Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 213/2002
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H 213/02

Urteil vom 7. Juli 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin
Durizzo

G.________, 1939, Beschwerdeführerin, vertreten durch G.________,

gegen

Ausgleichskasse für das schweizerische Bankgewerbe, Ankerstrasse 53, 8004
Zürich, Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 28. Juni 2002)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 17. Juli 2001 sprach die Ausgleichskasse für das
schweizerische Bankgewerbe G.________ auf der Grundlage einer anrechenbaren
Beitragsdauer von 40 Jahren und neun Monaten, eines massgeblichen
durchschnittlichen Jahreseinkommens von Fr. 29'664.-, Erziehungsgutschriften
von zehn halben Jahren, einer Zusatzzeit gemäss Art. 52d AHVV von 36 Monaten
sowie der Skala 43 der vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV)
herausgegebenen Rententabellen mit Wirkung ab 1. August 2001 eine ordentliche
Altersrente der AHV (Teilrente) in der Höhe von Fr. 1326.- monatlich zu.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen mit Entscheid vom 28. Juni 2002 ab.

C.
G.________ lässt durch ihren Ehemann G.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen und beantragt die Zusprechung einer Vollrente.

Während die Ausgleichskasse für das schweizerische Bankgewerbe auf Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das BSV auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im AHV-Bereich geändert worden. Weil in
zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die
bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben
(BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei
der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des
Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 17. Juli 2001) eingetretenen
Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die
neuen Bestimmungen nicht anwendbar.

1.2 Der Betrag der ordentlichen Altersrente wird durch zwei Elemente
bestimmt: einerseits durch das Verhältnis zwischen der Beitragsdauer der
versicherten Person und jener ihres Jahrgangs (Rentenskala) sowie anderseits
auf Grund ihres durchschnittlichen Jahreseinkommens. Anspruch auf eine
ordentliche Vollrente haben Versicherte mit vollständiger Beitragsdauer (Art.
29 Abs. 2 lit. a AHVG), die zwischen dem 1. Januar nach Vollendung des 20.
Altersjahres und dem 31. Dezember vor Eintritt des Versicherungsfalles
während gleich vielen Jahren wie ihr Jahrgang Beiträge geleistet haben (Art.
29bis Abs. 1 und Art. 29ter Abs. 1 AHVG), wobei die Jahre, während welcher
die verheiratete Frau auf Grund von Art. 3 Abs. 2 lit. b aAHVG (in der bis
Ende 1996 gültig gewesenen Fassung) keine Beiträge entrichtet hat, als
Beitragsjahre gezählt werden (Art. 29bis Abs. 2 aAHVG in der bis Ende 1996 in
Kraft gestandenen Fassung, welcher gemäss Art. 29bis Abs. 2 AHVG [in der seit
1. Januar 1997 geltenden Fassung] in Verbindung mit lit. g Abs. 2 der
Übergangsbestimmungen zur 10. AHV-Revision für die Beitragsjahre vor dem 1.
Januar 1997 auch für nach dem 1. Januar 1997 festgesetzte Renten Gültigkeit
besitzt). Art. 3 Abs. 2 lit. b aAHVG bestimmt, dass die nichterwerbstätigen
Ehefrauen von Versicherten von der Beitragspflicht befreit sind. Die
beitragsfreien Jahre gemäss Art. 29bis Abs. 2 aAHVG können indes nur dann
angerechnet werden, wenn die Ehefrau während dieser Zeit selber versichert
war, denn die Voraussetzungen für die Versicherteneigenschaft sind
grundsätzlich persönlich zu erfüllen (BGE 107 V 1 ff. Erw. 1 mit Hinweis; ZAK
1981 S. 337).

Obligatorisch versichert nach Massgabe des AHVG in der seit 1. Januar 1997
gültigen Fassung sind natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz (Art. 1
Abs. 1 lit. a AHVG), natürliche Personen, die in der Schweiz eine
Erwerbstätigkeit ausüben (Art. 1 Abs. 1 lit. b AHVG), sowie Schweizer Bürger,
die im Ausland im Dienste der Eidgenossenschaft oder vom Bundesrat
bezeichneter Institutionen tätig sind (Art. 1 Abs. 1 lit. c AHVG). Vor der
10. AHV-Revision waren gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. c aAHVG auch Schweizer
Bürger obligatorisch versichert, die im Ausland für einen Arbeitgeber in der
Schweiz tätig waren und von diesem entlöhnt wurden. Zeiten, in welchen die
Ehefrau mit ihrem nach Massgabe dieser Bestimmung versicherten Ehemann
Wohnsitz im Ausland hatte, können nach der Rechtsprechung, wie das kantonale
Gericht richtig dargelegt hat, nur dann als Beitragsjahre berücksichtigt
werden, wenn sie selber auch obligatorisch versichert gewesen oder der
freiwilligen Versicherung beigetreten ist (ZAK 1981 S. 337; vgl. auch BGE 126
V 217).

1.3 Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt,
sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen
Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der
Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG).

2.
2.1 Die Ausgleichskasse hat sich bezüglich der Beitragsdauer auf die Angaben
der Versicherten in ihrer Anmeldung vom 11. Dezember 2000 gestützt. Demnach
weilte die Beschwerdeführerin während drei Monaten (von September bis
November) im Jahr 1969 und drei Monaten (August bis Oktober) im Jahr 1974 in
der Schweiz, lebte ansonsten aber seit September 1967 bis im März 1977 im
Ausland. Verwaltung und Vorinstanz gingen davon aus, dass ihr während dieser
Zeit mangels Beitritt zur freiwilligen Versicherung Beitragslücken entstanden
seien, welche nur teilweise durch Ersatzzeiten (fünf Jugendjahre, drei
Zusatzjahre gemäss Art. 52 AHVV) hätten gefüllt werden können. Insgesamt
weise sie eine Beitragsdauer von 40 Jahren und neun Monaten anstelle von 41
Jahren auf.

2.2 Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, ist die Versicherte während
der Zeiten ihres Auslandaufenthaltes nicht der freiwilligen Versicherung
beigetreten. Auf diese Erwägung kann verwiesen werden.

2.3 Die Beschwerdeführerin macht letztinstanzlich geltend, dass sie vor der
Versetzung ihres Ehemannes nach Brasilien nicht nur die Monate September bis
November 1969 in der Schweiz verbracht habe, sondern ihm erst im Mai 1970
nachgereist sei, und legt als Beweismittel Kopien aus ihrem Pass ins Recht.

3.
3.1 Damit ist mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit
Hinweisen) erstellt, dass die Versicherte im Jahr 1969 vier - anstelle der
von Verwaltung und Vorinstanz angenommenen drei - und im Jahr 1970 fünf
Monate - gemäss Verwaltung und Vorinstanz ausländische Versicherungszeit - in
der Schweiz gelebt hat.

3.2 Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdeführerin in diesen Zeiten versichert
war.

3.2.1 Wie bereits erwähnt (s. Erw. 1.2), sind gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. a
AHVG natürliche Personen nach Massgabe des AHVG obligatorisch versichert,
wenn sie Wohnsitz in der Schweiz haben, wobei der zivilrechtliche
Wohnsitzbegriff nach Art. 23 ff. ZGB massgebend ist (Art. 95a AHVG; Käser,
Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl., Bern
1996, S. 13 Rz 1.16; vgl. auch die Rechtsprechung zu der bis am 31. Dezember
1996 gültig gewesenen Fassung von Art. 1 Abs. 1 lit. a aAHVG: ZAK 1990 S. 247
f. Erw. 3a).

3.2.2 Der Wohnsitz einer Person befindet sich nach Art. 23 Abs. 1 ZGB an dem
Ort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Art. 25 Abs.
1 ZGB in seiner bis 31. Dezember 1987 gültig gewesenen, hier massgebenden
(Art. 1 Abs. 1 SchlT ZGB) Fassung bestimmte, dass als Wohnsitz der Ehefrau
derjenige des Ehemannes galt. Gemäss Art. 24 Abs. 1 ZGB bleibt der einmal
begründete Wohnsitz bestehen bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes; nach Abs.
2 dieser Bestimmung gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz, wenn ein früher
begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ein Wohnsitz im Ausland
aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden ist.

3.2.3 Aus den Angaben der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass sie nach ihrer
Rückkehr aus Spanien im September 1969 gemeinsam mit ihrem Ehemann in der
Schweiz geweilt hat, bevor dieser von seiner damaligen Arbeitgeberin nach
Brasilien versetzt wurde, wobei dort offenbar noch kein definitiver Einsatz
vorgesehen war, weshalb er zunächst in einem Hotel wohnte. Unter diesen
Umständen ist davon auszugehen, dass die Ehegatten im September 1969 Wohnsitz
in der Schweiz genommen und zufolge der vorerst nur provisorischen Versetzung
des Ehemannes erst im Verlaufe des Mai 1970 einen neuen Wohnsitz in Brasilien
begründet haben.

3.2.4 Die Beschwerdeführerin hatte demnach von September 1969 bis in den Mai
1970 hinein Wohnsitz in der Schweiz und war damit während dieser Periode
obligatorisch versichert, wobei ihr diese beitragsfreie Zeit ebenfalls gemäss
Art. 29bis Abs. 2 aAHVG anzurechnen ist. Die Sache ist deshalb an die
Ausgleichskasse zurückzuweisen, damit sie die Rente unter Berücksichtigung
dieses Umstands neu berechne.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird dahingehend gutgeheissen, dass der
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. Juni 2002
und die Verfügung der Ausgleichskasse für das schweizerische Bankgewerbe vom
17. Juli 2001 aufgehoben werden und die Sache an die Ausgleichskasse
zurückgewiesen wird, damit sie die Altersrente im Sinne der Erwägungen neu
berechne.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 7. Juli 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: