Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 204/2002
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H 204/02

Urteil vom 18. Juni 2003
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Widmer

L.________, 1957, Gesuchsteller,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Gesuchsgegnerin

(Urteil vom 12. Mai 1997)

Sachverhalt:

A.
Mit Entscheid vom 22. November 1994 trat die AHV-Rekurskommission des Kantons
Zürich (heute: Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich) u.a. auf die
von der Ausgleichskasse des Kantons Zürich gegen L.________ (geboren 1957),
ehemaliges Mitglied des Verwaltungsrates der in Konkurs gefallenen Firma
X.________ AG eingereichte Schadenersatzklage nicht ein und nahm davon
Vormerk, dass die Schadenersatzverfügung der Ausgleichskasse vom 9. Mai 1994,
soweit L.________ betreffend, in Rechtskraft erwachsen sei, weil dieser
dagegen verspätet Einspruch erhoben habe.

Die hiegegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das
Eidgenössische Versicherungsgericht in dem Sinne gut, dass es den
angefochtenen Nichteintretensentscheid vom 22. November 1994 aufhob und die
Sache an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückwies, damit
dieses L.________ Gelegenheit einräume, zur Frage der Verspätung des
Einspruchs Stellung zu nehmen und hernach über die Schadenersatzklage neu
entscheide (Urteil vom 30. März 1995).

In Nachachtung dieses Urteils setzte das kantonale Gericht L.________ mit
Verfügung vom 8. September 1995 eine Frist von 30 Tagen an, um zur Frage der
Verspätung des Einspruchs Stellung zu nehmen. L.________ machte mit Eingabe
vom 16. Oktober 1995 von dieser Gelegenheit Gebrauch.

Mit Entscheid vom 12. Juni 1996 trat das Sozialversicherungsgericht auf die
von der Ausgleichskasse gegen L.________ erhobene Klage wiederum nicht ein
und stellte fest, dass die Schadenersatzverfügung der Ausgleichskasse vom 9.
Mai 1994 in Rechtskraft erwachsen sei.

Die von L.________ gegen diesen Entscheid erhobene
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Eidgenössische Versicherungsgericht
mit Urteil vom 12. Mai 1997 ab.

B.
Mit an die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich gerichteter Eingabe
vom 8. August 2002 ersuchte L.________ unter Beilage dreier Briefe und
weiterer Schriftstücke um revisionsweise Aufhebung der Schadenersatzverfügung
vom 9. Mai 1994. Die Ausgleichskasse des Kantons Zürich übermittelte die
Eingabe am 13. August 2002 zuständigkeitshalber dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht.
Mit Eingabe vom 12. September 2002 ersuchte L.________ um die Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheides ist nur im Rahmen der in
Art. 136 und 137 OG (sowie Art. 139a OG) abschliessend aufgezählten
Revisionsgründe zulässig, wobei das Revisionsgesuch in den Fällen von Art.
136 OG binnen 30 Tagen vom Eingang der schriftlichen Ausfertigung des
Entscheides und in den Fällen des Art. 137 OG binnen 90 Tagen von der
Entdeckung des Revisionsgrundes, frühestens jedoch vom Eingang der
schriftlichen Ausfertigung des bundesgerichtlichen Entscheides oder vom
Abschluss des Strafverfahrens an beim Bundesgericht anhängig gemacht werden
muss (Art. 141 Abs. 1 lit. a und b OG).

Nach Art. 137 lit. b in Verbindung mit Art. 135 OG ist die Revision eines
Urteils des Eidgenössischen Versicherungsgerichts u.a. zulässig, wenn der
Gesuchsteller nachträglich neue erhebliche Tatsachen erfährt oder
entscheidende Beweismittel auffindet, die er im früheren Verfahren nicht
beibringen konnte.

Als «neu» gelten Tatsachen, welche sich bis zum Zeitpunkt, da im
Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren,
verwirklicht haben, jedoch der um Revision ersuchenden Person nicht bekannt
waren. Art. 137 lit. b OG verlangt, dass der Gesuchsteller für die
Beibringung von Tatsachen oder Beweismitteln die der prozessualen Lage
angemessene Tätigkeit entfalte. Er muss dartun, dass es ihm trotz aller
Umsicht unmöglich war, die betreffende Tatsache in Erfahrung zu bringen oder
das Beweismittel zu finden (nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts in
Sachen C. vom 12. Oktober 1989, 1P.536/1989; vgl. auch BGE 108 V 171 f. Erw.
1). Die neuen Tatsachen müssen ferner erheblich sein, d.h. sie müssen
geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu
verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen
Entscheidung zu führen. Beweismittel haben entweder dem Beweis der die
Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von
Tatsachen zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum
Nachteil der Gesuch stellenden Person unbewiesen geblieben sind (BGE 110 V
141 Erw. 2, 293 Erw. 2a, 108 V 171 Erw. 1; vgl. auch BGE 118 II 205).

2.
Zur Begründung des Revisionsbegehrens reicht der Gesuchsteller nebst weiteren
Akten zwei Schreiben von H.________, damaliger Verwaltungsratspräsident der
Y.________ AG, der Vorgängerfirma der nachmaligen Firma X.________ AG (vom
25. und 28. September 1992), ein. Daraus ist ersichtlich, dass der
Gesuchsteller nur mittels Drohungen seitens von H.________ dazu bewegt werden
konnte, sich als Mitglied des Verwaltungsrates der Y.________ AG zur
Verfügung zu stellen. Weiter legt er ein Schreiben von H.________ vom 3. Juni
1994 auf, welches darauf schliessen lässt, dass er dazu gezwungen wurde, den
Einspruch gegen die Schadenersatzverfügung der Ausgleichskasse vom 9. Mai
1994 erst am 10. Juni 1994 und damit verspätet einzureichen. Dabei handelt es
sich jedoch nicht um neue Tatsachen, sondern um Umstände, die dem
Gesuchsteller im Hauptverfahren, welches mit dem Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 12. Mai 1997 seinen Abschluss fand, längst bekannt
waren. Die mit dem Revisionsgesuch eingereichten Akten mögen zwar geeignet
sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu ändern; es
wird jedoch kein stichhaltiger Grund dafür genannt, weshalb die Beweismittel
erst mit dem Revisionsgesuch aufgelegt wurden. Ob die Schriftstücke, bei
welchen es sich im Übrigen offensichtlich um Fotokopien und nicht um
Originalakten handelt, sich in einem alten Korpus befanden, welchen der
Gesuchsteller im Januar 1995 an einen Bekannten verkauft hatte, und erst im
Juli 2002 wieder zum Vorschein kamen, als der seinerzeitige Käufer im
Zusammenhang mit einem Wohnungsumzug den Korpus entsorgen wollte, erscheint
trotz der eingereichten schriftlichen Erklärung fraglich, ist aber nicht
entscheidend. Denn der Gesuchsteller vermag in keiner Weise darzutun, weshalb
es ihm trotz aller Umsicht unmöglich war, die genannten Beweismittel früher
zu finden und im Hauptverfahren beizubringen. In der Tat erscheint es
unwahrscheinlich, dass ein Geschäftsmann eine grössere Anzahl Dokumente von
erheblicher Bedeutung und mit teils brisantem, teils möglicherweise
strafrechtlich relevantem Inhalt verlegt und erst nach über sieben Jahren
mehr oder weniger zufällig wieder in deren Besitz gelangt. Hätte es sich
jedoch tatsächlich so verhalten, müsste dem Gesuchsteller entgegengehalten
werden, dass er bei der Prozessführung nicht die nach Art. 137 lit. b OG
vorausgesetzte Sorgfalt angewendet hat; dies gilt umso mehr, als der mit dem
Revisionsgesuch präsentierte Sachverhalt im Verfahren, welches die
Rechtzeitigkeit des Einspruchs gegen die Schadenersatzverfügung der
Ausgleichskasse vom 9. Mai 1994 zum Gegenstand hatte, nicht einmal geltend
gemacht wurde.

3.
Da das Revisionsgesuch offensichtlich unbegründet ist, wird es im Verfahren
nach Art. 143 Abs. 1 OG erledigt.

4.
Dem Gesuch um unentgeltliche Prozessführung kann nicht stattgegeben werden,
da das Revisionsgesuch als aussichtslos (BGE 128 I 236 Erw. 2.5.3) bezeichnet
werden muss (Art. 152 Abs. 1 OG; BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b). Die
Gerichtskosten sind daher entsprechend dem Ausgang des Revisionsverfahrens
dem Gesuchsteller aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden dem Gesuchsteller auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 18. Juni 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: