Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 16/2002
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H 16/02

Urteil vom 8. Januar 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Schmutz

S._______, 1936, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Men
Rauch, Seestrasse 131, 8027 Zürich,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 26. Oktober 2001)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 19. September 2000 lehnte die Sozialversicherungsanstalt
des Kantons Zürich (nachfolgend: Ausgleichskasse) das Gesuch von S._______ um
Herabsetzung der mit Nachtragsverfügungen vom 16. April 1998 rechtskräftig
festgesetzten, auf einem beitragspflichtigen jährlichen Einkommen von Fr.
1'876'900.- bemessenen persönlichen AHV-Beiträge der Jahre 1996 und 1997 von
Fr. 178'305.60 pro Jahr ab. Sie begründete dies unter anderem damit, die
verfügbaren Mittel (Einkommen und Vermögen) würden mindestens Fr. 1'138'168.-
betragen, der Notbedarf demgegenüber pro Jahr Fr. 24'960.-.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. Oktober 2001 ab.

C.
S._______ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Herabsetzung
der persönlichen Beiträge für die Jahre 1996 und 1997 führen; eventuell sei
die Sache zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.

Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf
eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Bestimmung über die Voraussetzungen
für eine Herabsetzung der Beiträge aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (Art.
11 Abs. 1 AHVG) sowie die hiezu ergangene Rechtsprechung, namentlich zum
Begriff des Notbedarfs (BGE 104 V 61 Erw. 1a, 113 V 252 Erw. 3a) und zu dem
für die Beurteilung der Herabsetzung massgeblichen Zeitpunkt (BGE 120 V 275
Erw. 5a/dd mit Hinweisen), zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Herabsetzung der geschuldeten
Beiträge nach Art. 11 Abs. 1 AHVG nur bei ausserordentlicher wirtschaftlicher
Bedrängnis zulässig, weshalb die Unzumutbarkeit der vollen
Beitragsentrichtung nur dann gegeben ist, wenn die vorhandenen Mittel den
Notbedarf des Pflichtigen, der seinem betreibungsrechtlichen Existenzminimum
entspricht, nicht decken (BGE 120 V 274 Erw. 5a mit Hinweis). In ZAK 1980 S.
531 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht dargelegt, dass die
vorausgesetzte Unzumutbarkeit erfüllt ist, wenn der Pflichtige bei Bezahlung
des vollen Beitrags seinen und seiner Familie Notbedarf nicht befriedigen
könnte. Ob eine Notlage besteht, ist auf Grund der gesamten wirtschaftlichen
Verhältnisse und nicht allein anhand des Erwerbseinkommens zu beurteilen. Aus
Gründen der rechtsgleichen Behandlung bedarf es einer objektiven Notlage,
weswegen es nicht genügt, wenn der Pflichtige sich subjektiv in einer
bedrängten Lage wähnt. Verfügt er über Vermögenswerte, die blockiert sind,
ist dies allein kein Grund für eine Herabsetzung, sondern allenfalls Anlass
für die Gewährung eines Zahlungsaufschubs. In ZAK 1984 S. 171 hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht ausgeführt, dass der in ständiger
Rechtsprechung angewandte Begriff der Unzumutbarkeit der Beitragszahlung aus
wirtschaftlichen Gründen bewusst die Berücksichtigung von anderen Elementen
ausschliesst, welche eine Beitragszahlung subjektiv als hart erscheinen
lassen. Mangels anderer eindeutig zu handhabender Kriterien wäre sonst Tür
und Tor für eine willkürliche Praxis auf dem Gebiete der Herabsetzung oder
des Erlasses von Beiträgen geöffnet, wenn nach der allgemeinen sozialen oder
finanziellen Stellung des Pflichtigen differenziert würde. In Anwendung
dieser Rechtsprechung hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im nicht
veröffentlichten Urteil C. vom 24. Juni 1996, H 355/95, entschieden, die
Vorinstanz habe weder Bundesrecht verletzt noch ihr Ermessen rechtsfehlerhaft
ausgeübt, wenn sie bei einem Einnahmenüberschuss (Differenz zwischen dem
betreibungsrechtlichen Existenzminimum und verfügbaren Mitteln) von Fr.
108.50 monatlich und einer Beitragsschuld von Fr. 17'594.40 die Herabsetzung
verweigerte. Im nicht veröffentlichten Urteil G. vom 21. Juli 2000, H 145/00,
erwog das Eidgenössische Versicherungsgericht, der Einwand des Pflichtigen,
er würde bei Bezahlung der Beitragsschuld von Fr. 28'133.15 mit dem monatlich
erwirtschafteten Einnahmenüberschuss von Fr. 2700.- zahlungsunfähig, sei
unbehelflich, da er die Möglichkeit habe, Abzahlungsvereinbarungen zu
treffen. Nach den dargestellten Urteilen ist für die Annahme der
Unzumutbarkeit der vollen Beitragsentrichtung alleine entscheidend, ob der
Pflichtige, der über kein Vermögen verfügt, ein das betreibungsrechtliche
Existenzminimum übersteigendes Einkommen erzielt. Wird in diesem Sinn ein
Einnahmenüberschuss erwirtschaftet, hat der Pflichtige die geschuldeten
Beiträge unvermindert zu bezahlen. Nur wenn er seinen und seiner Familie
Notbedarf nicht zu befriedigen vermag, sind die Beiträge herabzusetzen.
Mithin ist nach der Rechtsprechung zu Art. 11 AHVG der Zeitraum, innerhalb
welchem der Pflichtige die Beitragsschuld zu tilgen vermag, für die
Beurteilung der Frage, ob sie herabzusetzen sei, nicht von Bedeutung. Die
Auffassung, wonach die Beiträge herabzusetzen sind, wenn der Pflichtige sie
bezogen auf ein Jahr nicht zu begleichen vermag, findet in der Rechtsprechung
zu Art. 11 Abs. 1 AHVG keinen Rückhalt (Urteil W. vom 26. Juli 2002, H
395/01).

3.2 Von einem Beitragspflichtigen, der Vermögenswerte besitzt, darf
gegebenenfalls auch die Aufnahme eines Darlehens zur Bezahlung seiner
Beiträge erwartet werden (ZAK 1980 S. 531). Dabei fallen Vermögenswerte
herabsetzungsrechtlich ausser Betracht, soweit deren Belehnung rechtlich
unzulässig oder faktisch unmöglich ist. Dies betrifft namentlich die
(anwartschaftlichen) Leistungsansprüche im Rahmen der gebundenen
individuellen beruflichen Vorsorge (2. Säule, Säule 3a), die vor Fälligkeit
grundsätzlich weder verpfändet noch abgetreten werden können (Art. 39 Abs. 1
BVG und Art. 331b OR sowie Art. 82 BVG in Verbindung mit Art. 1 und 4 BVV 3).
Bei Liegenschaften sodann ist immer zu fragen, ob mit Blick auf die aktuelle
Wirtschaftslage eine Mehrbelastung möglich ist oder ein Verkauf einen
genügenden Gewinn erwarten lässt (nicht veröffentlichtes Urteil N. vom 22.
Dezember 1994, H 174/94).

4.
Die Vorinstanz hat die Zumutbarkeit der Beitragszahlung unter anderem deshalb
bejaht, weil der Beschwerdeführer Eigentümer ausserkantonaler Liegenschaften
mit einem Verkehrswert von insgesamt Fr. 671'300.- ist (ein Ferienhaus in
X.________ SG und drei landwirtschaftlich genutzte Parzellen in Y._________
AG). Der Beschwerdeführer wendet hiegegen einzig ein, dass diese Grundstücke
hypothekarisch mit Fr. 300'000.- belastet seien. Im unbestrittenen restlichen
Wert von Fr. 371'300.- sind sie aber unbelastet. Bei einem Verkauf dieser
Liegenschaften ist dem Beschwerdeführer die Beitragszahlung (2 x Fr.
178'305.60 = Fr. 356'611.20) demnach zumutbar (vgl. Erw. 3.2 hiervor).

5.
Da die Beitragszahlung auch ohne die Inanspruchnahme der Mehrfamilienhäuser
in Z.________ zumutbar war, kann offen bleiben, ob die Vorinstanz zu Recht
auf den vom Beschwerdeführer den Steuerbehörden angegebenen Buchwert
abgestellt und von einer davon unabhängigen Verkehrswertschätzung abgesehen
hat. Ebenfalls offen bleiben kann demnach, ob das kantonale Gericht im
Zusammenhang mit der Beurteilung der Zumutbarkeit der Beitragszahlung aus
dieser Liegenschaft das rechtliche Gehör verletzt hat.

6.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario).
Entsprechend dem Prozessausgang gehen die Kosten zu Lasten des
Beschwerdeführers (Art. 156 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 8000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 8. Januar 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: