Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 17/2002
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H 17/02

Urteil vom 30. Oktober 2002
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Ackermann

J.________, 1935, Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse, avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 5. Dezember 2001)

Sachverhalt:

A.
Dr. med. J.________, geboren 1935 und in Deutschland wohnhaft, meldete sich
im Juni 2000 bei der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung
zum Rentenbezug an und brachte vor, er habe vom 16. März bis 15. Dezember
1964 im Spital X.________ und vom 28. Dezember 1964 bis 12. April 1965 bei
einem Arzt in Y.________ gearbeitet. Nachdem sie diverse Abklärungen
vorgenommen hatte, lehnte die Schweizerische Ausgleichskasse mit Verfügung
vom 25. Oktober 2000 den Anspruch auf eine Rente der Alters- und
Hinterlassenenversicherung ab, da eine ungenügende Mindestbeitragszeit von
nur zehn Monaten vorliege.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission der
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland
wohnenden Personen mit Entscheid vom 5. Dezember 2001 ab, nachdem die
Ausgleichskasse weitere Abklärungen vorgenommen hatte.

C.
J.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung sei
ihm ab Februar 2000 eine Altersrente zu gewähren.

Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung
auf eine Stellungnahme verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt,
sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen
Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der
Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG). Da sich
der Streit um die Rentenberechtigung rsp. -höhe dreht, betrifft er
Versicherungsleistungen, weshalb hier, auch wenn Fragen der Richtigkeit des
individuellen Kontos bzw. dessen Berichtigung eine Rolle spielen, die
umfassende Kognition gilt (117 V 262 Erw. 1 mit Hinweis).

2.
Trotz des vorliegenden, einen Angehörigen eines EU-Mitgliedstaats
betreffenden grenzüberschreitenden Sachverhalts sind die Regelungen des am 1.
Juni 2002 in Kraft getretenen Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit
(Abkommen über die Personenfreizügigkeit; APF; AS 2002, 1529) nicht
anzuwenden, da die Verwaltungsverfügung vor dem Inkrafttreten des APF
ergangen ist (noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil S.
vom 9. August 2000, C 357/01). Damit ist das Abkommen zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über
Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 anzuwenden.

3.
Die Rekurskommission hat die vorliegend massgebenden Vorschriften über das
anwendbare Recht (Art. 4 in Verbindung mit Art. 2 Ziff. 2 lit. a und Art. 3
des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der
Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964), die
Voraussetzungen des Rentenanspruchs der Alters- und
Hinterlassenenversicherung (Art. 29 AHVG), die Bedeutung der individuellen
Konten (Art. 30ter AHVG) sowie den im Sozialversicherungsrecht geltenden
Untersuchungsgrundsatz und die Folgen bei Beweislosigkeit (BGE 125 V 195 Erw.
2) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

Zu präzisieren bleibt einzig, dass gemäss Art. 138 Abs. 1 AHVV die von einem
Arbeitnehmer erzielten Erwerbseinkommen, von welchen der Arbeitgeber die
gesetzlichen Beiträge abgezogen hat, in das individuelle Konto (des
Arbeitnehmers) einzutragen sind, selbst wenn der Arbeitgeber die
entsprechenden Beiträge der Ausgleichskasse nicht entrichtet hat. Die gleiche
Ordnung gilt auch dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine
Nettolohnvereinbarung getroffen haben, d.h. wenn der Arbeitgeber sämtliche
Beiträge zu seinen Lasten übernimmt. Diese beiden Sondertatbestände müssen
aber einwandfrei nachgewiesen sein. Ist der Nachweis nicht erbracht, dass der
Arbeitgeber tatsächlich die Beiträge vom Lohn seines Arbeitnehmers abgezogen
hat oder lässt sich eine behauptete Nettolohnvereinbarung nicht eindeutig
feststellen, so dürfen die entsprechenden Einkommen nicht ins individuelle
Konto eingetragen werden (BGE 117 V 262 Erw. 3a mit Hinweisen).

Laut Art. 141 AHVV hat der Versicherte das Recht, bei jeder Ausgleichskasse,
die für ihn ein individuelles Konto führt, einen Auszug über die darin
gemachten Eintragungen zu verlangen (Abs. 1 Satz 1). Versicherte, welche die
Richtigkeit einer Eintragung nicht anerkennen, können innert dreissig Tagen
seit Zustellung des Kontoauszuges bei der Ausgleichskasse Einspruch erheben
(Abs. 2). Wird kein Kontoauszug verlangt, gegen einen erhaltenen Kontoauszug
kein Einspruch erhoben oder ein erhobener Einspruch abgewiesen, so kann bei
Eintritt des Versicherungsfalles die Berichtigung von Eintragungen nur
verlangt werden, "soweit deren Unrichtigkeit offenkundig ist oder dafür der
volle Beweis erbracht wird" (Abs. 3). Das gilt nicht nur für unrichtige,
sondern auch für unvollständige Eintragungen im individuellen Konto, wie
beispielsweise die Nichtregistrierung tatsächlich geleisteter Zahlungen (BGE
117 V 262 f. Erw. 3a mit Hinweisen). Diese Kontenbereinigung erstreckt sich
alsdann auf die gesamte Beitragsdauer des Versicherten, betrifft also auch
jene Beitragsjahre, für welche gemäss Art. 16 Abs. 1 AHVG jede Nachzahlung
von Beiträgen ausgeschlossen ist. Die Kasse darf aber im Rahmen von Art. 141
Abs. 3 AHVV nicht über Rechtsfragen entscheiden, welche der Versicherte schon
früher durch Beschwerde im Sinne von Art. 84 AHVG zur richterlichen
Beurteilung hätte bringen können, sondern nur allfällig vorhandene
Buchungsfehler korrigieren (BGE 117 V 263 Erw. 3a mit Hinweis).

4.
Streitig ist, ob mehr als die von der Ausgleichskasse anerkannten - der
Tätigkeit im Spital X.________ von März bis Dezember 1964 entsprechenden -
zehn Monate Beitragszahlungen zu berücksichtigen sind.

4.1 Die Vorinstanz hat eine Berichtigung des individuellen Kontos mangels
rechtsgenüglichen Beweises abgelehnt und in der Folge die
Mindestbeitragsdauer als nicht erfüllt betrachtet. Der Beschwerdeführer ist
demgegenüber der Ansicht, dass für mehr als zwölf Monate Beiträge abgerechnet
worden seien, was sein ehemaliger Arbeitgeber bestätige.

4.2 Aus den Auszügen des individuellen Kontos ergibt sich einzig für das Jahr
1964 ein Eintrag über ein Einkommen von Fr. 325.--, was drei Tagen
Beschäftigung beim privaten Arbeitgeber Ende Dezember 1964 entspricht.

Der Rentenanspruch setzt gemäss Art. 29 AHVG jedoch mindestens eine
zwölfmonatige Beitragsdauer voraus, welche durch die Einträge im
individuellen Konto nachgewiesen wird. Da hier keine offenkundige
Unrichtigkeit der Konteneinträge vorliegt, hat der Beschwerdeführer - um
einen Rentenanspruch zu erhalten - die Mindestbeitragszeit nachzuweisen,
wobei er gemäss Art. 141 Abs. 3 AHVV den vollen Beweis für die Unrichtigkeit
der Konteneintragungen erbringen muss; dieser volle Beweis wird in der Regel
nur durch Urkunden (z.B. Lohnabrechnungen) erbracht werden können, da
mündliche Aussagen nach so langer Zeit wie hier höchst unzuverlässig sind.
Allein durch die im Januar 2002 erfolgte pauschale Bestätigung des ehemaligen
privaten Arbeitgebers, dass eine Nettolohnvereinbarung bestanden habe, wird
dieser Beweis nicht erbracht (es wäre wohl anders zu entscheiden, wenn der
Originalarbeitsvertrag mit der Nettolohnabrede beigebracht werden könnte). Im
Weiteren vermögen weder die blosse Vermutung der Ausgleichskasse Z.________e
vom 13. November 2000, "dass die Abrechnung für das Jahr 1965
höchstwahrscheinlich vergessen wurde", noch die Annahme des Spitals
X.________ vom 27. April 2001, dass die damalige Nichterfüllung der
gesetzlichen Abrechnungspflicht sehr verwunderlich wäre, den vollen Beweis
für die Unrichtigkeit der Eintragungen im individuellen Konto zu erbringen;
dasselbe gilt auch für den Hinweis auf die Aussage eines Mitarbeiters der
Ausgleichskasse, dass Fehler oder Verluste von Aufzeichnungen nicht sicher
ausgeschlossen werden könnten.

Damit ist der volle Beweis gemäss Art. 141 Abs. 3 AHVV für die Unrichtigkeit
der Einträge im individuellen Konto nicht erbracht und in der Folge die
Mindestbeitragsdauer nach Art. 29 Abs. 1 AHVG für den Rentenanspruch nicht
rechtsgenüglich nachgewiesen.

4.3 Der Beschwerdeführer bringt schliesslich vor, dass Vorinstanz und
Ausgleichskasse die zehn Monate Beitragszeit während der Anstellungsdauer im
Spital X.________ trotz Fehlens eines Eintrags im individuellen Konto
anerkannt hätten, während die Beitragszeit beim privaten Arbeitgeber trotz
Bestätigung der Nettolohnabrede nicht berücksichtigt worden sei; damit würden
zu seinem Nachteil die Angaben von öffentlichen und privaten Arbeitgebern
unterschiedlich behandelt.

Es ist tatsächlich nicht einsichtig, weshalb die Rekurskommission und die
Ausgleichskasse die Angaben von öffentlichen und privaten Arbeitgebern
unterschiedlich gewürdigt haben: Richtigerweise hätten weniger als zehn
Beitragsmonate anerkannt werden dürfen, da für die Beiträge während der Dauer
der Beschäftigung im Spital X.________ keine Einträge im individuellen Konto
vorliegen und der volle Beweis für die Unrichtigkeit des individuellen Kontos
nicht erbracht worden ist. Vielmehr hat die zuständige Ausgleichskasse
bestätigt, dass für den Beschwerdeführer während dieser Zeit keine Beiträge
abgerechnet worden sind; zudem konnten weder das Spital noch der
Beschwerdeführer diesbezügliche Unterlagen produzieren. Insofern ist die
Begründung des Entscheides vom 5. Dezember 2001 und der Verfügung vom 25.
Oktober 2000 nicht korrekt, was jedoch keine Auswirkung auf den
Rentenanspruch hat, da die Unrichtigkeit der Einträge im individuellen Konto
- und damit die Mindestbeitragszeit von zwölf Monaten - in beiden Fällen
nicht rechtsgenüglich nachgewiesen ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland
wohnenden Personen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 30. Oktober 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: