Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 251/2002
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H 251/02

Urteil vom 17. September 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin
Keel Baumann

K.________, 1923, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Jürg K.
Schlatter, Hauptstrasse 84, 8280 Kreuzlingen,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8501 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin

AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden

(Entscheid vom 26. Juli 2002)

Sachverhalt:

A.
Gestützt auf eine Meldung der kantonalen Steuerverwaltung, Abteilung Direkte
Bundessteuer, vom 23. September 1992, wonach K.________ (geb. 1923) am 31.
Dezember 1990 einen Liquidationsgewinn von Fr. 1'000'000.- erzielt habe,
erhob die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau mit Verfügung vom 13. Oktober
1992 einen AHV/IV/EO-Sonderbeitrag von Fr. 93'632.40 (zuzüglich
Verwaltungskosten). Wiedererwägungsweise kam sie am 10. November 1992 auf
ihre Verfügung vom 13. Oktober 1992 zurück und ersetzte diese durch eine
neue, in welcher sie festhielt, dass das Jahr 1990 beitragsfrei sei. Nachdem
das Bundesgericht mit Urteil vom 15. Juni 1998 den von der Steuerverwaltung
für das Jahr 1990 ermittelten Liquidationsgewinn von Fr. 1'000'000.-
bestätigt hatte, verpflichtete die Ausgleichskasse K.________ mit Verfügung
vom 14. April 1999 - ausgehend von denselben Grundlagen wie in der Verfügung
vom 13. Oktober 1992 - zur Bezahlung eines AHV/IV/EO-Sonderbeitrages von Fr.
93'632.40 (zuzüglich Verwaltungskosten). Die von K.________ hiegegen erhobene
Beschwerde wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid
vom 29. Oktober 1999 ab. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hiess die
von K.________ daraufhin eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem
Sinne teilweise gut, dass es den vorinstanzlichen Entscheid vom 29. Oktober
1999 und die Kassenverfügung vom 14. April 1999 aufhob und die Sache an die
Verwaltung zurückwies, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der
Erwägungen, über den für das Jahr 1990 geschuldeten Sonderbeitrag neu verfüge
(Urteil vom 5. September 2001, H 413/99). Gestützt hierauf erliess die
Ausgleichskasse am 17. Dezember 2001 eine weitere Beitragsverfügung, mit
welcher sie K.________ zur Entrichtung eines Beitrages in der Höhe von Fr.
93'622.80 (zuzüglich Verwaltungskosten) verpflichtete.

B.
Die von K.________ hiegegen mit dem Antrag auf Aufhebung der Verfügung vom
17. Dezember 2001 und Neuberechnung des Sonderbeitrages unter Einbezug ihrer
Einkünfte und derjenigen ihres verstorbenen Ehemannes "im Sinne der
Erwägungen im Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes vom 5.
September 2001" wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit
Entscheid vom 26. Juli 2002 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ das im kantonalen
Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern.

Die Ausgleichskasse verweist auf ihre Ausführungen in der im kantonalen
Verfahren eingereichten Vernehmlassung und den vorinstanzlichen Entscheid.
Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

2.
2.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im AHV-Recht geändert worden. Diese neuen
Bestimmungen finden indessen vorliegend keine Anwendung, weil in zeitlicher
Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der
Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V
467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der
Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses
der streitigen Verfügung (hier: 17. Dezember 2001) eingetretenen Sachverhalt
abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b).

2.2 Anwendbar sind vorliegend die bis Ende 1994 gültig gewesenen Bestimmungen
der AHVV:

Nach Art. 23bis AHVV wird auf Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen im Sinne
von Art. 17 lit. d AHVV, die einer Jahressteuer nach Art. 43 BdBSt
unterliegen, ein Sonderbeitrag erhoben (Abs. 1), der für jenes Jahr
geschuldet ist, in dem der Kapitalgewinn oder die Wertvermehrung erzielt
wurde (Abs. 2). Für die Berechnung des Sonderbeitrages ist gemäss Art. 23ter
Abs. 1 AHVV Art. 6bis AHVV, welche Bestimmung besondere Vorschriften über die
(teilweise) Nichtanrechnung freiwilliger Vorsorgeleistungen des Arbeitgebers
oder einer selbständigen Vorsorgeeinrichtung beim beitragspflichtigen
Erwerbseinkommen enthält, sinngemäss anwendbar, wenn (a) ein Versicherter im
Zeitpunkt, in dem er einen Kapitalgewinn oder eine Wertvermehrung erzielt,
das 50. Altersjahr vollendet hat, oder (b) der Kapitalgewinn oder die
Wertvermehrung auf eine rentenbegründende Invalidität im Sinne von Art. 28
IVG zurückzuführen ist. Dabei gilt als (a) letzter Jahreslohn (Abs. 1) das
für die letzten fünf vollen Beitragsjahre massgebende durchschnittliche
Jahreseinkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit, als (b) Zahl der
Dienstjahre (Abs. 4) die Zahl der Jahre, während welcher die Erwerbstätigkeit
ausgeübt wurde und als (c) Auflösung des Dienstverhältnisses (Abs. 5) die
Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit (Art. 23ter Abs. 2 AHVV).

3.
Es steht aufgrund der Akten fest, dass K.________ nach dem Tod ihres
Ehemannes im Jahre 1985 den Miteigentumsanteil, welchen der Ehemann als
Kollektivgesellschafter an der Altersheimliegenschaft X.________ innegehabt
hatte, übernommen hat und dass sie im Jahre 1990, als die
Kollektivgesellschaft "Altersheim X.________" aufgelöst wurde, mit der
Veräusserung ihres Anteils einen sich auf Fr. 1'000'000.- belaufenden
Liquidationsgewinn erzielt hat. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht
mit Urteil vom 5. September 2001 erkannt hat, unterlag sie in diesem Zeitraum
grundsätzlich als Selbstständigerwerbende der Beitragspflicht. Streitig und
zu prüfen ist die Höhe des geschuldeten Sonderbeitrages, zu deren Ermittlung
das Eidgenössische Versicherungsgericht die Sache an die Verwaltung
zurückgewiesen hat.

3.1 Die Ausgleichskasse verneinte die Voraussetzungen für eine Ausscheidung
von Gewinnanteilen mit Vorsorgecharakter im Sinne des Art. 23ter AHVV mit der
Begründung, gemäss dem am 14. Februar 2002 erstellten IK-Auszug habe die
Beschwerdeführerin in den Jahren 1985 bis 1990 kein Einkommen aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit zu verzeichnen. Gestützt hierauf setzte sie
den geschuldeten Sonderbeitrag auf Fr. 93'622.80 fest.

3.2 Wie bereits die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, ist dies nicht zu
beanstanden. Dass das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil vom 5.
September 2001 davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführerin gestützt
auf Art. 17 lit. c AHVV als Teilhaberin einer Kollektivgesellschaft
grundsätzlich der Beitragspflicht unterliegt, und die Ausgleichskasse
angewiesen hat, den "von der Beschwerdeführerin geschuldeten Sonderbeitrag
nach Massgabe des Art. 23ter AHVV" zu berechnen, vermag hieran nichts zu
ändern. Denn im Urteilszeitpunkt war dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
nicht bekannt, dass die Beschwerdeführerin in den massgebenden Jahren - wie
die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid in verbindlicher Weise festgestellt
hat (vgl. Erw. 1 hievor) und aus den nun vorliegenden Akten ersichtlich ist -
kein Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit zu verzeichnen hatte,
weil die Kollektivgesellschaft jedes Jahr den gesamten Gewinn zur
Abschreibung des Anlagevermögens verwenden durfte, dies aufgrund einer im
April 1978 mit den Steuerbehörden geschlossenen und bis zur Auflösung der
Gesellschaft geltenden Vereinbarung. Beläuft sich nun aber das gemäss Art.
23ter Abs. 2 lit. a AHVV (in Verbindung mit Art. 6bis Abs. 1 AHVV) im Rahmen
der Beitragsermittlung zum Abzug zugelassene, für die letzten fünf vollen
Beitragsjahre massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit auf Fr. null, kann die Beschwerdeführerin
nach klarer Anordnung des Verordnungsgebers von der Anwendung der
privilegierten Berechnung des Sonderbeitrages nicht profitieren. Entgegen der
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung bietet die
Verordnung keine Handhabe, diesbezüglich korrigierend einzugreifen. Der die
Verfügung vom 17. Dezember 2001 bestätigende vorinstanzliche Entscheid ist
demnach rechtens.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt
und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 17. September 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: