Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 22/2002
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H 22/02 Vr

                        II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard;
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke

                  Urteil vom 8. Juli 2002

                         in Sachen

M.________, 1920, Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren
Sohn, und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Max Tobler,
Pestalozzistrasse 14, 8570 Weinfelden,

                           gegen

Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes, Viadukt-
strasse 42, 4051 Basel, Beschwerdegegnerin,

                            und

Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen und die
IV-Stellen, Basel

     A.- Die 1920 geborene M.________, Bezügerin einer
Altersrente, leidet unter anderen an seniler Demenz vom
Alzheimer-Typ. Am 19. April 1995 trat sie ins Betagtenheim
X.________ ein. Am 22. Februar 2000 wechselte sie ins
Alters- und Pflegeheim Y.________. Gleichentags ersuchte
ihr Ehemann als deren Beistand um Ausrichtung einer Hilf-
losenentschädigung der Alters- und Hinterlassenenversiche-

rung. Mit Verfügung vom 6. November 2000 sprach die Aus-
gleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes (nachfol-
gend: Ausgleichskasse) M.________ auf Grund verspäteter
Anmeldung rückwirkend ab 1. Februar 1999 eine Hilflosen-
entschädigung der Alters- und Hinterlassenenversicherung
schweren Grades zu.

     B.- Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher
M.________ die Gewährung der vollen Nachzahlung gemäss
Art. 46 AHVG beantragen liess, wies die Kantonale Rekurs-
kommission für die Ausgleichskassen und die IV-Stellen,
Basel (heute: Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt), mit
Entscheid vom 13. September 2001 ab.

     C.- M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen und beantragen, es sei ihr eine Hilflosenentschädi-
gung vom 1. April 1996 bis 31. Januar 1999 zuzusprechen.
     Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt
für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den An-
spruch auf Hilflosenentschädigung (Art. 43bis Abs. 1 AHVG)
und deren Beginn (Art. 43bis Abs. 2 AHVG), über den An-
spruch auf Nachzahlung von Leistungen der Invalidenver-
sicherung (Art. 48 Abs. 1 IVG) und der Alters- und Hinter-
lassenenversicherung (Art. 46 Abs. 1 AHVG) sowie auf Aus-
richtung von Leistungen bei verspäteter Anmeldung (Art. 48
Abs. 2 IVG, Art. 46 Abs. 2 AHVG) unter Hinweis auf die
Rechtsprechung, insbesondere zur Kenntnis des anspruchs-
begründenden Sachverhalts (BGE 120 V 94 Erw. 4b, 114
V 137 Erw. 3b, 102 V 113 Erw. 1a; ZAK 1984 S. 404 Erw. 1),
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

     2.- a) Auf Grund der vorhandenen Unterlagen kann als
erstellt gelten, dass die Beschwerdeführerin schon seit
April 1995, mithin im Zeitpunkt des Eintritts ins Betagten-
heim X.________, in schwerem Grad hilflos ist. Streitig
ist, ihr ob eine entsprechende Hilflosenentschädigung
rückwirkend zufolge verspäteter Anmeldung - wie verfügt -
erst ab Februar 1999 oder bereits früher auszurichten ist.
     Die Vorinstanz hat zufolge des Datums der Anmeldung
für eine Hilflosenentschädigung (22. Februar 2000) richtig
erkannt, dass eine Nachzahlung der Entschädigung gemäss
Art. 46 Abs. 2 Satz 1 AHVG nur für die Zeit ab 1. Februar
1999 in Betracht fällt. Die Voraussetzungen für eine wei-
tergehende Nachzahlung im Sinne von Art. 46 Abs. 2 Satz 2
AHVG sind nicht erfüllt, da der die Beschwerdeführerin als
Beistand vertretende Ehemann den anspruchsbegründenden
Sachverhalt kannte und Gründe, die ihn davon abgehalten
hätten, seine Frau rechtzeitig zum Bezug einer Hilflosen-
entschädigung anzumelden, nicht ersichtlich sind.

     b) Was dagegen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
vorgebracht wird, vermag nicht zu einem anderen Ergebnis zu
führen.
     Soweit erneut geltend gemacht wird, der Ehemann der
Beschwerdeführerin habe die grundsätzliche Beistands- und
Pflegebedürftigkeit seiner Ehefrau lediglich dahingehend
einzuschätzen vermocht, dass er für die Unterbringung in
ein Altersheim besorgt gewesen sei, sich indes nie Gedanken
über den (rechtlichen) Begriff der Hilflosigkeit gemacht
habe, wird zweierlei übersehen: Zum einen ist mit der
Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts nicht das
subjektive Einsichtsvermögen der versicherten Person oder
ihres Vertreters gemeint, sondern es geht nach dem Wortlaut
von Art. 46 Abs. 2 Satz 2 AHVG vielmehr darum, ob der an-
spruchsbegründende Sachverhalt objektiv feststellbar ist
oder nicht. Dass die Hilflosigkeit der Versicherten lange
vor der Anmeldung zum Bezug von Hilflosenentschädigung ob-
jektiv erkennbar war, muss auf Grund des Heimeintritts am

19. April 1995 klar bejaht werden, wobei überdies auch der
Umstand, dass am 26. Juli 1995 der Ehemann als Beistand er-
nannt werden musste, als Indiz für die Hilflosigkeit gelten
kann. Insofern trifft auch nicht zu, wie dies in der Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, dass immer
zuerst der Arzt oder eine Pflegeperson die Hilflosigkeit
feststellen muss. Im Übrigen ist die diesbezügliche Recht-
sprechung zu Art. 48 Abs. 2 IVG (BGE 100 V 120; ZAK 1984
S. 404 f. Erw. 1, 1975 S. 128) entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin entsprechend auch auf Art. 46 Abs. 2
AHVG anwendbar. Das Eidgenössische Versicherungsgericht
entschied bereits in BGE 114 V 134, dass Art. 48 Abs. 2
Satz 2 IVG, wonach weitergehende Nachzahlungen erbracht
würden, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden
Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert
zwölf Monaten seit Kenntnisnahme vornehme, auch für Hilf-
losenentschädigungen im Rahmen von Art. 46 Abs. 2 AHVG
gelte, obwohl Satz 2 von Art. 46 Abs. 2 AHVG in der bis
31. Dezember 1996 gültigen Fassung noch nicht enthalten
war. Mit der 10. AHV-Revision, in Kraft seit 1. Januar
1997, wurde dieser Satz entsprechend der erwähnten Recht-
sprechung eingefügt. Es trifft deshalb entgegen der Auf-
fassung der Beschwerdeführerin nicht zu, dass weitergehende
Nachzahlungen über die der Anmeldung vorangehenden zwölf
Monate hinaus gestützt auf das AHVG erst seit dem 1. Januar
1997 erbracht werden.
     Zum anderen kommt es allein auf die Kenntnis des an-
spruchsbegründenden Sachverhalts, also auf die Kenntnis des
entsprechenden Gesundheitszustandes und nicht etwa darauf
an, ob sich daraus ein Anspruch auf eine Hilflosenentschä-
digung ableiten lässt (BGE 102 V 113). Genau dies wird je-
doch geltend gemacht, wenn vorgebracht wird, der Ehemann
der Versicherten hätte sich nie Gedanken über den (recht-
lichen) Begriff der Hilflosigkeit gemacht und die Behörden
hätten ihn als Beistand nicht auf die Möglichkeit des An-
spruches auf Hilflosenentschädigung aufmerksam gemacht. Im
Übrigen kann nach einem auch im Sozialversicherungsrecht

geltenden Grundsatz niemand Vorteile aus seiner eigenen
Rechtsunkenntnis ableiten (BGE 124 V 220 Erw. 2b/aa, 111 V
405 Erw. 3, 110 V 216 Erw. 4 und 338 Erw. 4, ZAK 1991
S. 375 Erw. 3c, je mit Hinweisen), weshalb die Rechtsun-
kenntnis keinen Hinderungsgrund bezüglich des Wissens um
den anspruchsbegründenden Sachverhalt darstellt (Urteile
A. vom 8. Mai 2002, I 367/01, und B. vom 8. Januar 2001,
I 48/00).
     Was im Weiteren den Einwand der mangelnden Instruktion
durch andere Behörden betrifft, ist festzuhalten, dass
weder die Heilstätten noch die Ärzte eine spezielle gesetz-
liche Aufklärungspflicht bezüglich des Anmeldungserforder-
nisses trifft (EVGE 1962 S. 374 Erw. 4). Schliesslich kann
die Frage, welche Konsequenzen sich aus einem etwaigen
fehlerhaften Verhalten der Vormundschaftsbehörde ergeben,
nicht Gegenstand dieses Sozialversicherungsprozesses sein
(vgl. auch BGE 112 V 104 Erw. 3b).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozial-
     versicherung zugestellt.

Luzern, 8. Juli 2002

                    Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
             Der Präsident der II. Kammer:

               Die Gerichtsschreiberin: