Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 190/2002
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H 190/02

Urteil vom 20. November 2002
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiberin Hofer

W.________, 1947, Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse, avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 17. April 2002)

Sachverhalt:

A.
Der 1947 geborene, in der Dominikanischen Republik wohnhafte W.________ ist
seit 1. März 1996 der freiwilligen Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenversicherung für Auslandschweizer angeschlossen. Mit Verfügung vom
22. Januar 2002 setzte das Schweizerische Generalkonsulat in Rio de Janeiro
seine Beiträge für das Jahr 2001 auf Fr. 1120.40 fest.

B.
Gegen diese Verfügung erhob W.________ mit Fax vom 3. März 2002 bei der
Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen Beschwerde. Der Präsident der Rekurskommission forderte ihn mit
Schreiben vom 12. März 2002 auf, innert 5 Tagen nach Erhalt das Original der
Beschwerdeschrift nachzureichen; gleichzeitig wies er darauf hin, dass bei
Nichteinhaltung der Frist auf die Rechtsvorkehr nicht eingetreten werden
könne. Mit Fax vom 11. April 2002 bestätigte W.________, das Schreiben an
diesem Tag erhalten zu haben. Nachdem bei ihr innert Frist keine verbesserte
Beschwerdeschrift eingegangen war, trat die Rekurskommission mit Entscheid
vom 17. April 2002 auf die Beschwerde nicht ein.

C.
W.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit welcher er die
Wiederaufnahme des Verfahrens verlangt. Zur Begründung führt er aus, er könne
die verfügten Beiträge nicht bezahlen, weshalb diese auf den Minimalbetrag
festzusetzen seien. Weiter hält er fest, wegen eines seit Januar 2002
dauernden Streiks der Postbeamten sei unklar, wo sein Brief mit der
Originalunterschrift geblieben sei.

Die Schweizerische Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung
auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen den vorinstanzlichen
Nichteintretensentscheid. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat daher
nur zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht auf die bei ihr erhobene Beschwerde
nicht eingetreten ist. Dagegen kann auf den materiellen Antrag auf
Festsetzung des Mindestbeitrages nicht eingetreten werden (BGE 125 V 505 Erw.
1 mit Hinweis).

2.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
3.1 Nach der Rechtsprechung kann eine Beschwerde nicht rechtsgültig mittels
Fax erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss mit der eigenhändigen
Unterschrift ihres Verfassers versehen sein. Obwohl die fehlende Unterschrift
grundsätzlich einen heilbaren Mangel darstellt (vgl. Art. 52 Abs. 2 VwVG und
Art. 30 Abs. 2 OG), zielen diese Bestimmungen nicht auf die Heilung eines
unzulänglichen Rechtsaktes hin. Vielmehr muss eine fristgerecht per Fax
übermittelte Rechtsschrift innert laufender Frist handschriftlich
unterschrieben oder durch ein eigenhändig unterzeichnetes Exemplar ergänzt
werden. Andernfalls erweist sich die Eingabe als mangelhaft und kann nicht
als rechtzeitig eingelegt gelten, weil sonst letztlich eine ungerechtfertigte
Fristerstreckung zugunsten des Säumigen eingeräumt würde, der sich von
Vornherein des sich aus der Benutzung des Faxgerätes ergebenden Formmangels
bewusst sein musste. Das Problem der Gültigkeit der Eingabe stellt sich daher
nur, wenn der Beschwerdeführer das Faxgerät am Ende der Frist benutzt und den
Mangel nicht mehr vor Fristablauf beheben kann (vgl. dazu BGE 121 II 252;
Alfred Kölz/Jürg Bosshard/Martin Röhl, Kommentar zum
Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, Zürich 1999, N 10 zu § 11).

3.2 Dem Beschwerdeführer wurde die Beitragsverfügung vom 22. Januar 2002
gemäss eigenen Angaben am 26. Februar 2002 zugestellt. Am 3. März 2002 und
somit geraume Zeit vor Ablauf der Beschwerdefrist übermittelte er der
Rekurskommission den Fax. Diese setzte ihm mit auf dem diplomatischen Weg
verschicktem Schreiben vom 12. März 2002 eine Nachfrist von 5 Tagen ab Erhalt
zur Verbesserung an. Dieses erreichte den Beschwerdeführer am 11. April 2002
und somit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist. Wie dem Schreiben des
Schweizerischen Generalkonsulats in Santo Domingo vom 12. April 2002 zu
entnehmen ist, wurde das Schreiben der Rekurskommission vom 12. März 2002 dem
Beschwerdeführer infolge grosser Zustellungsprobleme bei der lokalen Post am
11. April 2002 mittels Fax übermittelt. Mit Fax vom 8. August 2002 teilte das
Generalkonsulat der Rekurskommission sodann mit, da die Post in der
Dominikanischen Republik nicht funktioniere, sei die Vertretung gezwungen,
andere Wege der Zustellung zu suchen. Der Entscheid vom 17. April 2002
(Zustelldatum: 31. Mai 2002) sei am 10. Juni 2002 eingetroffen und am 5. Juli
2002 einem vom Beschwerdeführer beauftragten privaten Kurier übergeben
worden.

3.3 Angesichts der vom Generalkonsulat bestätigten postalischen Probleme und
unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Faxbeschwerde lange vor Ablauf
der Beschwerdefrist übermittelt wurde, erscheint ein bewusster Verstoss gegen
das Prozessrecht mit der Absicht, einen Vorteil zu sichern, den der
rechtsgültig Unterschreibende nicht hat und somit ein rechtsmissbräuchliches
Vorgehen bei der Beschwerdeeinreichung unwahrscheinlich. Indessen ist weder
innerhalb der Rechtsmittelfrist noch innerhalb der von der Vorinstanz
gewährten Nachfrist eine eigenhändig unterschriebene Beschwerdeschrift
eingegangen. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bringt der Beschwerdeführer
vor, wegen eines seit Januar 2002 dauernden Streiks der Postbeamten in der
Dominikanischen Republik seien viele Briefe nicht ordnungsgemäss abgefertigt
worden und Postsäcke verloren gegangen. Wo sein Brief steckengeblieben sei,
könne er nicht sagen. Die Bundesrechtskonformität des vorinstanzlichen
Nichteintretensentscheids hängt daher auch von der prozessualen Zulässigkeit
und Begründetheit dieses erst nach Abschluss des kantonalen Verfahrens
sinngemäss gestellten Gesuchs um Fristwiederherstellung ab. In diesem
Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer zu Recht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhob oder ob er gehalten gewesen wäre, bei der
Rekurskommission ein Gesuch um Fristwiederherstellung einzureichen.

4.
4.1 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat im Urteil M. vom 26. September
2000 (C 224/00) die Frage offen gelassen, ob die Wiederherstellung einer
Frist zur Nachbesserung einer mangelhaften Beschwerdeschrift bei
zwischenzeitlich ergangenem Nichteintretensentscheid auf dem Wege der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht werden kann oder ob ein
entsprechendes Gesuch beim kantonalen Gericht als fristansetzender Behörde zu
stellen ist. Im Urteil B. vom 28. August 2001 (C366/00) gelangte das Gericht
zur Auffassung, dass bei Vorliegen eines noch nicht rechtskräftigen, mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren kantonalen Entscheides
ausserordentliche kantonale Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe (z.B.
Revisionsbegehren, Fristwiederherstellungsgesuch) subsidiär zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind. Das Gericht trat auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein, mit welcher unter anderem um
Wiederherstellung der verpassten Beschwerdefrist ersucht worden war und
prüfte dieses Rechtsbegehren. Ebenso trat es im Urteil T. vom 4. Februar 2002
(I 477/00) auf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein, bei welcher es um die
Wiederherstellung einer kantonalen Replikfrist ging.

4.2 Die im kantonalen Verfahren anwendbaren Art. 84-85bis AHVG enthalten
keine Bestimmungen zur Fristwiederherstellung; diese entspricht jedoch einem
allgemein gültigen Grundsatz des Bundesrechts (Art. 35 OG, Art. 24 VwVG),
wonach bei unverschuldeter Versäumnis und entsprechendem Gesuch innert der
gesetzlich vorgeschriebenen Frist eine verpasste gesetzliche oder behördlich
angeordnete Frist wiederhergestellt werden kann. Dieser Grundsatz ist im
kantonalen Beschwerdeverfahren analog anwendbar (vgl. ARV 1991 Nr. 17 S. 122;
BGE 108 V 109). Gemäss Art. 96 AHVG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 VwVG
kann die Frist wieder hergestellt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein
Vertreter unverschuldet abgehalten worden ist, innert Frist zu handeln,
binnen zehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses ein begründetes Begehren um
Wiederherstellung einreicht und die versäumte Rechtshandlung nachholt.

4.3 Die Wiederherstellung beurteilt sich nach Massgabe der Gesuchsbegründung
(BGE 119 II 88 Erw. 2b mit Hinweisen). Aus ihr geht in Verbindung mit den
Schreiben des Schweizerischen Generalkonsulats vom 12. April und 30. Juli
2002 hervor, dass in der Dominikanischen Republik in diesem Zeitraum die
postalische Zustellung erheblich erschwert bis verunmöglicht war. Damit ist
zwar glaubhaft, dass eine unverschuldete Verhinderung bestand. Daraus lässt
sich jedoch nicht schliessen, dass das Hindernis unvorhersehbar war und
dessen Abwendung übermässige Anforderungen gestellt hätte. Mit dem blossen
Hinweis auf postalische Schwierigkeiten vermag der Beschwerdeführer daher
noch keinen Wiederherstellungsgrund darzutun. Er deutet zwar an, dass er den
Brief mit der Originalunterschrift der lokalen Post übergeben hat, unterlässt
es aber, dies in zeitlicher und örtlicher Hinsicht zu präzisieren.
Insbesondere ist nicht ersichtlich, wann und wo er die Sendung aufgegeben
haben will und ob diese eingeschrieben (vgl. die beiden Eingaben an das
Eidgenössische Versicherungsgericht vom 8. Juli und 29. August 2002) oder mit
gewöhnlicher Post verschickt wurde. Da die Zustellungsprobleme offenbar
bereits seit Januar 2002 bestanden und somit nicht von einem unvorhersehbaren
Hindernis ausgegangen werden kann, hätten zudem auch andere Übermittlungswege
ins Auge gefasst werden müssen. Zu denken ist dabei in erster Linie an die
Übergabe an das Schweizerische Generalkonsulat, worauf der Präsident der
Rekurskommission im Schreiben vom 12. März 2002 ausdrücklich hinwies. Weshalb
dieses Vorgehen nicht möglich war, wird weder dargetan noch ist dies sonstwie
ersichtlich. Ein Wiederherstellungsgrund ist somit nicht erstellt. Es kann
daher offen bleiben, ob das Gesuch überhaupt rechtzeitig erfolgt ist und ob
der Beschwerdeführer mit der Einreichung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
die versäumte Handlung nachgeholt hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 20. November 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: