Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 170/2002
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H 170/02

Urteil vom 12. Februar 2003
II. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber
Hadorn

1. U.________, 1948,

2. R.________, 1950,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Fürsprecher Andreas Bandi,
Jurastrasse 31, 4900 Langenthal,

gegen

Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes, Sumatrastrasse 15,
8006 Zürich, Beschwerdegegnerin,

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 14. Mai 2002)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügungen vom 21. März 2000 verpflichtete die Ausgleichskasse des
Schweizerischen Baumeisterverbandes U.________ und R.________, Präsident bzw.
Mitglied des Verwaltungsrates der in Konkurs gefallenen Firma H.________ AG,
für nicht mehr erhältliche Sozialversicherungsbeiträge zuzüglich
Verzugszinsen und Mahngebühren unter solidarischer Haftbarkeit Fr. 14'744.60
Schadenersatz zu leisten.

B.
Auf Einspruch der Belangten hin klagte die Kasse gegen beide auf Bezahlung
des erwähnten Betrages. Mit Entscheid vom 14. Mai 2002 vereinigte das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern die zwei Verfahren und hiess die Klagen
gut.

C.
U.________ und R.________ lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und
beantragen, es seien der kantonale Entscheid aufzuheben und die Klage der
Kasse abzuweisen. Eventuell sei die Sache zu näheren Abklärungen an das
kantonale Gericht zurückzuweisen.

Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf
eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Gesetz (Art. 52 AHVG in der Fassung bis
31.12.02) und Rechtsprechung (vgl. statt vieler BGE 123 V 15 Erw. 5b) die
Voraussetzungen richtig dargelegt, unter welchen Organe juristischer Personen
den der Ausgleichskasse wegen Missachtung der Vorschriften über die
Beitragsabrechnung und -zahlung (Art. 14 Abs. 1 AHVG; Art. 34 ff. AHVV)
qualifiziert schuldhaft verursachten Schaden zu ersetzen haben. Darauf wird
verwiesen. Zu ergänzen ist, dass eine Entlastung der verantwortlichen Organe
dann in Betracht fällt, wenn sie nachzuweisen vermögen, dass sie alles ihnen
Mögliche und Zumutbare für die Begleichung der Beiträge unternommen haben
(zuletzt bestätigt im Urteil K. vom 17. Mai 2002, H 11/02).

3.
3.1 Die Beschwerdeführenden machen - wie bereits im kantonalen Prozess -
geltend, sie hätten bis Mitte 1998 alle Beiträge bezahlt. Die danach fällig
gewordenen Betreffnisse hätten die Banken trotz entsprechender
Zahlungsanweisungen nicht beglichen. Der Zahlungsstopp der Banken sei
erfolgt, obwohl die Kreditlimiten nicht voll ausgeschöpft gewesen seien.

3.2 Die Vorinstanz hat diesbezüglich ausgeführt, die eingereichten Unterlagen
belegten zwar, dass die von den Banken gewährten Kredite nicht voll
ausgeschöpft worden seien. Die Beschwerdeführenden hätten indessen nicht
dargetan, dass sie Zahlungsaufträge zur Begleichung der ausstehenden Beiträge
erteilt und alles ihnen Mögliche und Zumutbare für deren Bezahlung
unternommen hätten.

3.3 Bereits in den Einsprüchen und vor gegenüber der Vorinstanz haben die
Beschwerdeführenden geltend gemacht, es sei ihnen nicht möglich,
Zahlungsanweisungen an die Bank vorzulegen, da sich die entsprechenden Akten
beim Konkursamt befänden. In beiden Verfahrensschritten verlangten die
Beschwerdeführenden den Beizug dieser Akten und die Befragung der zuständigen
Sachbearbeitern der betroffenen Banken.

3.4 Die Vorinstanz hat in für das Eidgenössische Versicherungsgericht
verbindlicher Weise (Erw. 1 hievor) festgestellt, dass die Kreditlimiten,
welche die Banken zugesagt hatten, im Zeitpunkt des Konkurses nicht
vollständig ausgeschöpft waren. Falls die Beschwerdeführenden, wie sie
wiederholt betont haben, den Banken wirklich zu Lasten dieser noch nicht voll
bezogenen Kredite Zahlungsaufträge zur Begleichung der ausstehenden Beiträge
der H.________ AG erteilt hätten, wäre nicht ohne weiteres verständlich,
weshalb die diese Anweisungen trotz noch vorhandener Kreditmittel nicht
befolgt worden sind. Es ist daher denkbar, dass die Banken einen eigentlichen
Kreditstopp verfügt und die Zahlungsaufträge nicht mehr ausgeführt haben.
Träfe dies zu und ergäbe sich aus den angerufenen Unterlagen und Zeugen, dass
die Beschwerdeführenden alles ihnen Mögliche und Zumutbare zur Bezahlung der
Ausstände vorgekehrt haben, könnten sie sich unter Umständen entlasten
(erwähntes Urteil K. vom 17. Mai 2002 mit Hinweisen). Es ist nicht
auszuschliessen, dass die Beschwerdeführenden keinen Zugang zu den beim
Konkursamt liegenden Akten hatten und deshalb die Zahlungsaufträge
tatsächlich nicht selber vorlegen konnten. Indem die Vorinstanz die
entsprechenden Beweisanträge abgewiesen und in antizipierter Beweiswürdigung
angenommen hat, es seien keine Zahlungsaufträge erteilt worden, hat sie das
rechtliche Gehör der Beschwerdeführenden verletzt, insbesondere deren Recht
auf Erhebung weiterer Beweise und Einvernahme offerierter Zeugen. Die Sache
geht deshalb an das kantonale Gericht zurück, damit es die notwendigen
Beweisvorkehren treffe und hernach über die Klage der Kasse erneut
entscheide.

4.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die
Verfahrenskosten sind der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1
OG), zumal die Beschwerdeführenden ihre Sichtweise bereits im
Einspruchsverfahren vorgetragen haben und die Kasse gehalten gewesen wäre,
die angebotenen Beweise bereits damals zu erheben.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 14. Mai 2002 aufgehoben, und die
Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie im Sinne der
Erwägungen verfahre.

2.
Die Gerichtskosten von total Fr. 1300.- werden der Ausgleichskasse des
Schweizerischen Baumeisterverbandes auferlegt.

3.
Die geleisteten Kostenvorschüsse von je Fr. 1300.- werden den
Beschwerdeführenden zurückerstattet.

4.
Die Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes hat den
Beschwerdeführenden für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1000.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 12. Februar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Vorsitzende der II. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: