Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 331/2002
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2002
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2002


H 331/02

Urteil vom 7. April 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Traub

Ausgleichskasse des Kantons Schaffhausen, Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen,
Beschwerdeführerin,

gegen

W.________, 1963, Beschwerdegegner,

Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen

(Entscheid vom 15. November 2002)

Sachverhalt:

A.
Der 1963 geborene W.________ betreute neben seiner hauptberuflichen
Anstellung an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in X.________ in den
Jahren 1997 bis 1999 Projekte für die Einwohnergemeinde Y.________
(Konzipierung des Internet-Auftritts; Erstellung eines Entwurfs für ein
städtisches Leitbild); daneben verfasste er Beiträge für eine
Personalzeitschrift. Hinsichtlich der 1998 und 1999 dafür bezahlten Honorare
erliess die AHV-Ausgleichskasse Schaffhausen am 19. Juli 2001
Nachzahlungsverfügungen gegen die Stadt Y.________, mit welchen paritätische
Sozialversicherungsbeiträge (nebst Verwaltungskosten und Verzugszinsen) auf
nicht abgerechneten Löhnen erhoben wurden. Den Beitragsforderungen lagen
AHV-pflichtige Lohnsummen von Fr. 20'759.- (1998) und Fr. 32'188.- (1999)
zugrunde.

B.
Die gegen diese Nachzahlungsverfügungen erhobene Beschwerde des W.________
hiess das Obergericht des Kantons Schaffhausen gut; die Ausgleichskasse habe
die fraglichen Einkünfte zu Unrecht als massgebenden Lohn für
unselbstständige Erwerbstätigkeit eingestuft und die Einwohnergemeinde
Y.________ als beitragspflichtige Arbeitgeberin ins Recht gefasst (Entscheid
vom 15. November 2002).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Ausgleichskasse Aufhebung des
kantonalen Entscheids.

Während die Stadt Y.________ vertreten durch den Stadtrat auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, äussern sich das kantonale Gericht
und W.________, ohne Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die strittigen Nachzahlungsverfügungen (Art. 39 AHVV) enthalten unter
anderem Beitragsforderungen zugunsten der Familienausgleichskasse. Die
Familienzulagen sind - abgesehen von denjenigen in der Landwirtschaft -
kantonal geregelt. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen beurteilt als
erste Rekursinstanz Beschwerden gegen Verfügungen der AHV-Ausgleichkassen (§
1 der Verordnung vom 10. Januar 1962 über das Beschwerdeverfahren vor der im
Bundesgesetz über die AHV vorgesehenen kantonalen Rekursbehörde; Art. 13 Abs.
1 des kantonalen Einführungsgesetzes vom 11. April 1994 zu den Bundesgesetzen
über die AHV und über die IV), ist somit auch insoweit entscheidungsbefugt,
als der Streitgegenstand auf kantonalem Recht beruht. Mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nunmehr sinngemäss verlangt, die den
Beschwerdegegner betreffenden Verwaltungsverfügungen vom 19. Juli 2001 seien
vollumfänglich wiederherzustellen. Darauf kann nur soweit eingetreten werden,
als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im
vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der
Beitragsschuld gegenüber der Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen
verhält (Art. 128 OG; BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).

1.2 Gegenstand der strittigen Verfügungen ist nicht die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen. Das Eidgenössische
Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
2.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Abgrenzung der selbstständigen von der unselbstständigen Erwerbstätigkeit
(Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 ff. AHVV; vgl. auch BGE 123 V 162 f. Erw. 1,
122 V 171 ff. Erw. 3) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.

2.2 Streitig und zu prüfen ist, ob in den Jahren 1998 und 1999 von der Stadt
Y.________ an W.________ bezahlte Honorare als massgebender Lohn im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 AHVG, somit als Einkommen aus unselbstständiger
Erwerbstätigkeit, zu betrachten sind, oder aber ob die Entschädigungen
Gegenleistung für eine selbstständige Tätigkeit darstellen.

2.3 Der Beschwerdegegner wurde einerseits als Projektkoordinator bei der
Vorbereitung des Internet-Auftritts der Stadt Y.________ eingesetzt;
anderseits wurde ihm die Aufgabe übertragen, ein Leitbild für die Stadt
Y.________ zu entwerfen. Fachleute, die einmalig oder wiederholt als Berater
zur Lösung von Fachproblemen hinzugezogen werden, ohne eindeutig in einem
Arbeitsverhältnis zum Auftraggeber zu stehen, gelten in der Regel als
selbstständigerwerbende Personen (BGE 110 V 78 Erw. 4b; Kaeser, Unterstellung
und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. 1996, Rz. 4.55). Die
projektbezogenen Arbeiten des Beschwerdegegners sind funktionell mit
denjenigen eines (Unternehmens-)Beraters vergleichbar. Da für solche
typischen Dienstleistungstätigkeiten häufig keine besonderen Investitionen
anfallen, tritt bei der Abgrenzungsfrage das Unternehmerrisiko als
Unterscheidungsmerkmal in den Hintergrund. Mehr Gewicht erhält dagegen die
Frage der arbeitsorganisatorischen Abhängigkeit (Urteil L. vom 26. September
2001, H 381/99, Erw. 2).

3.
3.1 Was das - nach dem Gesagten im vorliegenden Zusammenhang bloss nachrangige
- Kriterium des Unternehmerrisikos anbelangt, so durfte die Vorinstanz
aufgrund der aktenkundigen Tatsachen davon ausgehen, dass der
Beschwerdegegner nicht an der Infrastruktur der städtischen Verwaltung
teilhatte und seine Aufträge in wirtschaftlich eigenständiger Weise
verrichtete. So bezog er keine aufwandabhängigen Spesenvergütungen; für
Kosten aus dem Beizug Dritter, die vorliegend in erheblichem Umfang anfielen,
hatte er vielmehr selber aufzukommen. Der aus diesen Umständen gezogene
Schluss, dass der Beschwerdegegner persönlich ein gewisses wirtschaftliches
Risiko trug, beruht, entgegen den Ausführungen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, nicht auf einer offensichtlich unvollständigen
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts.

3.2 Das Kriterium der arbeitsorganisatorischen (Un-)Abhängigkeit, welchem ein
erhöhtes Gewicht beizumessen ist, enthält einen formalen und einen
materiellen Aspekt: Zunächst steht fest, dass der Beschwerdegegner im Rahmen
seiner Projektarbeiten nicht in die Verwaltungshierarchie der Stadt
Y.________ eingebunden war. Die unabhängige Stellung erscheint mit Blick auf
den inhaltlichen Charakter der fraglichen Arbeiten denn auch als sinnvoll.
Sowohl die Konzipierung des städtischen Internetauftrittes als auch der
Entwurf eines Stadtleitbildes stellten in sich geschlossene Projekte dar, die
nicht eigentliche Bestandteile einer bestimmten ständigen Verwaltungsaufgabe
sind, sondern den zuständigen Behörden ein Instrument in die Hand geben
sollen, um ihre - hier informatorischen - Verpflichtungen wahrzunehmen.
Freilich wäre an sich auch eine befristete Anstellung des Beschwerdegegners
in Frage gekommen; aus den vorerwähnten Überlegungen erweist sich aber das
zwischen dem Projektverantwortlichen und dem auftraggebenden Gemeinwesen
vereinbarte selbstständige Beschäftigungsverhältnis ohne weiteres als
sachgerecht. Dass es sich um einen Auftrag mit klar definierten Zielvorgaben
handelte, ändert daran nichts; solches entspricht dem üblichen Vorgehen bei
(irgend)einer Auftragserteilung (z.B. bei der Vertragserarbeitung durch einen
Rechtsanwalt oder bei der Erstellung von Bauplänen durch einen Architekten)
und schafft keineswegs eine arbeitsorganisatorische Abhängigkeit des
Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber (Urteil L. vom 26. September 2001,
H 381/99, Erw. 4b/bb). Des Weitern ist auch der Umstand, dass der
Beschwerdegegner im Rahmen seiner nebenberuflichen Tätigkeit ausschliesslich
für die eine Auftraggeberin tätig war, mit der Annahme eines selbstständigen
Erwerbsverhältnisses vereinbar (vgl. BGE 110 V 79 f. Erw. 4b), wie bereits
das kantonale Gericht festgehalten hat. Entsprechendes gilt hinsichtlich der
langen Dauer des Mandates; andernfalls könnten umfangreiche und aufwendige
Arbeiten gar nicht mehr als beitragsrechtlich selbstständig wahrgenommene
Mandate erledigt werden.

Keine andere Beurteilung der Statusfrage ergibt sich hinsichtlich der für die
Personalzeitschrift der Stadt Y.________ verfassten Artikel. Aus den Akten
geht hervor, dass diese Arbeiten ertragsmässig kaum zu Buche schlugen; somit
besteht kein Grund zur Annahme, es handle sich um eine eigenständige
journalistische Tätigkeit. Mit der Vorinstanz ist von einer bloss
gelegentlich erfolgenden Berichterstattung über die betreuten Projekte
auszugehen. Damit steht auch fest, dass das von Verwaltungspraxis und
Rechtsprechung zur Kennzeichnung unselbstständiger journalistischer
Erwerbstätigkeit herangezogene Element der regelmässigen Arbeitsleistung für
einen Verlag bzw. ein bestimmtes Medium entfällt (vgl. BGE 119 V 163 Erw.
3b).

3.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht
verletzt, wenn sie in Würdigung der gesamten Umstände zum Schluss gelangt,
dass die Tätigkeit von W.________ als selbstständige Erwerbstätigkeit zu
qualifizieren ist.

4.
Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 134 OG e contrario; Art. 135 in Verbindung mit Art. 156 Abs. 1
OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen,
dem Bundesamt für Sozialversicherung und der Einwohnergemeinde Y.________
zugestellt.

Luzern, 7. April 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: