Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 300/2002
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H 300/02

Urteil vom 23. Mai 2003

I. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Meyer, Ursprung und Kernen;
Gerichtsschreiber Ackermann

Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

E.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Schilling,
Rosenow Grob Schilling, Talacker 35, 8001 Zürich,

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 26. September 2002)

Sachverhalt:

A.
E. ________ ist der Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber als
Selbstständigerwerbender angeschlossen. Aufgrund einer rechtskräftigen
Verfügung vom 21. April 1994 hatte er in der Beitragsperiode 1992/93 für
Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit AHV/IV/EO-Beiträge (und
Verwaltungskosten) von Fr. 205'593.70 pro Jahr zu bezahlen. Auf einem
Teilbetrag davon, nämlich Fr. 376'033.85 (und weiteren für 1994 geschuldeten
Beiträgen) gewährte die Ausgleichskasse ihrem Mitglied am 26. September 1994
einen Zahlungsaufschub. Nachdem E.________ bei Ablauf des Tilgungsplanes Ende
September 1997 die Beiträge noch nicht vollumfänglich bezahlt hatte, räumte
ihm die Ausgleichskasse am 30. April 1999 für die damals noch ausstehende
Restschuld von Fr. 26'530.70 der Jahre 1992/93 einen weiteren
Zahlungsaufschub bis Ende Mai 1999 ein (sowie für den ausstehenden Betrag der
Jahre 1994/95 bis Ende Juli 1999). Nach vollständiger Beitragszahlung am 11.
August 1999 und nachdem die Ausgleichskasse mit zwei Verfügungen von 14.
Dezember 1999 Verzugszinsen für das Jahr 1999 von insgesamt Fr. 779.50
geltend gemacht hatte, setzte sie im Weiteren mit Verfügung vom 17. August
2001 die auf dem Betrag von Fr. 376'033.85 (ausstehende Beiträge für 1992/93
gemäss erstem Zahlungsaufschub) aufgelaufenen Verzugszinsen auf Fr. 87'853.15
fest.

B.
Gegen die Verzugszinsverfügung vom 17. August 2001 erhob E.________
Beschwerde, weil er nach so langer Zeit nicht mehr mit der Erhebung von
Verzugszinsen habe rechnen müssen.

In der Vernehmlassung beantragte die Ausgleichskasse die Abweisung der
Beschwerde. Da die angefochtene Verfügung in rechnerischer Hinsicht
fehlerhaft sei, stellte sie eine neue Verfügung in Aussicht, welche am 27.
November 2001 erging. Darin setzte die Ausgleichskasse die Höhe der
Verzugszinsen neu auf Fr. 79'358.15 fest. Mit einer weiteren Verfügung
gleichen Datums legte sie sodann die auf den ersten drei Quartalsbeiträgen
für das Jahr 1994 aufgelaufenen Verzugszinsen auf Fr. 2'228.30 fest.

In der Replik hielt E.________ an seinem Rechtsbegehren fest, erhob
Beschwerde gegen die Verfügungen vom 27. November 2001 und verlangte unter
anderem auch die Aufhebung der Verzugszinsverfügungen vom 27. November 2001.

Nach der Vereinigung der Beschwerden und aus der Erwägung heraus, die
Verzugszinsverfügungen vom 17. August und 27. November 2001 seien erst nach
Ablauf von zwei Jahren seit dem Beginn des Fristenlaufes am 12. August 1999
(Tag nach Eingang der letzten Zahlung) erlassen worden und die darin
festgesetzten Verzugszinsforderungen folglich verwirkt, hob das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. September
2002 die Kassenakte vom 17. August und 27. November 2001 auf; auf den seitens
des Versicherten in der Replik erhobenen Antrag auf Rückerstattung bezahlter
anderweitiger Verzugszinsen trat das Gericht mangels Verfügung nicht ein.

C.
Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der Entscheid vom 26. September
2002 sei aufzuheben.

Während E.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen der Verzugszinspflicht, den Beginn und
das Ende des Zinsenlaufs sowie den Zinssatz zutreffend dargelegt (Art. 41bis
AHVV in der bis Ende 2000 gültigen Fassung). Darauf wird verwiesen.

Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober
2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden
Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: August und November
2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b).

3.
Streitig und als Frage des Bundesrechts (Art. 104 lit. a OG) frei zu prüfen
ist einzig, ob das kantonale Gericht zu Recht angenommen hat, die am 17.
August und 27. November 2001 verfügten Verzugszinsforderungen seien verwirkt,
was der Beschwerdegegner bejaht, das BSV aber verneint.

3.1 Das kantonale Gericht geht davon aus, dass die Gesetzgebung der Alters-
und Hinterlassenenversicherung für die Festsetzung der Verzugszinsforderung
keine Verwirkungsfrist vorsehe. Aufgrund der Rechtsprechung sei jedoch
anzunehmen, dass gemäss einem allgemeinen Rechtsgrundsatz auch die
Festsetzung des Verzugszinses einer Frist unterliege (Berufung auf BGE 125 V
399 Erw. 3a, 119 V 299 Erw. 2 mit Hinweisen) und dass diese Frist in dem
Zeitpunkt zu laufen beginne, in welchem die Ausgleichskasse die Höhe der
Verzugszinsen überblicken und berechnen könne, was grundsätzlich erst nach
Eingang der Beitragszahlung zutreffe (Berufung auf BGE 119 V 239 Erw. 5d/bb).
Im Fall des Beschwerdegegners habe die Ausgleichskasse am 11. August 1999,
somit nach Eingang der letzten, der Verzugszinsforderung zugrunde liegenden
Beitragszahlung, die Höhe der geltend gemachten Verzugszinsen überblicken und
berechnen können. Am 12. August 1999 habe somit diese Frist zu laufen
begonnen. Was nun die Dauer der Frist betreffe, so die Vorinstanz weiter,
habe die höchstrichterliche Rechtsprechung offen gelassen, ob diese ein Jahr
oder länger dauere (Berufung auf BGE 119 V 240 Erw. 5e). Zur Beantwortung
dieser Frage sei in erster Linie auf die Ordnung zurückzugreifen, welche das
öffentliche Recht für verwandte Fälle aufgestellt habe, in zweiter Linie
seien weitere Umstände und allgemeine Grundsätze zu berücksichtigen.
Unbestrittenerweise handle es sich dabei um eine Verwirkungsfrist (Hinweis
auf BGE 119 V 233 und 111 V 89). Da die Verzugszinsen im AHV-Bereich einen
vereinfachten Schadens- und Vorteilsausgleich für den Zinsvorteil
darstellten, den der Schuldner infolge der verzögerten Beitragszahlung
geniesse, seien zum Vergleich die Fristenbestimmungen aus dem Beitrags- und
Sanktionenbereich heranzuziehen. In Betracht fielen:
- die fünfjährige Beitragsfestsetzungsverwirkungsfrist gemäss Art. 16
 Abs. 1 Satz 1 AHVG,
- die einjährige Verwirkungsfrist für die Rückerstattung zu viel
bezahl- ter Beiträge nach Art. 16 Abs. 3 Satz 1 AHVG, begrenzt durch  fünf
Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge  bezahlt
wurden,
- die relative einjährige und absolute fünfjährige Verwirkungsfrist
nach  Art. 47 Abs. 2 AHVG für die Festlegung der Rückerstattung
un- rechtmässig bezogener Leistungen und
- das ein-/fünfjährige Fristenregime gemäss Art. 82 Abs. 1 AHVV für
 den Bereich der Arbeitgeber(organ)haftung nach Art. 52 AHVG.
Aus diesen gesetzlichen Regelungen schloss das kantonale Gericht, dass -
abgesehen von der fünfjährigen Beitragsfestsetzungsverwirkungsfrist nach Art.
16 Abs. 1 AHVG - die Ordnung der Alters- und Hinterlassenenversicherung "in
diesem Bereich" jeweils eine einjährige relative Verwirkungsfrist festsetze.
Die Frist für die Festsetzung der Beiträge nach Art. 16 Abs. 1 AHVG dauere
zwar grundsätzlich fünf Jahre; sie beginne jedoch bereits nach Ablauf des
entsprechenden Beitragsjahres zu laufen, welchen Fristbeginn das
Eidgenössische Versicherungsgericht für die Verzugszinsen verworfen habe
(Berufung auf BGE 119 V 238 Erw. 5d/bb). Die Frist von fünf Jahren könne
daher nicht für die Festsetzung der Verzugszinsen analog angewandt werden,
zumal die Festsetzung der Beiträge komplizierter als die Berechnung von
Verzugszinsen sei. Im Weiteren müssten die Beiträge bei einer entsprechenden
Verzögerung der Steuerveranlagung bereits ein Jahr nach Ablauf des
Kalenderjahres, in welchem die Steuerveranlagung rechtskräftig wurde,
definitiv festgesetzt werden, um nicht zu verwirken (Art. 16 Abs. 1 Satz 2
AHVG). Die geltende Ordnung der Alters- und Hinterlassenenversicherung lege
daher nahe, dass für die Festsetzung von Verzugszinsen ebenfalls eine (eher)
kurze Verwirkungsfrist anzunehmen sei. Für eine kurze Dauer der
Verwirkungsfrist spreche sodann, dass der Fristenlauf in einem Zeitpunkt
beginne, in dem aufgrund der vorangegangenen verzögerten Beitragsbezahlung
unter Umständen bereits eine lange Zeitdauer seit dem zugrunde liegenden
Beitragsjahr verstrichen sei, wie gerade der Fall des Beschwerdegegners
zeige. Auch könne die Kasse bei Beginn des Fristenlaufes im dargelegten Sinne
die Verzugszinsen sofort festsetzen, ohne noch weitere Informationen einholen
zu müssen. Schliesslich erleichterten die heutigen Möglichkeiten im Bereich
der EDV die Festsetzung der Verzugszinsen beträchtlich. Unter
Berücksichtigung dieser Umstände erscheine eine Dauer von mehr als zwei
Jahren zu lang. Der Sinn der Verwirkungsfristen, aus Gründen der
Rechtssicherheit und aus verwaltungstechnischen Erwägungen nach Ablauf eines
bestimmten Zeitraumes in einem bestimmten Schuldverhältnis zwischen der AHV
und dem Beitragspflichtigen Ruhe eintreten zu lassen (Hinweis auf BGE 125 V
323), wäre sonst beeinträchtigt. Die Frage, ob die Verwirkungsfrist sogar nur
auf ein Jahr festzusetzen sei, konnte das kantonale Gericht mit Blick auf die
zeitlichen Verhältnisse offen lassen.

Der Beschwerdegegner pflichtet dieser Betrachtungsweise bei, ohne selber
weitere substanzielle Begründungselemente beizusteuern. Hingegen macht er
zusätzlich geltend, dem Erlass der Verzugszinsverfügungen vom 17. August und
27. November 2001 stehe der öffentlich-rechtliche Vertrauensschutz entgegen.

3.2 Das Beschwerde führende Bundesamt greift die vorinstanzliche Auffassung,
eine Frist von mehr als zwei Jahren zur Festsetzung der
Beitragsverzugszinsforderung sei zu lang, und die ihr zugrunde liegende
Argumentation mit folgenden Einwendungen an: Die vorinstanzlich erwähnten
Regelungen mit den kurzen relativen Einjahresfristen lehnten sich an die
zivilrechtlichen Vorbilder des Kondiktions- und Deliktrechts an (Art. 67 Abs.
1 OR, Art. 60 Abs. 1 OR). Für andere Forderungen werde nirgends eine so kurze
Frist vorgesehen. Trotz des Vorteilsausgleichscharakters (Hinweis auf ZAK
1992 S. 167 Erw. 4b) und im Gegensatz zu den Ansprüchen nach Art. 47 und Art.
52 AHVG sei der Entstehungsgrund von Verzugszinsforderungen offensichtlich
weder bereicherungs- noch schadenersatzrechtlicher Natur im Sinne der Art. 62
ff. OR und Art. 41 ff. OR. Verzugszinsforderungen seien deshalb weder
Rückforderungs- noch Schadenersatzansprüche im eigentlichen Sinne, weshalb es
sich verbiete, die Fristenregelungen gemäss Art. 47 Abs. 2 AHVG und Art. 82
Abs. 1 AHVV heranzuziehen, da die Verzugszinsforderungen, genau besehen und
entgegen dem rechtsprechungsrechtlichen Erfordernis für einen solchen
Rückgriff (Berufung auf BGE 119 V 299 Erw. 2), keine verwandten Ansprüche
darstellten. Nichts für den vorinstanzlichen Standpunkt lasse sich aus Art.
16 Abs. 1 Satz 2 AHVG ableiten, habe der Gesetzgeber doch damit weder eine
kurze relative noch überhaupt eine kurze Verwirkungsfrist statuiert, sondern
ganz im Gegenteil die allgemeine Fünfjahresfrist für persönliche Beiträge in
gewissen Fällen erheblich verlängert (Berufung auf das Urteil F. vom 4.
September 2002, H 288/01, Erw. 4b mit Hinweis). Nicht nachvollziehbar sei,
woher das Sozialversicherungsgericht eine zweijährige Frist nehme. Jedenfalls
lasse sich eine solche nicht einmal analogieweise den Verwirkungsbestimmungen
für Rückforderungs- und Schadenersatzansprüche entlehnen. Die
vorinstanzlichen Argumente für eine kurze Verwirkungsfrist gäben ebenfalls
nichts her, sei es doch irrelevant, wie viel Zeit seit der Beitragsperiode
verstrichen sei, gehe es doch gerade nicht um die Beitrags-, sondern um die
Verzugszinsforderung, welch Letztere erst nach der Begleichung der
Beitragsschuld berechnet und geltend gemacht werden könne. In casu sei die
letzte Rate der Beitragsforderung für die Periode 1992/93 Mitte 1999 bezahlt
worden. Warum die Festsetzung der Beiträge komplizierter sei als jene der
Verzugszinsen, begründe die Vorinstanz nicht weiter und erscheine angesichts
des Verzugszinsenrechts im Lichte der gesetzlichen Grundlagen, der
Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung als "aus der Luft gegriffen". Als
Argumente ebenso wenig "erst zu nehmen" und vom Eidgenössischen
Versicherungsgericht für die Begründung der Länge einer Verwirkungsfrist noch
nie in Betracht gezogen worden, seien die Entwicklung der "Büromatik" und die
Möglichkeit, die Forderung ohne externe Abklärungen geltend zu machen. Da
Verzugszinsforderungen akzessorisch zur Beitragsforderung seien (Berufung auf
BGE 119 V 233), rechtfertige es sich, für jene dasselbe Verwirkungsregime
vorzusehen wie für diese. Somit wäre die vom Eidgenössischen
Versicherungsgericht zuletzt in BGE 119 V 240 Erw. 5e offen gelassene Frage,
ob die Frist auf ein Jahr oder länger zu bestimmen sei, in dem Sinne zu
beantworten, dass Art. 16 Abs. 1 AHVG analog gelte.

4.
4.1 Gestützt auf die geltende Rechtsprechung (vgl. BGE 125 V 399 Erw. 3a mit
Hinweisen, 119 V 240 Erw. 5e, 111 V 97 Erw. 5d) gehen sämtliche
Verfahrensbeteiligten zu Recht davon aus, dass auch die Geltendmachung der
Verzugszinsforderung auf AHV/IV/EO-Beiträgen einer Verwirkung unterliegt. An
diesem Grundsatz ist festzuhalten. Nicht in Frage zu stellen ist auch der
Beginn des Fristenlaufes ab Zahlung der letzten Beitragsrate (BGE 119 V 239
ff. Erw. 5d/bb, 111 V 98 Erw. 5d; vgl. zum massgebenden Zahlungszeitpunkt AHI
2003 S. 143). Die daran anschliessende Frage nach der Länge der
Verwirkungsfrist stellt sich - methodologisch oder rechtsanwendungstechnisch
betrachtet - als Schliessung einer - im Sinne der traditionellen, immer noch
herrschenden Lückeneinteilung (vgl. dazu BGE 128 I 42 Erw. 3b mit Hinweisen)
- echten Gesetzeslücke (dazu BGE 126 V 122 Erw. 2c mit Hinweis) dar. Denn
weder die gesetzlichen und verordnungsmässigen Grundlagen - denen zur
Verwirkung der Verzugszinsforderung nichts zu entnehmen ist - noch der
allgemeine Rechtsgrundsatz, wonach Verzugszinsforderungen grundsätzlich der
Verwirkung unterliegen, enthalten eine Aussage darüber, wie die Dauer dieser
Verwirkungsfrist zu bemessen ist. Das Gericht hat daher - mangels
Gewohnheitsrecht - nach der Regel zu entscheiden, die es als Gesetzgeber
aufstellen würde (Art. 1 Abs. 2 ZGB). Es folgt dabei bewährter Lehre und
Überlieferung (Art. 1 Abs. 3 ZGB). Als Mittel zur Schliessung der echten
Lücke fällt unter Umständen der Analogieschluss in Betracht (Arthur
Meier-Hayoz, in Berner Kommentar, Einleitungsband, Bern 1962, N 346 zu Art. 1
ZGB; David Dürr, in Peter Gauch/Jörg Schmid [Hrsg.], Zürcher Kommentar zu
Art. 1-7 ZGB, 3. Auflage, Zürich 1998, N 525 zu Art. 1 ZGB). Der
Analogieschluss drängt sich im hier interessierenden Kontext deswegen auf,
weil das positive Recht für andere sozialversicherungsrechtliche Forderungen
leistungs-, beitrags- und schadenersatzrechtlicher Natur Verwirkungsfristen
vorsieht. Der Analogieschluss setzt jedoch hinreichend gleichgelagerte
Verhältnisse voraus (BGE 129 V 30 Erw. 2.2 mit Hinweisen). Die Analogie hat
somit zu berücksichtigen, dass jener Regelungszusammenhang, für den eine
Vorschrift im positiven Recht existiert und jene Thematik, welche durch das
Fehlen einer gesetzlichen Norm gekennzeichnet ist und für die sich die Frage
der analogieweisen Heranziehung der anderen Regel stellt, hinreichende
sachliche Gemeinsamkeiten aufweisen müssen.

4.2
4.2.1Die zeitliche Begrenzung von Rechten findet sich im Privatrecht wie im
öffentlichen Recht. Insbesondere stellt sich die Frage nach der Verwirkung
oder Verjährung der Verzugszinsforderung auch und vorab im Privatrecht. Die
gesetzliche Verzugszinsregelung in Art. 104 f. OR enthält hinsichtlich der
Verjährung der Verzugszinsforderung keine positive Normierung. Lehre und
Rechtsprechung bejahen den Grundsatz, wonach auch die Verzugszinsforderung
der Verjährung unterliegt (BGE 52 II 217 Erw. 2, vgl. auch BGE 78 II 149 Erw.
3a), jedoch sind die Auffassungen über die Dauer der Verjährungsfrist nicht
einheitlich: Das Bundesgericht hat in BGE 52 II 217 Erw. 2 gestützt auf Art.
133 OR entschieden, dass Verzugszinsen der Verjährungsfrist des
Hauptanspruches unterliegen; dieser im Urteil A. des Bundesgerichts vom 18.
Oktober 2001 (4C.206/2001) bestätigten Auffassung folgt - allerdings ohne
Verweis auf die Rechtsprechung und ohne Begründung - Pierre Engel (Traité des
obligations en droit suisse, 2e édition, Berne 1997, S. 807). Nach Stephen V.
Berti (in Zürcher Kommentar zu Art. 127-142 OR, 3. Auflage, Zürich 2002, N 14
zu Art. 128 OR) fallen Verzugszinsen im Sinne von Art. 104 OR nicht unter den
Begriff der Kapitalzinsen, für die, abweichend von der Grundregel des Art.
127 OR (zehn Jahre), gemäss Art. 128 Ziff. 1 OR eine fünfjährige
Verjährungsfrist gilt, wenn sie periodisch fällig werden. Abgesehen von Karl
Spiro (Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und
Fatalfristen, Bern 1975, Bd. I, § 273), der die Verzugszinsen unter die
Fünfjahresfrist des Art. 128 Ziff. 1 OR subsumiert, sowie diesem folgend
Fabian Cantieni (Verzugsschaden bei Geldschulden, Dissertation Zürich 1996,
S. 163 f.), spricht sich die zivilrechtliche Doktrin weit überwiegend für die
zehnjährige Verjährungsfrist für Verzugszinsen aus (Rolf H. Weber, in Berner
Kommentar zu Art. 68-96 OR, Bern 1983, N 112 zu Art. 73 OR mit zahlreichen
Hinweisen; vgl. auch Cantieni, a.a.O., S. 163 Fn 6); dies hat auch das
Handelsgericht des Kantons Zürich im Entscheid vom 12. Oktober 1964 (ZR 1965,
Nr. 147 in fine, S. 242; allerdings unter Verweis auf BGE 52 II 217 Erw. 2)
gemacht.

Da dem Verzugszins sowohl im Privat- (z.B. Eugen Bucher, Schweizerisches
Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 2. Auflage, Zürich 1988, S. 361 f.) wie
im Sozialversicherungsrecht (z.B. AHI 1995 S. 80 Erw. 4b in fine) die
Funktion eines Vorteilsausgleichs wegen verspäteter Zahlung der Hauptschuld
zukommt, besteht eine hinreichende sachliche Gemeinsamkeit für die analoge
Anwendung der privatrechtlichen Regelung (vgl. Erw. 4.1 in fine hievor). So
sind denn auch keine Gründe ersichtlich, weshalb die Verzugszinsproblematik
im Bereich der Sozialversicherung anders als im Privatrecht gelöst werden
sollte, wobei in dieser Hinsicht die unterschiedliche Dauer der jeweiligen
Verjährungs- und Verwirkungsfristen nicht massgebend ist, da nur der
Grundsatz (die Massgeblichkeit der Frist des jeweiligen Hauptanspruches oder
der jeweils ordentlichen Frist), nicht aber die privatrechtliche Ordnung als
solche, analog herangezogen wird.

4.2.2 Privatrechtlich richtet sich die Verjährungsfrist der Verzugszinsen
gemäss BGE 52 II 217 Erw. 2 (unter Hinweis auf Art. 133 OR) nach dem
Hauptanspruch oder dauert gemäss der herrschenden Lehrmeinung in Anwendung
der ordentlichen Verjährungsfrist zehn Jahre (vgl. Erw. 4.2.1 hievor); dies
führt im Hinblick auf die Sozialversicherung zu einer Verwirkungsfrist von
fünf Jahren, da vorliegend sowohl die Verwirkungsfrist für den Hauptanspruch
(die Beitragserhebung; Art. 16 Abs. 1 AHVG) wie auch die ordentliche
Verwirkungsfrist (vgl. die ab 1. Januar 2003 geltende Kodifikation in Art. 24
Abs. 1 ATSG sowie Thomas Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 2.
Auflage, Bern 1997, § 5 N 37) jeweils fünf Jahre betragen; die ordentliche
fünfjährige Verwirkungsfrist bildet in dieser Hinsicht das
sozialversicherungsrechtliche Pendant zur zehnjährigen ordentlichen
Verjährungsfrist im Privatrecht: Denn ebenso wie die privatrechtliche
Verjährung dem Rechtsfrieden dient (vgl. Bucher, a.a.O., S. 444), nimmt die
Verwirkung das spezifisch öffentlich-rechtliche Bedürfnis, zwischen Staat
(oder Versicherer) und Betroffenem Rechtsfrieden eintreten zu lassen (BGE 111
V 97 Erw. 5d), wahr. Die Dauer der Verwirkungsfrist für
Verzugszinsforderungen auf Beitragsforderungen beträgt somit fünf Jahre; dies
- in analoger Anwendung der Regelung des Art. 133 OR sowie der
privatrechtlichen Rechtsprechung (BGE 52 II 217 Erw. 2) - nach Massgabe der
Verwirkungsfrist für die materielle Forderung, sodass die
Verzugszinsforderung keine längere Verwirkungsfrist als die Hauptforderung
aufweist. Damit ist der Standpunkt des Beschwerde führenden Bundesamtes - im
Ergebnis - begründet.

5.
Der vorinstanzliche Entscheid, welcher die verfügten Verzugszinsforderungen
allein aus Gründen der Verwirkung aufgehoben hat, ist damit aufzuheben. Die
Sache geht an das kantonale Gericht zurück, damit es die verfügten
Verzugszinsforderungen in weiterer materiellrechtlicher Hinsicht und im
Lichte des vom Beschwerdegegner angerufenen öffentlich-rechtlichen
Vertrauensschutzes neu beurteile.

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem
Ausgang des Prozesses sind die Kosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art.
156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der vorinstanzliche
Entscheid vom 26. September 2002 aufgehoben und die Sache an das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen, damit es im
Sinne der Erwägungen verfahre und über die Beschwerde neu entscheide.

2.
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdegegner
auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und der Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber zugestellt.
Luzern, 23. Mai 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der I. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: