtig
erscheinen liesse. Insbesondere kann nicht davon gesprochen werden, der
Beschwerdeführer sei der monatlichen oder quartalsweisen
Beitragszahlungspflicht 1997/98 immer vollumfänglich nachgekommen.
Unbegründet ist im Übrigen die Rüge, das kantonale Gericht habe in
Zusammenhang mit den von der Ausgleichskasse einverlangten Unterlagen eine
Gehörsverletzung begangen. Den Akten ist zu entnehmen, dass die Vorinstanz
dem Rechtsvertreter des Beklagten die von der Verwaltung eingereichten
Dokumente am 16. November 2001 in Kopie zugestellt hat. Damit genügte sie
unter den gegebenen Umständen dem Anspruch auf das rechtliche Gehör.

3.2
3.2.1Zum Verschulden ist mit dem kantonalen Gericht festzustellen, dass es
sich bei der konkursiten Firma um ein kleines Unternehmen handelte. An die
Sorgfaltspflicht des einzigen Verwaltungsrates ist daher ein strenger
Massstab anzulegen. Von ihm muss der Überblick über alle wesentlichen Belange
der Firma verlangt werden. Dazu gehört auch, für die Einhaltung der
Verbindlichkeiten gegenüber der Ausgleichskasse zu sorgen (vgl. BGE 108 V 203
Erw. 3b). Dieser Pflicht ist der Beschwerdeführer nicht hinreichend
nachgekommen, obschon er auch Geschäftsführer war und sich mit dem Lohn- und
Beitragswesen befasste. Insbesondere reichte er nicht immer fristgerecht oder
erst auf Mahnung hin die Lohnbescheinigungen ein.

3.2.2 Im Weitern hat die Vorinstanz richtig ausgeführt, dass bei einem
festgestellten Schaden infolge Missachtung von Vorschriften über die
Abrechnungs- und Beitragszahlungspflicht grundsätzlich von einem
absichtlichen oder zumindest grobfahrlässigen Verhalten des Arbeitgebers oder
der verantwortlichen Organe der Firma auszugehen ist (BGE 108 V 187 Erw. 1b;
ZAK 1985 S. 576 Erw. 2). Rechtfertigungs- und Exkulpationsgründe im Sinne der
Nichtbezahlung von Beiträgen zur Rettung eines Unternehmens, welches sich in
einer schwierigen finanziellen Lage befindet (BGE 108 V 187 f. Erw. 2; ZAK
1992 S. 248 Erw. 4b), sind nicht gegeben. Solche entlastenden Umstände werden
auch nicht geltend gemacht. Abgesehen davon hatte der Beschwerdeführer die
Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bestritten und die Konkurseröffnung
angefochten.

3.2.3 Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ändert an
der Schadenersatzpflicht nichts, dass die Beiträge im Pauschalverfahren
erhoben und quartalsweise festgesetzt wurden (Art. 34 Abs. 3 AHVV in der bis
31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung). Zwar kann bei ordnungsgemässer
Bezahlung der Akontobeiträge dem Arbeitgeber ein widerrechtliches,
haftungsbegründendes Verhalten in der Regel erst zur Last gelegt werden, wenn
er der Pflicht zur Ausgleichszahlung aufgrund der von der Ausgleichskasse
erstellten Jahresabrechnung nicht nachkommt (AHI 1993 S. 165 Erw. 4c mit
Hinweis; vgl. auch AHI 2002 S. 54 und SVR 2003 AHV Nr. 1 S. 3 Erw. 5; ferner
BGE 129 V 303 Erw. 3.4.2). Hat insbesondere die Ausgleichskasse bedingungslos
in das Pauschalverfahren eingewilligt, stellt die Nichtmeldung von
Veränderungen in der Lohnsumme während des Kalenderjahres allein nicht ein
grobfahrlässiges Verhalten im Sinne von alt Art. 52 AHVG dar (AHI 1993 S.
163). Umgekehrt sind die nicht abgerechneten Lohnsummen rechtzeitig zu
melden, damit die Pauschale für das Folgejahr neu festgesetzt werden kann
(nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 4. Januar 1995 [H 255/93]; vgl. AHI
1993 S. 166 Erw. 4d). Dieser Mitwirkungspflicht kam der Beschwerdeführer
indessen nur ungenügend nach. Namentlich reichte er die Lohnbescheinigung für
das vierte Quartal 1997 erst Ende 1998 ein. Als Folge davon konnte die
Jahresabrechnung 1997 erst nach der definitiven Konkurseröffnung erstellt
werden. Ebenfalls konnten die Pauschalbeiträge 1998 nicht zuverlässig
festgesetzt werden. Die daraus resultierenden Differenzbeträge sind daher vom
Beschwerdeführer zu vertreten. Wenn die Vorinstanz sein Verhalten als
grobfahrlässig im Sinne von alt Art. 52 AHVG qualifiziert hat, beruht diese
rechtliche Würdigung weder auf einer mangelhaften Sachverhaltsfeststellung
gemäss Art. 105 Abs. 2 OG noch verstösst sie sonst wie gegen Bundesrecht.

3.3 Zu bejahen ist schliesslich auch der adäquate Kausalzusammenhang zwischen
dem schuldhaften Verhalten und dem der Ausgleichskasse entstandenen Schaden.
Denn es kann nicht angenommen werden, der Schaden wäre auch dann im gleichen
Umfang eingetreten, wenn der Beschwerdeführer sich pflichtgemäss verhalten
hätte.

Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem
Prozessausgang entsprechend sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 900.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg,
Sozialversicherungsgerichtshof, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.

Luzern, 13. Dezember 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Vorsitzende der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: