Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 253/2002
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H 253/02

Urteil vom 23. Januar 2003
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard;
Gerichtsschreiberin Hofer

A.________, 1968, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Gerhard Lanz,
Schwanengasse 8, 3011 Bern,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Beiträge und Zulagen,
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher
Alain Pfulg, Genfergasse 3, 3001 Bern

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 4. Juli 2002)

Sachverhalt:

A.
A. ________ gehörte gemäss Eintrag im Handelsregister seit 18. Dezember 1990
dem Verwaltungsrat der Firma S.________ als Mitglied und Sekretär ohne
Zeichnungsberechtigung an. L.________ figurierte als Präsident des
Verwaltungsrates mit Einzelunterschrift und dessen Ehefrau X.________ als
einzelzeichnungsberechtigtes Verwaltungsratsmitglied. Am 16. Dezember 1997
wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet.

Mit Verfügung vom 4. April 2001 forderte die Ausgleichskasse des Kantons Bern
von A.________ Schadenersatz für entgangene AHV/IV/EO/ALV/FAK-Beiträge
(einschliesslich Mahngebühren, Verwaltungskosten, Veranlagungskosten und
Verzugszins) im Gesamtbetrag von Fr. 120'089.-. Hiegegen erhob der Betroffene
Einspruch.

B.
Die von der Ausgleichskasse am 6. Juni 2001 eingereichte Klage hiess das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 4. Juli 2002 im Umfang
von Fr. 83'524.90 gut; soweit weitergehend bis zum Betrag von Fr. 110'089.-
wies es die Klage ab; für den Restbetrag bis Fr. 120'089.- schrieb es die
Klage als gegenstandslos geworden ab.

C.
A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids beantragen.

Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden,
als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im
vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der
Beitragsschuld gegenüber der Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen
verhält (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).

3.
Das kantonale Gericht hat unter Hinweis auf Gesetz (Art. 52 AHVG) und
Rechtsprechung (vgl. statt vieler BGE 123 V 15 Erw. 5b) die Voraussetzungen
zutreffend dargelegt, unter denen verantwortliche Organe juristischer
Personen der Ausgleichskasse den durch qualifiziert schuldhafte Missachtung
der Vorschriften über die Beitragsabrechnung und -zahlung (Art. 14 Abs. 1
AHVG und Art. 34 ff. AHVV) verursachten Schaden zu ersetzen haben. Darauf
wird verwiesen.

Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober
2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden
Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsrichter nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

4.
Ausser Frage steht, dass die Ausgleichskasse aufgrund versäumter
Beitragszahlungen seitens der mittlerweile aufgelösten Firma S.________ einen
Schaden erlitten hat. Desgleichen wird nicht bestritten, dass dieser Ausfall
auf die Missachtung von Vorschriften im Sinne des Art. 52 AHVG zurückzuführen
ist und der Beschwerdeführer kraft seiner Stellung als Verwaltungsrat der
betroffenen Gesellschaft in grundsätzlicher Hinsicht dafür belangt werden
kann. Als ebenso unbestritten gilt schliesslich, dass die Kasse ihren Schaden
fristgerecht im Sinne von Art. 82 AHVV geltend gemacht hat.

Streitig und zu prüfen sind dagegen das Ausmass des entstandenen Schadens
sowie die Frage, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden trifft. Dabei werden
zur Hauptsache insbesondere der Vorwurf des haftungsbegründenden Verschuldens
sowie das Vorliegen eines Kausalzusammenhanges zurückgewiesen.

5.
5.1 Nach der Rechtsprechung findet im Schadenersatzprozess gemäss Art. 52 AHVG
eine Überprüfung der verfügungs- und klageweise geltend gemachten Forderung
in masslicher Hinsicht nicht mehr statt, soweit sie auf einer
Nachzahlungsverfügung beruht, die unangefochten geblieben und somit in
Rechtskraft erwachsen ist. Durch die Möglichkeit, gegen eine
Nachzahlungsverfügung Beschwerde zu führen, ist genügend Gewähr dafür
geboten, dass die Organe der zahlungsunfähig gewordenen Arbeitgeberin nicht
mit ungerechtfertigten Schadenersatzforderungen belastet werden. Vorbehalten
bleiben Fälle, in denen sich aus den Akten Anhaltspunkte für eine zweifellose
Unrichtigkeit der durch die Nachzahlungsverfügung festgesetzten Beiträge
ergeben (AHI 1993 S. 172 Erw. 3a; ZAK 1991 S. 126 Erw. II/1b; SVR 2001 AHV
Nr. 15 S. 52 Erw. 3b). Der im Rahmen der Haftung nach Art. 52 AHVG verwendete
Begriff der zweifellosen Unrichtigkeit als Voraussetzung der Überprüfbarkeit
rechtskräftiger Nachzahlungsverfügungen entspricht dem bei Wiedererwägung
(vgl. dazu BGE 127 V 469 Erw. 2c mit Hinweisen) benutzten Begriff. Eine
Überprüfung ist auch zulässig bei Vorliegen der Voraussetzungen der
prozessualen Revision gemäss Art. 85 Abs. 2 lit. h AHVG (Urteil D. vom 26.
November 2002, H 232/01).

Überprüfbar bleiben Nachzahlungsverfügungen, deren Erlass in die Zeit nach
der Konkurseröffnung fällt, sowie Schadenersatzforderungen, die nicht auf
einer formell rechtskräftigen Verfügung beruhen (AHI 1993 S. 173 Erw. 3b; ZAK
1991 S. 126 Erw. II/1b). In einem solchen Fall sind die Organe der belangten
Firma nicht mehr zur Anfechtung der Verfügung berechtigt. Denn fällt eine
Aktiengesellschaft in Konkurs, behalten die Organe ihre Vertretungsbefugnis
nur insoweit (Art. 740 Abs. 5 und Art. 739 Abs. 2 OR), als eine Vertretung
durch sie - stets bezogen auf die Liquidation - noch notwendig ist (BGE 117
III 42). Wenn dieses Erfordernis zur Anfechtung der Nachzahlungsverfügung
nicht gegeben ist, kann den Organen die unterbliebene Einlegung eines
Rechtsmittels nicht entgegengehalten werden. Namentlich darf ihnen auch kein
Nachteil daraus erwachsen, wenn die Konkursverwaltung - der die betreffende
Verfügung zu eröffnen ist (BGE 116 V 289) - von ihrer Anfechtungsbefugnis
keinen Gebrauch gemacht hat.

Aufgrund der den Parteien obliegenden Mitwirkungspflichten ist es Sache der
Ausgleichskasse, die Schadenersatzforderung so weit zu substanzieren, dass
sie überprüft werden kann. Anderseits obliegt es im Bestreitungsfall dem
Beklagten, substanziert darzulegen, weshalb der von der Kasse ermittelte
Schadensbetrag unzutreffend ist (ZAK 1991 S. 126 Erw. II/1b).

5.1.1 Die streitige Schadenersatzforderung beruht einerseits auf der
Arbeitgeberkontrolle vom 14. August 1996, welche für die Zeit vom 1. Juni
1990 bis 31. Dezember 1994 eine Nachzahlung von Fr. 54'046.75 ergab. Auf
Ersuchen der Firma S.________ gewährte die Ausgleichskasse am 2. Oktober 1996
für diesen Beitragsausstand einen Zahlungsaufschub. Da die Zahlungen
ausblieben, leitete die Kasse für diesen Betrag am 17. März 1997 die
Betreibung ein, worauf die Arbeitgeberin Rechtsvorschlag erhob. Am 30.
September 1997 setzte die Kasse den Forderungsbetrag verfügungsweise fest und
hob gleichzeitig den Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 9706499 auf. Diese
Verfügung ist vor Eröffnung des Konkurses über die Firma S.________ am 16.
Dezember 1997 in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer muss sich die
Rechtskraft soweit entgegen halten lassen, als sich aus den Akten weder eine
zweifellose Unrichtigkeit der nachgeforderten Beiträge ergibt, noch Grund für
eine prozessuale Revision besteht und zwar unabhängig davon, ob ihm die
Verfügung persönlich zugestellt worden ist (ZAK 1991 S. 126 Erw. II/1b).

Da sich aus den Akten keine Anhaltspunkte für eine zweifellose Unrichtigkeit
der Beitragsforderungen ergeben, kann es bei der von der Ausgleichskasse
geltend gemachten Forderung sein Bewenden haben, wobei die Vorinstanz den
Betrag infolge teilweiser Verwirkung um Fr. 26'564.10 gekürzt hat, was
unbestritten blieb, ebenso wie die Reduktion um Fr. 10'000.- infolge
Bezahlung. Dass es sich bei den Bezügen teilweise um Gewinnausschüttungen
gehandelt haben soll, stellt eine Vermutung des Beschwerdeführers dar, welche
durch nichts belegt ist. Vielmehr ergibt sich aus der Erfolgsrechnung des
Jahres 1994 ein Personalaufwand von Fr. 478'836.- (Angestellte Fr. 148'836.80
und Löhne Geschäftsleitung Fr. 330'000.-). Gemäss Lohnblatt für das Jahr 1994
deklarierte die Arbeitgeberin dagegen eine Gesamtlohnsumme von lediglich Fr.
325'191.-. Die Revisionsstelle, welche von einer beitragspflichtigen
Lohnsumme von Fr. 460'886.- ausging, rechnete daher den Differenzbetrag von
Fr. 158'886.- auf. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die
zeichnungsberechtigten Organe der Gesellschaft hätten auf eine Anfechtung
verzichtet, weil sie im Begriff gewesen seien, die Firma auszuhöhlen und sich
ins Ausland abzusetzen, vermag er daraus nichts zu seinen Gunsten abzuleiten.
Im Übrigen waren der Gesellschaft die nacherfassten Beiträge bereits im
Sommer 1996 in Rechnung gestellt worden. Diese hatte dagegen nicht opponiert,
sondern am 26. September 1996 lediglich Zahlungsaufschub verlangt. Dieses
Verhalten  muss sich der Beschwerdeführer als subsidiär haftendes Organ der
konkursiten Gesellschaft anrechnen lassen.

5.1.2 Mit Bezug auf die weitergehende Schadenersatzforderung verhält es sich
insofern anders, als die ihr zugrunde liegenden Beitragsausstände erst im
Rahmen der durch die Konkurseröffnung vom 16. Dezember 1997 veranlassten
Arbeitgeberschlusskontrolle vom 18. November 1998 erhoben wurden. Den mithin
lange nach Konkurseröffnung in Rechnung gestellten Beiträgen vermochte die
Firma S.________ somit zwangsläufig nicht mehr Folge zu leisten, so dass die
Kasse den Beschwerdeführer mit Schadenersatzverfügung dafür belangte.

Nach der Konkurseröffnung oblag es der zuständigen Revisionsstelle, eine
Arbeitgeberkontrolle durchzuführen (Art. 68 Abs. 2 AHVG und Art. 162 Abs. 1
AHVV). Die von der Revisionsstelle angegebenen Lohnsummen der Jahre 1995 und
1996 wurden anhand der von der Firma erstellten Lohnblätter und den
verbuchten Löhnen gemäss Erfolgsrechnung ermittelt. Der Differenzbetrag wurde
als massgebender Lohn nacherfasst. Mit den eingereichten Belegen hat die
Ausgleichskasse die nacherfassten Beträge hinreichend substanziert. Für das
Jahr 1997 ging die Revisionsstelle mangels aussagekräftiger
Buchungsunterlagen bis zur Konkurseröffnung von einer abgerechneten Lohnsumme
von Fr. 206'473.- und einer abrechnungspflichtigen Lohnsumme von Fr.
162'152.- aus und brachte den Differenzbetrag in Abzug. Anhaltspunkte dafür,
dass es sich bei den nacherfassten Beiträgen nicht um beitragspflichtigen
Lohn, sondern um Gewinnausschüttungen oder Entnahme von Eigenkapital  handeln
würde, liegen keine vor. Der Beschwerdeführer vermag seine Behauptung denn
auch in keiner Art und Weise zu belegen oder zumindest glaubhaft zu machen.
Wie der Lohnbescheinigung 1997 der Firma S.________ zu entnehmen ist, sind in
der deklarierten Lohnsumme von insgesamt Fr. 200'847.- zudem keine Zahlungen
an das Ehepaar L.________ enthalten und es wurden auch keine solchen
aufgerechnet, weshalb nicht zu prüfen ist, ob sie allenfalls Bezüge getätigt
haben, obwohl sie nicht mehr für die Firma tätig waren. Im Rahmen der dem
Gericht zustehenden Kognition (Erw. 1 hievor) muss es deshalb bei der von der
Vorinstanz ermittelten Schadenssumme sein Bewenden haben.

6.
6.1 Die Vorinstanz hat das Verschulden des Beschwerdeführers darin gesehen,
dass er gegen die systematische Aushöhlung der Firma durch den
einzelzeichnungsberechtigten Verwaltungsratspräsidenten L.________ nichts
unternommen hat. Während das Aktienkapital per 31. Dezember 1991 noch knapp
vorhanden gewesen sei, wenn der Aktivstand des Kontokorrentes L.________ vom
ausgewiesenen Eigenkapital abgezogen werde, habe sich die Situation per 31.
Dezember 1992 deutlich verschlechtert. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Aktiven
zu rund 73% aus einer Forderung gegen den Aktionär L.________ bestanden,
wobei sich diese Situation in den folgenden Jahren noch deutlich akzentuiert
habe.

Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die Geschäftsabschlüsse
seien jeweils von einer fachkundigen Revisionsstelle überprüft worden und
hätten keinerlei Hinweise dafür enthalten, dass Sozialversicherungsbeiträge
nicht bezahlt worden wären. Lohnsumme und Sozialversicherungsaufwand hätten
stets in einem angemessenen Verhältnis gestanden. Als die Revisionsstelle ein
Aktionärsdarlehen als problematisch bezeichnet habe, hätten sich keinerlei
Anzeichen dafür ergeben, dass Beiträge an die Ausgleichskasse nicht bezahlt
worden seien und sich deswegen allenfalls Probleme ergeben könnten. Für ihn
habe daher kein Anlass zur Kritik am Verhalten des Verwaltungsrates
bestanden. Eine solche hätte denn auch nichts gefruchtet, da das Ehepaar
L.________ planmässig unredlich gehandelt habe in der Absicht, sich mit dem
Geld der Firma ins Ausland abzusetzen und demzufolge ohnehin nicht zu
korrektem Verhalten hätte bewogen werden können.

6.2 Vorerst gilt es festzuhalten, dass auch einem nicht mit der
kaufmännischen Geschäftsführung und den finanziellen Belangen betrauten
Verwaltungsrat, solange er diese formelle Organstellung beibehält, als
Mitglied des Verwaltungsrats die unübertragbare und unentziehbare Aufgabe
zukommt, die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten
Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, auszuüben
(Art. 716a Abs. 1 Ziff. 5 OR), zu welchem Zweck er über ein Recht auf
Auskunft und Einsicht verfügt (Art. 715a OR). Obliegt die Geschäftsführung
einem Mitglied des Verwaltungsrats, so handeln weitere Verwaltungsräte im
Sinne von Art. 52 AHVG qualifiziert schuldhaft, wenn sie die nach den
Umständen gebotene, sich auch auf das Beitragswesen erstreckende Aufsicht
nicht ausüben, wobei sich die Anforderungen an die gegenseitige Kontrolle bei
einem wie vorliegend aus nur wenigen Personen zusammengesetzten
Verwaltungsrat nach einem strengen Massstab beurteilen. Als grobfahrlässig
gilt gerade auch die Passivität faktisch von der Geschäftsführung
ausgeschlossener Verwaltungsräte, welche sich umso nachhaltiger um Einblick
in die Geschäftsbücher zu bemühen haben. Ein Verwaltungsrat kann sich, wenn
es wie beim Beitragswesen um die Verantwortung in Geschäften geht, mit

denen er sich ihrer Bedeutung wegen befassen musste, nicht mit dem Einwand
exkulpieren, er habe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung gehabt (BGE 109
V 88 Erw. 6; ZAK 1992 S. 255 Erw. 7b, 1989 S. 104 Erw. 4; nicht publ. Erw. 2c
des Urteils BGE 119 V 86; nicht publ. Erw. 5a/aa des Urteils AHI 1994 S.
102). Die fehlende Zeichnungsberechtigung ist für die Frage der Organstellung
nicht entscheidend (nicht publ. Erw. 5a/aa des Urteils AHI 1994 S. 102).

6.3 Ob der Beschwerdeführer davon Kenntnis hatte oder bei genauer Prüfung der
Buchhaltungsunterlagen hätte merken müssen, dass die Lohnmeldungen der Firma
S.________ an die Ausgleichskasse nicht der tatsächlich verbuchten Lohnsumme
entsprachen, braucht nicht abschliessend beurteilt zu werden. Aufgrund der
Aktenlage erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass ihm die Differenz
nicht aufgefallen ist, zumal die Jahresabschlüsse in diesem Punkt von der
Revisionsstelle nie beanstandet worden sind. Grobfahrlässig handelt nämlich
auch, wer - ohne spezielle und ausdrückliche Vorschriften der
AHV-Gesetzgebung verletzt zu haben - sich nicht mit der notwendigen Sorgfalt
um die Sicherheit der durch ihn zu beziehenden und abzuliefernden
paritätischen Beiträge kümmert. So vermag die Haftung nach Art. 52 AHVG auch
auszulösen, wer (beispielsweise im Sinne der Konkursdelikte) seine eigene
Zahlungsunfähigkeit gegenüber der Ausgleichskasse durch die vorsätzliche oder
grobfahrlässige Missachtung des Sorgfaltsgebotes verursacht, selbst wenn er
keine spezifischen und ausdrücklichen AHV-Vorschriften missachtet hat (BGE
112 V 5 Erw. 3d; ZAK 1985 S. 581 Erw. 5b).

6.4 Dem Beschwerdeführer ist vorzuwerfen, dass er die ihm nach Art. 717 Abs.
1 OR obliegende Sorgfalts- und Treuepflicht insofern nicht erfüllt hat, als
er es zugelassen hat, dass der in Konkurs gefallenen Firma Mittel entzogen
und vom Ehepaar L.________ ins Ausland transferiert worden sind. Wie in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingeräumt wird, wurde die Gesellschaft von
deren einzelzeichnungsberechtigten Organen finanziell ausgehöhlt und
letztlich ruiniert. Diese Vorgänge waren dem Beschwerdeführer bekannt oder
hätten ihm bei hinreichender Aufmerksamkeit bekannt sein müssen. Jedenfalls
hat die Revisionsstelle bereits im Revisionsbericht vom 25. Oktober 1993
darauf hingewiesen, dass das im Jahre 1992 als Forderung von L.________
verbuchte Aktionärsdarlehen von Fr. 185'378.25 einen Verstoss gegen das
Verbot der Einlagenrückgewähr im Sinne von Art. 680 Abs. 2 OR darstellen
könnte. Immerhin stellte dieses Darlehen bereits einen erheblichen Teil der
gesamten Aktiven von Fr. 252'789.20 dar. Im Bericht vom 12. Dezember 1994
wurde abermals auf das im Jahre 1993 auf Fr. 251'476.- angestiegene
Aktionärsdarlehen und dessen rechtliche Problematik hingewiesen. Im
Revisionsbericht vom 2. Oktober 1995 bezeichnete die Revisionsstelle das in
der Jahresrechnung 1994 ausgewiesene Darlehen von nunmehr Fr. 379'640.- (bei
Aktiven von insgesamt Fr. 429'012.30) als einen Verstoss gegen Art. 680 Abs.
2 OR. Auch im Bericht vom 19. September 1996 sprach sie von einem solchen
Verstoss, nachdem das Aktionärsdarlehen bei Aktiven von Fr. 451'426.35 nun
den Betrag von Fr. 407'335.- erreicht hatte. Im Jahre 1996 erhöhte sich das
Aktionärsdarlehen auf Fr. 539'830.- und damit auf 174,7% des einbezahlten
Aktienkapitals. Da die finanziellen Verhältnisse der Aktionäre nicht
abschliessend beurteilt werden konnten, wies die Revisionsstelle im Bericht
vom 15. Oktober 1997 auf die Möglichkeit hin, dass die Gesellschaft
überschuldet sein könnte und die Fortführung des Unternehmens wegen der
bestehenden Liquiditätsschwierigkeiten ernsthaft gefährdet sei. Falls die
Aktionäre ihre Schulden nicht bis Ende Jahr um Fr. 400'000.- reduzieren oder
sicherstellen könnten, müsse der Richter benachrichtigt werden.

Trotz dieser Hinweise, von denen der Beschwerdeführer nicht geltend macht,
sie nicht gekannt zu haben, hat er zu keiner Zeit in irgend einer Weise
interveniert.  Als Mitglied des Verwaltungsrates wäre es indessen seine
Pflicht gewesen, sich hiegegen zur Wehr zu setzen und die Rückforderung der
von L.________ bezogenen Darlehen umgehend in die Wege zu leiten (vgl. Peter
Kurer, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht II, N 26
zu Art. 680 OR). In finanziell angespannten Zeiten muss zudem auch das
delegierende Mitglied des Verwaltungsrates darauf bedacht sein, dass
ausstehende Beiträge entrichtet werden; es muss daher die Abrechnungen und
Zahlungen ständig überwachen, um nicht Gefahr zu laufen, der
Grobfahrlässigkeit bezichtigt zu werden (Thomas Nussbaumer, Die Haftung des
Verwaltungsrates nach Art. 52 AHVG, in: AJP 1996 S. 1079). Vor diesem
Hintergrund bestand für den Beschwerdeführer sehr wohl Anlass, nähere
Auskünfte zu verlangen und allenfalls selber tätig zu werden. Dabei hätte er
beispielsweise feststellen können, dass die Ausgleichskasse gegen die
Gesellschaft wiederholt Betreibungen eingeleitet hatte. Dass er dazu nicht in
der Lage gewesen wäre, kann nicht als Exkulpationsgrund gehört werden. Denn
er kannte die Verhältnisse von L.________ - dies war sein Stiefvater - sehr
wohl. Er wusste, dass dieser planmässig unredlich handelte, um möglichst viel
Geld aus der Firma herauszulösen. Nachdem die Revisionsstelle immer wieder
auf die unerlaubten Darlehensbezüge hingewiesen hatte, hätte er dem Problem
nachgehen und versuchen müssen, das Ehepaar L.________ von seinen
Machenschaften abzuhalten. Statt dessen blieb er passiv in der Meinung, eine
Intervention hätte ohnehin nichts genützt. Wenn der Beschwerdeführer seiner
Pflicht als verantwortliches Organ der Gesellschaft ungeachtet der negativen
Geschäftsentwicklung nicht nachgekommen ist, hat er den der Ausgleichskasse
entstandenen Schaden grobfahrlässig verursacht, was seine
Schadenersatzpflicht nach sich zieht.

Zu bejahen ist auch der adäquate Kausalzusammenhang zwischen der Untätigkeit
und dem eingetretenen Schaden. Denn es spricht nichts dafür, dass der Schaden
auch dann eingetreten wäre, wenn der Beschwerdeführer seinen Pflichten als
Verwaltungsrat ordnungsgemäss nachgekommen wäre.

7.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario).
Entsprechend dem Prozessausgang gehen die Kosten zu Lasten des
Beschwerdeführers (Art. 156 in Verbindung mit Art. 135 OG). Der obsiegenden
Ausgleichskasse, die sich im vorliegenden Verfahren durch einen Rechtsanwalt
vertreten liess, steht keine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE
123 V 309 Erw. 10, 118 V 169 Erw. 7, 117 V 349 Erw. 8 mit Hinweis, 112 V 361
Erw. 6 mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und
dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 23. Januar 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: