Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 207/2002
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H 207/02

Urteil vom 10. März 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber Hadorn

G.________ GmbH, Beschwerdeführerin, vertreten durch E.________ und
T.________,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 11. Juni 2002)

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 5. April 2002 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons
Aargau die G.________ GmbH paritätische Beiträge (Pauschale für das vierte
Quartal 2001) von Fr. 2961.50 zuzüglich Kosten des Zahlungsbefehls und
Verzugszinsen zu entrichten, und erklärte zugleich den Rechtsvorschlag gegen
den Zahlungsbefehl Nr. 20210536 des Betreibungsamtes X.________ vom 13. März
2002, mit welchem die Ausgleichskasse den genannten Betrag vorgängig in
Betreibung gesetzt hatte, als vollumfänglich aufgehoben.
Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 11. Juni 2002 ab.
Die G.________ GmbH führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die
Sache sei an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung
auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der AHV geändert worden. Weil in
zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die
bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben
(BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei
der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des
Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 5. April 2002) eingetretenen
Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die
bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar.

2.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Die Beschwerdeführerin bestreitet zu Recht nicht mehr, dass die
Ausgleichskasse befugt war, den Rechtsvorschlag mittels Verfügung zu
beseitigen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat dieses Vorgehen als
mit Art. 6 EMRK vereinbar erklärt (BGE 121 V 109; das dort zur
Verfügungsbefugnis der Krankenkassen Gesagte gilt analog für die
Ausgleichskassen). Die Galerie rügt einzig noch eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs. Eine solche habe die Ausgleichskasse dadurch begangen,
dass sie die den Rechtsvorschlag beseitigende Verfügung ohne vorherige
Anhörung der Beschwerdeführerin erlassen habe. Dadurch seien sowohl Art. 29
Abs. 2 BV als auch Art. 15 des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes
(VRPG) verletzt worden. Grundsätzlich seien Betroffene vor und nicht erst
nach Erlass einer Verfügung anzuhören. Die Vorinstanz sei daher anzuweisen,
über die Frage einer Gehörsverletzung durch die Ausgleichskasse zu urteilen.

3.1 Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders schwerwiegende -
Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt gelten, wenn die betroffene
Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern,
die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Die
Heilung eines - allfälligen - Mangels soll aber die Ausnahme bleiben (BGE 127
V 437 Erw. 3d/aa, 126 I 72, 126 V 132 Erw. 2b, je mit Hinweisen).

3.2 Vorliegend ist die Beitragspauschale für das vierte Quartal 2001 nicht
bezahlt worden. Demgegenüber sind die ersten drei Quartalspauschalen offenbar
anstandslos beglichen worden. Für die vierte Pauschale hat die
Ausgleichskasse am 4. Dezember 2001 Rechnung gestellt. Dies war für die
Beschwerdeführerin sowohl zeitlich wie masslich vorauszusehen. Hätte die
Galerie dagegen Einwendungen erheben wollen, wäre schon hier Gelegenheit dazu
gewesen. Da weder Beanstandungen eingingen noch eine Bezahlung erfolgte,
leitete die Kasse korrekterweise ohne Verzug (Art. 15 Abs. 1 AHVG) die
Betreibung ein. Hiegegen erhob die Beschwerdeführerin Rechtsvorschlag,
verzichtete aber auf eine Begründung. Nachdem die Beschwerdeführerin auf
Grund der Rechnungsstellung vom 4. Dezember 2001 und der Betreibung wusste,
um was es ging und die Verfügung vom 5. April 2002 just die in Rechnung
gestellten und in Betreibung gesetzten Beiträge zum Gegenstand hat, ist der
Firma im Ergebnis das rechtliche Gehör gewährt worden. Nach der Aufhebung des
Rechtsvorschlages mittels der hier streitigen Verfügung konnte die Galerie
sodann die Sache vor das kantonale Gericht ziehen, welches mit voller
Kognition ausgestattet ist. Auch in diesem Prozess brachte sie keinerlei
materielle Beanstandungen betreffend Berechtigung oder Ausmass der
einverlangten Beiträge vor. Insgesamt ist nicht ersichtlich, weshalb die
Beschwerdeführerin die Beitragsforderung als solche bestreiten will. Ob die
Ausgleichskasse dadurch das rechtliche Gehör verletzte, dass sie die
Beschwerdeführerin vor dem Erlass der den Rechtsvorschlag beseitigenden
Verfügung nicht noch besonders angehört hat, ist nach dem Gesagten zu
verneinen, kann aber unter solchen Umständen offen bleiben. Selbst wenn dies
zutreffen sollte, hat die Galerie im Laufe des gesamten Prozesses mehrfach
ausreichend Gelegenheit gehabt, materielle wie formelle Beanstandungen
vorzubringen, sodass eine allfällige Gehörsverletzung als geheilt betrachtet
werden müsste. Eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Prüfung der
Frage, ob die Ausgleichskasse der Beschwerdeführerin vorgängig hätte
ankündigen müssen, dass sie eine Verfügung zur Beseitigung des
Rechtsvorschlages zu erlassen beabsichtige, käme unter den vorliegenden
Umständen einem prozessualen Leerlauf gleich. Die in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde behauptete Verletzung kantonalen Rechts sodann
stellt keinem Verstoss gegen Bundesrecht dar, worauf die Kognition des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts beschränkt ist (Erw. 2 hievor).

4.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die
unterliegende Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156
Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von total Fr. 600.- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 10. März 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: