Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 287/2002
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H 287/02

Urteil vom 7. Februar 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Schmutz

S.________, 1966, Deutschland, Beschwerdeführerin,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 2. September 2002)

Sachverhalt:

A.
Die 1966 geborene, seit August 1994 in Deutschland niedergelassene
Schweizerin S.________ trat mit Wirkung ab 1. August 1994 der freiwilligen
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für Auslandschweizer bei.
Sie gab als gegenwärtigen Beruf Soziologin/Doktorandin an und reichte Belege
dafür ein, dass sie an der Universität X.________ und an der Universität
Y.________  als Studentin immatrikuliert war. Die zuständige schweizerische
Vertretung legte die AHV/IV-Beiträge für die Beitragsperioden 1994/1995,
1996/1997 und 1998/1999 jeweils nach den Ansätzen für Nichterwerbstätige
fest. Nachdem die Versicherte dem Konsularischen Dienstleistungszentrum der
Schweiz in Bonn trotz Mahnung keine Auskünfte über ihre Einkommens- und
Vermögensverhältnisse erteilt hatte, setzte dieses im Auftrag der
Schweizerischen Ausgleichskasse die Beiträge für die Jahre 2000/2001 bemessen
auf einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von DEM 50'000.-, entsprechend
Fr. 41'665.- auf je Fr. 3'189.45 fest (Verfügung vom 15. November 2000).

B.
S.________ erhob hiegegen Beschwerde und beantragte sinngemäss, sie sei als
nichterwerbstätige Studentin mit dem Minimalbeitrag zu veranlagen. Die
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen führte einen vierfachen Schriftenwechsel durch und wies die
Beschwerde mit Entscheid vom 2. September 2002 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt S.________ die Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheides und die Korrektur der Beitragsverfügung auf die
Höhe des jeweiligen Minimalbeitrages für Nichterwerbstätige. Sie macht
geltend, die Lohnsteuerkarte der Jahre 1998/1999 vorweisen zu können, in die
kein regelmässiges eigenes Einkommen eingetragen sei, sowie die Erklärung
ihrer Eltern, dass sie Unterhaltszahlungen erhalte.

Die Schweizerische Ausgleichskasse beantragt Abweisung der Beschwerde und das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenversicherung geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht
grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung
des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw.
1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines
Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen
Verfügung (hier: 15. November 2000) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE
121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die die neuen Bestimmungen
nicht anwendbar.

1.2 Aus den genannten Gründen sind die am 1. Januar und 1. April 2001 in
Kraft getretenen Änderungen der freiwilligen Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenversicherung für Auslandschweizer gemäss Art. 2 AHVG (Änderungen des
AHVG vom 23. Juni 2000) und gemäss Novelle vom 18. Oktober 2000 zur
Verordnung über die freiwillige Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenversicherung für Auslandschweizer vom 26. Mai 1961 (VFV) im
vorliegenden Verfahren, in welchem die von der Beschwerdeführerin für die
Beitragsperiode 2000/2001 geschuldeten Beiträge streitig sind, ebenfalls
unbeachtlich.

2.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

3.
Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglichkeit, im Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht neue tatsächliche Behauptungen
aufzustellen oder neue Beweismittel geltend zu machen, weitgehend
eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen Beweismittel
zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben müssen und
deren Nichterheben eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften
darstellt (BGE 121 II 99 Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b, je mit Hinweisen). Zwar
ist der Verwaltungsprozess vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht, wonach
Verwaltung und Gericht von sich aus für die richtige und vollständige
Abklärung des Sachverhalts zu sorgen haben; doch entbindet das die
Rechtsuchenden nicht davon, selber die Beanstandungen vorzubringen, die sie
anzubringen haben (Rügepflicht), und ihrerseits zur Feststellung des
Sachverhalts beizutragen (Mitwirkungspflicht). Unzulässig und mit der weit
gehenden Bindung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts an die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung gemäss Art. 105 Abs. 2 OG
unvereinbar ist es darum, neue tatsächliche Behauptungen und neue
Beweismittel erst im letztinstanzlichen Verfahren vorzubringen, obwohl sie
schon im kantonalen Beschwerdeverfahren hätten geltend gemacht werden können
und - in Beachtung der Mitwirkungspflicht - hätten geltend gemacht werden
müssen. Solche (verspätete) Vorbringen sind nicht geeignet, die tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz als mangelhaft im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG
erscheinen zu lassen (BGE 121 II 100 Erw. 1c, AHI 1994 S. 211 Erw. 2b mit
Hinweisen).

4.
Die Vorinstanz hat die massgeblichen Bestimmungen (Art. 2 Abs. 7 AHVG in der
bis 31. Dezember 2000 gültigen Fassung, Art. 5, 14 und 17 VFV in der bis 31.
Dezember 2000 gültigen Fassung) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung
zutreffend dargelegt. Darauf kann vollumfänglich verwiesen werden.

5.
Nach Art. 5 VFV sind die freiwillig Versicherten gehalten, der
Auslandsvertretung und der Ausgleichskasse alle zur Durchführung der
freiwilligen Versicherung benötigten Angaben zu machen und auf Verlangen
deren Richtigkeit zu belegen. Die Beschwerdeführerin wurde von der
zuständigen schweizerischen Vertretung mit Mahnschreiben vom 29. Juni 2000
unter Ansetzung einer Frist daran erinnert, dass sie die für die
Beitragsberechnung notwendigen Erklärungen über die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse in den Jahren 1998/1999 noch nicht eingereicht habe und
zur Zustellung entsprechender Unterlagen aufgefordert, unterliess es jedoch,
die geforderten Angaben zu machen. Das Konsularische Dienstleistungszentrum
der Schweiz in Bonn hat daher die Beiträge für die Periode 2000/2001
ermessensweise festgesetzt. Vor der Vorinstanz erklärte die
Beschwerdeführerin, vollständig von ihrem Vater unterhalten zu werden,
unterliess es jedoch, die geforderten Belege nachzureichen. Es wird hier auf
die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen. Auch im
vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren hat die
Beschwerdeführerin nicht dokumentiert, dass sie 1998/1999 über kein
beitragsrelevantes Einkommen verfügte. Allerdings wäre es mit der weit
gehenden Bindung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts an die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung gemäss Art. 105 Abs. 2 OG
unvereinbar gewesen, neue Beweismittel erst im letztinstanzlichen Verfahren
vorzubringen, obwohl sie schon im kantonalen Beschwerdeverfahren hätten
geltend gemacht werden können und - in Beachtung der Mitwirkungspflicht -
hätten geltend gemacht werden müssen (Erw. 3 hievor).

6.
Da feststeht, dass die Beschwerdeführerin auf die Mahnung der zuständigen
schweizerischen Vertretung hin keine Angaben über ihre Einkommens- und
Vermögensverhältnisse in den Jahren 1998/1999 gemacht hat, hat das
Konsularische Dienstleistungszentrum der Schweiz in Bonn die AHV/IV-Beiträge
für die Periode 2000/2001 zu Recht nach Art. 17 Abs. 1 VFV ermessensweise
festgesetzt. Auch dazu wird auf die entsprechenden Erwägungen der Vorinstanz
verwiesen. Weil dem Eidgenössischen Versicherungsgericht in
Abgabestreitigkeiten keine Angemessenheitskontrolle zusteht (Erw. 2 hievor),
ist nicht zu prüfen, ob die Botschaft das ihr bei der Beitragsbemessung
zustehende Ermessen in quantitativer Hinsicht angemessen ausgeübt hat, indem
sie ein massgebendes Erwerbseinkommen von DEM 50'000.- (umgerechnet Fr.
41'665.-) festgesetzt hat. Es liegt darin jedenfalls kein
Ermessensmissbrauch, welcher als Rechtsverletzung korrigiert werden könnte
(Erw. 2 hievor). Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Berlin vom 27.
Juni 2000 lag im Jahre 1999 der durchschnittliche Bruttojahresverdienst der
ganzjährig vollbeschäftigten Arbeitnehmer in Berlin-West im Produzierenden
Gewerbe bei DEM 91'387.- und in Teilbereichen noch höher. Die Festsetzung
eines Einkommens von DEM 50'000.- ist bei dem hohen Ausbildungsgrad der
Beschwerdeführerin nicht als missbräuchlich zu beanstanden.

7.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario).
Entsprechend dem Prozessausgang gehen die Kosten zu Lasten der
Beschwerdeführerin (Art. 156 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 7. Februar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: