Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 261/2002
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H 261/02

Urteil vom 7. Mai 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiberin
Schüpfer

B.________, 1962, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Erik Johner,
Aeschenvorstadt 67, 4010 Basel,

gegen

Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie, Kirchenweg 8, 8008 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 30. August 2002)

Sachverhalt:

A.
B. ________, A.________ und C.__________ waren Mitglieder des
Verwaltungsrates der Firma O.________ AG mit Sitz in M.________. Am 13.
Januar 1999 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Mit Verfügungen
vom 10. Januar 2000 forderte die Ausgleichskasse der Schweizer
Maschinenindustrie (Ausgleichskasse) von B.________, A.________ und
C.__________ in solidarischer Haftbarkeit Schadenersatz für mutmasslich
entgangene AHV/IV/ EO/ALV-Beiträge inklusive Verzugszinsen im Gesamtbetrag
von Fr. 184'418.05 (betreffend B.________ und A.________) beziehungsweise bis
Fr. 17'307.20 (betreffend C.__________). Dagegen erhoben die Betroffenen
Einspruch.

B.
Die von der Ausgleichkasse mit Datum vom 25. Februar 2000 gegen B.________,
A.________ und C.__________ eingereichten Klagen hiess das
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn in dem Sinne teilweise gut, als es
A.________, B.________ und C.__________ - letzterer bis zum Betrag von Fr.
17'307.20 - unter solidarischer Haftung verpflichtete, der Ausgleichskasse
Fr. 57'889.70 als Schadenersatz zu bezahlen (Entscheid vom 30. August 2002).

C.
B.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und er sei für jegliche Haftung für
AHV-Beiträge freizusprechen.

Die Ausgleichskasse und das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während die
Mitbeteiligten A.________ und C.__________ sowie das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichten.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
In materiell rechtlicher Hinsicht hat das kantonale Gericht die zu Art. 52
AHVG ergangenen Grundsätze gemäss der Rechtsprechung unter Einschluss der
masslichen Überprüfbarkeit der Schadenersatzforderung, soweit sie, wie hier,
nicht auf vor dem Konkurseintritt rechtskräftig gewordenen
Beitragsverfügungen oder -Abrechnungen beruht (ZAK 1991 S. 126), in allen
Teilen zutreffend dargelegt. Es wird auf die Erwägungen 2, 3a, 4a und 5a des
angefochtenen Entscheides verwiesen.

3.
3.1 Auf Grund der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist in erster Linie streitig,
ob in dem vom kantonalen Gericht angenommenen Umfange (Fr. 57'889.70) ein
Beitragssubstrat vorliegt, für dessen Ausfall der Beschwerdeführer zu Recht
schadenersatzpflichtig erklärt wurde. Während die Vorinstanz B.________ als
Selbstständigerwerbenden qualifizierte, schloss sie im Falle von A.________
auf unselbstständige Erwerbstätigkeit. Es liege keine separate Vereinbarung
vor, wonach er für die Firma O.________ AG, M.________, als Berater oder
dergleichen tätig werden sollte. Bezeichnenderweise habe er der Gesellschaft
nie entsprechend Rechnung gestellt. Er habe auch nicht nachgewiesen, dass er
ausserhalb der Firma O.________ AG über eine berufliche Infrastruktur
verfügte und weitere Kunden besass oder dass er der Firma O.________ AG
Dienste erbracht hätte, die in keinem direkten Zusammenhang mit seiner
Organstellung stünden. Die von A.________ im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag
zwischen der Firma O.________ AG und der D.________, im Umfange von Fr.
200'000.- erhaltene Provision qualifizierte das Gericht als massgebenden
Lohn. Gestützt auf die Arbeitgeberkontrollberichte der S.________ AG vom 17.
Juni und 30. August 1999 sei davon auszugehen, dass die Firma O.________ AG
A.________ im Monat etwa Fr. 10'000.- ausgerichtet habe, was dieser
anlässlich der Instruktionsverhandlung als durchaus realistisch bezeichnet
habe.

3.2 Die dagegen erhobenen Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
lauten dahin, die Bezüge A.________s seien nicht nachgewiesen; der
Beschwerdeführer habe von einer Zahlung von Fr. 200'000.- der D.________ an
diesen nichts gewusst und es sei auch unklar, wofür dieses Geld geflossen sei
und ob dafür Beiträge geschuldet seien; da Zweifel an der Beitragspflicht in
guten Treuen angebracht seien, sei ein grobfahrlässiges Verhalten
ausgeschlossen. Diese Vorbringen sind nicht geeignet, die vorinstanzlichen
Tatsachenfeststellungen als offensichtlich unrichtig und die daraus gezogenen
Schlussfolgerungen als bundesrechtswidrig (Erw. 1) erscheinen zu lassen. Der
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretene Standpunkt würde darauf
hinauslaufen, dass A.________ für die von ihm beherrschte Firma O.________ AG
unentgeltlich tätig gewesen wäre, was jeglicher Lebenserfahrung widerspricht
und bei den gegebenen Verhältnissen nicht anzunehmen ist. Den Verstoss der
Abrechnungspflicht durch die Firma hat der Beschwerdeführer als unstreitig
formelles Organ mit beherrschender Stellung im Rahmen der Haftung nach Art.
52 AHVG praxisgemäss zu vertreten. Nach der sie treffenden Mitwirkungspflicht
hätte es den in Pflicht genommenen Organen oblegen, die effektiven Bezüge von
der nachmals konkursiten AG und ihre Verabgabung im Rahmen der behaupteten
selbstständigen Erwerbstätigkeit darzulegen. Nichts von alledem. Die
Schätzung des von A.________ bezogenen Entgeltes und die darauf bemessene
paritätische Beitragsforderung von Fr. 31'989.40 kann keinesfalls als
ermessensmissbräuchlich (Erw. 1) bezeichnet werden, so wenig wie die
Qualifizierung der erhaltenen Provision im Umfange von Fr. 200'000.- als
massgebenden Lohn bundesrechtswidrig ist. Die weiteren
Haftungsvoraussetzungen sind offensichtlich erfüllt, handelt es sich doch bei
der vom Beschwerdeführer verwalteten Firma O.________ AG um eine
Arbeitgeberin, mit deren Geschäftsgebaren (Ordnungsmässigkeit der
Buchhaltung) es nicht zum Besten stand und welche über die fraglichen
Erwerbsverhältnisse mit der Kasse während Jahren nicht abgerechnet hatte. Von
einem Grenzfall in der beitragsrechtlichen Stellung des A.________ kann auf
Grund der von der Vorinstanz verbindlich festgestellten Tatsachen keine Rede
sein.

4.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht (Erw. 2 hiervor), ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e
contrario). Entsprechend dem Ausgang des Prozesses gehen die Gerichtskosten
zu Lasten des Beschwerdeführers (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn dem Bundesamt für Sozialversicherung und A.________, C.__________
zugestellt.

Luzern, 7. Mai 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: