Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 238/2002
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H 238/02

Urteil vom 22. Juli 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und nebenamtlicher Richter Weber;
Gerichtsschreiber Fessler

B._______, 1946, Rechtsanwalt, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 28. Juni 2002)

Sachverhalt:

A.
Dr. iur. B._______ war seit 1. Juli 1989 der Ausgleichskasse des Kantons
Zürich als selbstständigerwerbender Rechtsanwalt angeschlossen. Mit
Verfügungen vom 9. und 15. Dezember 1997 setzte die Kasse die persönlichen
Beiträge für die Jahre 1991 bis 1995 definitiv fest. In teilweiser
Gutheissung der Beschwerde von B._______ hob das Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Dezember 2000 diese Verwaltungsakte
auf und wies die Sache an die Ausgleichskasse zurück, damit sie die
persönlichen Beiträge für 1991 bis 1995 im Sinne der Erwägungen neu
festsetze. Mit Urteil vom 19. November 2001 (H 60/01) wies das Eidgenössische
Versicherungsgericht die hiegegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab,
soweit es darauf eintrat.

Mit Verfügungen vom 6. und 7. Februar 2002 setzte die Ausgleichskasse die
persönlichen Beiträge (einschliesslich "Verwaltungskosten") auf Fr. 12'084.50
(1991), Fr. 20'274.- (1992) sowie je Fr. 16'184.40 (1993 bis 1995) fest.
Unter Berücksichtigung der schon geleisteten Zahlungen von Fr. 5880.80 ergab
sich für 1991 ein Differenzbetrag von Fr. 6203.70 zu Lasten des
Beitragspflichtigen.

B.
B._______ reichte beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Beschwerde ein und beantragte zur Hauptsache, die Verfügung vom 7. Februar
2002 für das Beitragsjahr 1991 sei aufzuheben und es seien die für dieses
Jahr zu entrichtenden Beiträge von Fr. 6203.70 auf Fr. 505.80, allenfalls auf
Fr. 1718.30 herabzusetzen; eventuell sei die Ausgleichskasse anzuweisen, eine
entsprechende Gutschriftsverfügung zu erlassen. Nach Vernehmlassung der Kasse
stellte B._______ in einer weiteren Eingabe den Antrag, die Verwaltung sei
anzuhalten, aus ihrer Buchhaltung alle ihn betreffenden Konten und Belege der
Jahre 1989 bis 1995 in Kopie und auf besondere weitere Aufforderung hin im
Original einzureichen.

Mit Entscheid vom 28. Juni 2002 wies das kantonale Sozialversicherungsgericht
die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert B._______ die im kantonalen
Verfahren gestellten Rechtsbegehren.
Die Ausgleichskasse verzichtet auf eine Stellungnahme und einen bestimmten
Antrag zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherung reicht keine Vernehmlassung ein.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der Alters- und
Hinterlassenenversicherung geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht
grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung
des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw.
1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines
Falles in der Regel auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen
Verfügung (hier: 6. und 7. Februar 2002) eingetretenen Sachverhalt abstellt
(BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember
2002 geltenden Bestimmungen anwendbar.

2.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

3.
3.1 Anfechtungsgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren
bilden, formell, Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG und, materiell, die
darin geregelten Rechtsverhältnisse. Unter dem Streitgegenstand sind
demgegenüber das oder die aufgrund der Beschwerdebegehren tatsächlich
angefochtenen, somit als Prozessthema vor den (erst- oder zweitinstanzlichen)
Richter gezogenen Rechtsverhältnisse zu verstehen. Was im konkreten
Einzelfall den zu beurteilenden Streitgegenstand ausmacht, ist unter
Berücksichtigung des materiell-rechtlichen Kontextes, des massgeblichen
Verfügungsinhaltes und der, in Anbetracht der Beschwerde, konkreten
Verfahrenslage zu entscheiden (BGE 125 V 415 Erw. 2a mit Hinweisen).

Für die begriffliche Umschreibung des Streitgegenstandes und seine Abgrenzung
vom Anfechtungsgegenstand nicht von Bedeutung sind die bestimmenden Elemente
oder Teilaspekte des oder der verfügungsweise festgelegten
Rechtsverhältnisse. Sie dienen in der Regel lediglich der Begründung des
Verwaltungsaktes und sind daher grundsätzlich nicht selbstständig anfechtbar.
Sie können folgerichtig erst als der richterlichen Überprüfung entzogen
gelten, wenn über den Streitgegenstand insgesamt rechtskräftig entschieden
worden ist (BGE 125 V 416 Erw. 2b).

3.2 Ausgangspunkt des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens bilden
die Verfügungen vom 6. und 7. Februar 2002 über die persönlichen Beiträge für
1991 bis 1995. Bestimmende Elemente dieser Verwaltungsakte sind neben der
Beitragspflicht und dem Statut als Selbstständigerwerbender die rechtlich
geschuldeten Beiträge einschliesslich "Verwaltungskosten" sowie für 1991 die
für dieses Beitragsjahr effektiv bereits geleisteten Zahlungen. Wie schon im
kantonalen Verfahren ist vorliegend keiner dieser Teilaspekte angefoch-ten.
Insbesondere wird nicht geltend gemacht, Beiträge und "Verwaltungskosten"
(Fr. 12'084.50) sowie erbrachte Zahlungen (Fr. 5880.80) für 1991 stimmten
nicht. Aufgrund der Akten besteht kein Anlass zu einer näheren Prüfung dieser
Punkte (BGE 125 V 415 Erw. 1b und 417 oben).

3.3 Der Beschwerdeführer beanstandete vor Vorinstanz, die Ausgleichskasse
habe zu Unrecht für 1989/90 sowie 1999 zu viel bezahlte Beiträge nicht an die
Beitragsschuld für 1991, allenfalls 1992 bis 1995 angerechnet. Diese im
letztinstanzlichen Verfahren erneut vorgetragene Rüge beschlägt indessen nach
zutreffender Feststellung des kantonalen Gerichts nicht den durch die
Verfügungen vom 6. und 7. Februar 2002 festgelegten Anfechtungsgegenstand.
Die Vorinstanz ist insoweit daher zu Recht nicht auf die Beschwerde
eingetreten. Die Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur
Beschwer im Hinblick auf die schuldbetreibungsrechtliche Rechtslage nach
Eintritt der Rechtskraft der Beitragsverfügungen vom 6. und 7. Februar 2002
ändern nichts daran. Darauf ist nicht weiter einzugehen.
Entgegen dem Beschwerdeführer kann in diesem Vorgehen nicht eine Verletzung
von alt Art. 25 Abs. 5 AHVV (in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2000)
erblickt werden. Nach dieser vorliegend anwendbaren Bestimmung hat die
Ausgleichskasse die im ausserordentlichen Verfahren festgesetzten Beiträge
nachzufordern oder zurückzuerstatten, wenn sich später aus der Meldung der
kantonalen Steuerbehörde ein höheres oder niedrigeres Erwerbseinkommen
ergibt. Ob alt Art. 25 Abs. 5 AHVV Anspruch darauf gibt, dass für ein
bestimmtes oder bestimmte Beitragsjahre zu viel geleistete Beitragszahlungen
an die - ältesten (vgl. SVR 1995 AHV Nr. 70 S. 214 Erw. 4, ZAK 1989 S. 112
Erw. 3c) - Beitragsschulden anzurechnen sind, wie der Beschwerdeführer
geltend macht, ist fraglich. Der Wegleitung über den Bezug der Beiträge in
der AHV, IV und EO (WBB, in den ab 1. Januar 1988 und 1994 gültigen
Fassungen) jedenfalls lässt sich nichts in diesem Sinne entnehmen.
Demgegenüber sieht der auf 1. Januar 2001 geänderte Art. 25 Abs. 3 AHVV
ausdrücklich vor, dass die Ausgleichskassen zu viel entrichtete Beiträge
zurückzuerstatten oder zu verrechnen haben (vgl. AHI 2000 S. 119 sowie Rz
3077 WBB in der ab 1. Januar 2001 gültigen Fassung). So oder anders ändert
dieser offene Punkt indessen nichts daran, dass die beantragte Verrechnung
der angeblich für 1989/90 und 1999 zu viel bezahlten Beiträge mit den für
1991 noch ausstehenden Beiträgen und allenfalls die Berichtigung von
Buchungsfehlern im individuellen Konto (vgl. Art. 141 Abs. 3 AHVV und BGE 117
V 262 Erw. 3a, EVGE 1960 S. 55; ferner Rz 4010 WBB) nicht Gegenstand der
Verfügungen vom 6. und 7. Februar 2002 waren.

3.4 Bei dieser Rechtslage stösst auch die weitere Rüge der Rechtsverweigerung
ins Leere.

Schliesslich ist nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer dadurch
beschwert ist, dass das kantonale Gericht den Verrechnungsantrag auch als
Begehren um Beitragsherabsetzung nach Art. 11 AHVG in Betracht gezogen hat
und mangels eines Anfechtungsgegenstandes darauf nicht eingetreten ist.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem
Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 22. Juli 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: