Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 24/2002
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H 24/02

Urteil vom 11. März 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber
Nussbaumer

Z.________, Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 21. November 2001)

Sachverhalt:

A.
Z. ________ nahm ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin am 1. Oktober 1992 auf und
wurde als Selbstständigerwerbende der Ausgleichskasse des Kantons Zürich
angeschlossen. Gemäss den Steuermeldungen vom 13. Oktober 1997 und vom 30.
Juni 1999 erzielte sie 1993 ein Einkommen von Fr. 13'930.-, 1994 ein solches
von Fr. 65'842.- und 1995 von Fr. 97'399.-. Am 1. Januar 1995 betrug das im
Betrieb investierte Eigenkapital Fr. 23'000.- und per 1. Januar 1997 Fr.
28'000.-. Gestützt darauf setzte die Ausgleichskasse mit Nachtragsverfügungen
vom 5. August 1999 die für die Jahre 1995 bis 1999 geschuldeten persönlichen
Beiträge fest, wobei sie als erste ordentliche Beitragsperiode die
Beitragsjahre 1998/1999 betrachtete.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 21. November 2001 ab.

C.
Z.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung
des vorinstanzlichen Entscheides seien als erste ordentliche Beitragsperiode
die Beitragsjahre 1996/1997 aufgrund des Durchschnitts des reinen
Erwerbseinkommens der Jahre 1993/1994 festzulegen; als Vorjahr habe das Jahr
1995 zu gelten, bemessen nach dem durchschnittlichen Reineinkommen der Jahre
1993/1994.

Kantonales Gericht, Ausgleichskasse des Kantons Zürich und Bundesamt für
Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Festsetzung der
Beiträge Selbstständigerwerbender zutreffend dargelegt. Es betrifft dies die
Beitragsfestsetzung bei Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit (Art.
25 Abs. 1 und 3 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung; AS 2000
1441; ZAK 1992 S. 474 Erw. 2b, 1988 S. 511 Erw. 2c und d, je mit Hinweisen)
und bei Abweichen des Erwerbseinkommens des ersten Geschäftsjahres von dem
der folgenden Jahre (Art. 25 Abs. 4 AHVV sowohl in der von 1. Januar 1988 bis
31. Dezember 1994 sowie in der von 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 2000
geltenden Fassung; AS 1994 2162; AS 2000 1441; BGE 120 V 161; AHI 1995 S. 3;
SVR 1994 AHV Nr. 16 S. 39, je mit Hinweisen) sowie die Verbindlichkeit des
von den kantonalen Steuerbehörden ermittelten Einkommens und Eigenkapitals
(Art. 23 Abs. 1 und 4 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung; AS
2000 1441; AHI 1997 S. 25 Erw. 2b mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass in
intertemporalrechtlicher Hinsicht die in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31.
Dezember 2000 geltende Fassung von Art. 25 Abs. 4 AHVV zur Anwendung gelange.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach dasjenige Recht anwendbar sei,
in welcher Periode vor oder nach In-Kraft-Treten der neuen Vorschrift sich
der Tatbestand hauptsächlich erfüllt habe, verletze Bundesrecht. Würde der
intertemporalrechtliche Grundsatz angewendet, wonach jene Bestimmungen
anwendbar seien, welche bei Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (vgl. BGE 127 V 467 Erw. 1), so habe sich der
rechtsauslösende Tatbestand im vorliegenden Fall erst per 31. Dezember 1995
erfüllt. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass das erste Geschäftsjahr vom
1. Oktober 1992 bis zum 31. Dezember 1993, das zweite vom 1. Januar bis zum
31. Dezember 1994 und das dritte vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1995
gedauert habe. Würde man Art. 25 Abs. 4 AHVV ausser Acht lassen, so käme man
in Anwendung von Art. 25 Abs. 1 AHVV zum gleichen Ergebnis. Art. 25 Abs. 4
AHVV habe offensichtlich den Zweck, eine der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit entsprechende Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge zu
garantieren. Die höchstrichterliche Rechtsprechung führe zu einem völlig
stossenden Ergebnis, weil im vorliegenden Fall während 4 Jahren auf dem
Gegenwartseinkommen die Beiträge erhoben würden und erst ab dem Vorjahr 1997
auf ein durchschnittliches Einkommen abgestellt werden könne, was der
üblichen Festlegung der Bemessungsgrundlage entspreche. Mit der von der
Vorinstanz übernommenen höchstrichterlichen Rechtsprechung werde verhindert,
dass, solange der Tatbestand noch nicht beendet sei, der neue Art. 25 Abs. 4
AHVV zur Anwendung komme. Zusammen mit der Tatsache, dass sich die neue
Fassung des Artikels zu Gunsten der Beschwerdeführerin auswirke, sei
festzustellen, dass sie in ihrem verfassungsmässigen Recht auf Abrechnung der
Sozialversicherungsbeiträge gemäss der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
verletzt sei. Da es der Gesetzgeber unterlassen habe, bei der Einführung der
neuen Fassung von Art. 25 Abs. 4 AHVV eine intertemporale Regelung
vorzusehen, seien die üblichen Übergangsbestimmungen aus dem Zivilrecht
heranzuziehen (Art. 1 des Schlusstitels ZGB). Im vorliegenden Fall könne
aufgrund einer sachgerechten Auslegung nur geschlossen werden, dass der
Abschluss und damit der Eintritt der rechtserheblichen Tatsache sich auf den
31. Dezember 1995 erstrecke. Diese Auslegung diene der Rechtssicherheit und
dem Vertrauensschutz bei der Rechtsanwendung mehr als die bisherige
höchstrichterliche Rechtsprechung.

3.2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat sich bereits wiederholt
ausführlich mit der intertemporalrechtlichen Anwendung von alt Art. 25 Abs. 4
AHVV auseinandergesetzt (Urteile A. vom 4. September 2001 [H 283/00] mit
Hinweisen, S. vom 4. Oktober 2001 [H 334/00], M. und S. vom 13. September
2002 [H 316/01 und H 1/02] ). Es hat dabei seine Rechtsprechung zu der auf 1.
Januar 1988 in Kraft getretenen Fassung (AHI 1995 S. 3 ff. mit Hinweisen),
welche auch für die ab 1. Januar 1995 in Kraft getretene Geltung hat,
bestätigt. Verwaltung und Gericht haben ihrem Handeln jene Rechtssätze
zugrunde zu legen, die zur Zeit des für die Rechtsfolge massgebenden
Sachverhalts in Kraft waren; dieser Grundsatz wird gegebenenfalls
eingeschränkt durch spezielles intertemporales Recht. Einerseits sind dabei
die Grundsätze bezüglich Vor- und Rückwirkung zu beachten; andererseits wird
das alte Recht mit seiner Aufhebung nicht einfach unanwendbar, sondern bleibt
weiterhin massgeblich für Tatbestände, die sich vor der Aufhebung erfüllt
haben, und es kann sich auch auf später eingetretene Fakten nachwirken,
sofern die später eingetretenen Tatbestandselemente gegenüber den früher sich
verwirklichten in den Hintergrund treten. Unter Bezugnahme auf BGE 126 V 136
Erw. 4b hat das Eidgenössische Versicherungsgericht festgehalten, dass bei
zusammengesetzten Tatbeständen, d.h. bei Rechtsnormen, welche den Eintritt
der in ihr vorgesehenen Rechtsfolge von der Verwirklichung mehrerer
subsumtionsrelevanter, im Verlaufe einer bestimmten Zeitspanne eintretender
Sachverhaltselemente abhängig machen, für die intertemporalrechtliche
Anwendbarkeit massgeblich ist, unter der Herrschaft welcher Norm sich der
Sachverhaltskomplex schwergewichtig oder überwiegend ereignet hat. Bei alt
Art. 25 Abs. 4 AHVV handelt es sich um einen solchen zusammengesetzten
Tatbestand, weshalb aus übergangsrechtlicher Sicht massgebend ist, unter
welchem Recht sich der für die Rechtsfolge (Beitragsfestsetzung im
ausserordentlichen Bemessungsverfahren bis zur übernächsten ordentlichen
Beitragsperiode) massgebliche Sachverhalt (über 25 % Abweichung des
Einkommens des ersten Geschäftsjahres von den beiden nächsten
Geschäftsjahren) verwirklicht hat (erwähntes Urteil A. vom 4. September 2001
mit Hinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung ist alt Art. 25 Abs. 4 AHVV aus
Gründen der rechtsgleichen Behandlung stets dann - und diesfalls ausnahmslos
- anzuwenden, wenn die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind. Daran ändert
auch der Ausnahmecharakter der Norm nichts; denn dem Umstand, dass - je nach
Interessenlage - das Bedürfnis nach Beibehaltung oder Preisgabe des
ausserordentlichen Bemessungsverfahrens besteht, kann nicht dadurch begegnet
werden, dass im Einzelfall nach Billigkeitsgesichtspunkten in die vom
Verordnungsgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraumes getroffene
Regelung des Nebeneinanders der beiden Beitragsbemessungsverfahren
normberichtigend eingegriffen wird (AHI 1994 S. 144 Erw. 8 mit Hinweisen;
vgl. auch erwähnte Urteile S. vom 4. Oktober 2001 und M. vom 13. September
2002).

3.3 An dieser konstanten Rechtsprechung vermögen die von der
Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände nichts zu ändern. Das
Sozialversicherungsrecht kennt unabhängig vom Zivilrecht (Art. 1 Schlusstitel
ZGB) eigene intertemporalrechtliche Regeln. Neben dem allgemeinen Grundsatz,
wonach diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu
Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), hat
das Eidgenössische Versicherungsgericht bei zusammengesetzten Tatbeständen
den Grundsatz aufgestellt, dass für die Entscheidung der
intertemporalrechtlichen Anwendbarkeit massgeblich ist, unter der Herrschaft
welcher Norm sich der Sachverhaltskomplex schwergewichtig, überwiegend
ereignet hat (BGE 126 V 136 Erw. 4b, 123 V 28 Erw. 3a, je mit Hinweisen).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat sich im vorliegenden Fall
der zu Rechtsfolgen führende Tatbestand nicht erst per 31. Dezember 1995,
sondern schwergewichtig in den Jahren 1993 und 1994 und damit unter der bis
Ende Dezember 1994 gültigen Fassung von Art. 25 Abs. 4 AHVV verwirklicht.
Dass bei dieser Lösung - je nach konkretem Einzelfall (vgl. etwa Urteil S.
vom 4. Oktober 2001, H 361/00) - eine beitragsmässige Mehrbelastung entsteht,
liegt nicht hauptsächlich in der intertemporalrechtlich getroffenen Lösung,
sondern im Beitragsbezug mit ausserordentlichem und ordentlichem
Bemessungsverfahren. Schliesslich hat sich das Eidgenössische
Versicherungsgericht im erwähnten Urteil A. vom 4. September 2001 (H 283/00)
eingehend mit der Frage der Praxisänderung auseinandergesetzt und eine solche
abgelehnt.

3.4 Vorinstanz und Verwaltung haben somit zu Recht Art. 25 Abs. 4 AHVV in der
von 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1994 geltenden Fassung angewendet und
gestützt darauf das ausserordentliche Bemessungsverfahren bis zur
übernächsten ordentlichen Beitragsperiode mit dem Vorjahr 1997 weitergeführt.
Denn von den drei ersten Geschäftsjahren liegen zwei unter der Herrschaft des
alten Rechts und das auf zwölf Monate umgerechnete Einkommen des ersten
Geschäftsjahres weicht offensichtlich um mehr als 25 % vom Durchschnitt der
beiden folgenden Jahre ab. Nachdem die Verfügungen vom 5. August 1999 im
Übrigen nicht beanstandet werden und sich auch aus den Akten keine Hinweise
ergeben, wonach diese unzutreffend wären, verletzt der vorinstanzliche
Entscheid Bundesrecht nicht.

4.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen,
sondern um eine Beitragsstreitigkeit geht, ist das Verfahren kostenpflichtig
(Art. 134 OG e contrario). Die unterliegende Beschwerdeführerin hat demnach
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil  wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 11. März 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: